Wolf Lustig (Mainz)

Ñande reko:
Die Guarani-Sprache als Symbol und Ausdruck der paraguayischen Kultur

Paraguay ist das einzige Land Lateinamerikas, in dem sich eine indigene Sprache - nämlich das Guarani - als Verständigungsmittel der großen Mehrheit der Bevölkerung erhalten hat: Nach jüngsten Zählungen sprechen und verstehen nahezu 90% der Paraguayer Guarani, und mehr als ein Drittel ist des Spanischen nicht oder nur unvollkommen mächtig. In der Verfassung von 1992 ist dem bodenständigen Idiom nun auch der Status einer lengua oficial zuerkannt worden, was im Prinzip seine Gleichberechtigung mit dem Spanischen garantieren soll, also etwa auch seine Verwendung in Bereichen wie Presse und Fernsehen, Erziehungswesen und Justiz.

In Wirklichkeit ist die Sprachsituation in Paraguay allerdings weiterhin mit dem Begriff der Diglossie zu umschreiben. D. h. es gibt eine dominante Sprachform mit hohem gesellschaftlichem Ansehen, in diesem konkreten Fall das Spanische. Selbst wenn sie nur von einer Minderheit in Wort und Schrift korrekt beherrscht wird, kommt sie in offiziellen Kontexten - etwa in den Medien und auch im offiziellen Kulturbetrieb - fast ausnahmslos zur Verwendung. Die andere Sprache, die zwar die des „Volkes“ - insbesondere der unteren Bevölkerungsschichten - sein mag, genießt ebenso wie ihre Sprecher ein geringeres soziales Prestige und bleibt auf den familiären und häuslichen Bereich beschränkt. Eine interessante Ausnahme bildet allerdings der Bereich der politischen Propaganda: in der Kommunikation mit der Landbevölkerung setzen die Politiker bewußt und gezielt das Guarani ein. Jedenfalls wird es fast ausschließlich in der mündlichen Kommunikation verwendet, nur wenige ihrer Sprecher haben gelernt, sich auf Guarani schriftlich auszudrücken.

Im Falle Paraguays hat das real existierende und lebendige Guarani mit einem weiteren Handicap zu kämpfen: Es ist mit dem Makel der Unreinheit behaftet, denn es manifestiert sich als eine jeder Norm entgleitende Mischsprache. Die Struktur dieses sogenannten jopara wird zwar vom Guarani bestimmt, sein Wortschatz ist aber zu einem großen Teil dem Spanischen entlehnt.

Trotz des geringen öffentlichen Ansehens des gesprochenen Guarani wird auch von primär spanischsprachigen Paraguayern der Oberschicht die Meinung vertreten, dass das Guarani ein wenn nicht das Symbol der kulturellen und nationalen Identität Paraguays sei. Als Garant von ñande reko, „unserer eigenen Art zu sein“, verdiene es besondere gesellschaftliche Achtung und zumindest im kulturellen Bereich staatliche Förderung.

Es ist dies eine Auffassung, der im Prinzip schon die zu Stroessners Zeiten erlassene Verfassung Rechnung trug, indem sie den Stellenwert des Guarani als lengua nacional hervorkehrte: die Sprache als nationales Symbol, vergleichbar mit Flagge und Hymne, ein Markenzeichen, das man als Volk besitzt und zu bestimmten Gelegenheiten stolz und feierlich zur Schau stellt - ein Symbol, das aber scheinbar zur praktischen Verwendung im Alltagsleben eines modernen Staates nur wenig taugt.

Für die Kulturschaffenden des Landes, und insbesondere für seine Schriftsteller ist das Guarani aber auch als neuerdings offizielle Sprache nicht das Ausdrucksmittel der ersten Wahl geworden — einmal ungeachtet der Tatsache, dass die Zahl der Druckerzeugnisse auf Guarani zugenommen hat. Eher sind die beiden Funktionen der Sprache, die ich hier einmal einerseits als Symbol und andererseits als Ausdruck von ñande reko fassen möchte, noch weiter auseinandergedriftet. Dies will ich versuchen an Hand einiger Beispiele von heute und einst zu demonstrieren.

Aufschlussreich erscheint mir in diesem Zusammenhang ein Blick auf das Schaffen der großen Schriftsteller, die - wie Augusto Roa Bastos - ihre Werke „natürlich“ primär auf Spanisch verfassen. Im Werk dieses Autors, der inzwischen selbst zur Symbolfigur der paraguayischen Kultur geworden ist | war Guarani stets eher ein Accessoire und Einsprengsel, das seinen Texten eine gewisse Authentizität verlieh.

Bei Roa Bastos kann man von seinen ersten großen Werken (Die Nacht der treibenden Feuer und Menschensohn), die in den 50er Jahren erstanden, bis zu den jüngsten Romanen eine Entwicklung beobachten: Die Präsenz und der Stellenwert des Guarani in seinen Texten haben kontinuierlich abgenommen.

Vielleicht liegt der Schlüssel zum Verständnis dieser Haltung in einer Passage aus El Fiscal, einem Roman von 1993, die ich auf deutsch wiederzugeben versuche. Der Erzähler spricht davon, dass ihm die Schrullen einer deformierten Volksgemeinschaft wie der paraguayischen, die von ihrer traditionellen Lebensweise abgefallen sei, immer fremder geworden sind, und fährt fort:

Genauso geht es mir mit Ausdrücken in meiner Muttersprache [dem Guarani], aber vor allem mit dem jopara, jenem grauenhaften, aus ihr abgeleiteten Dialekt, der mir vorkommt wie der idiotische Jargon einer senilen Nation, wie der ñe’ê tavy [das blöde Geschwätz] von geistig Behinderten oder einer kranken Gesellschaft, die massenhaft vom Alzheimer-Syndrom befallen ist.

Mit diesem Verdikt über das jopara, jene Mischsprache, die doch trotz allem die Sprache der Bevölkerungsmehrheit ist, steht Roa Bastos nicht allein. Wenn Sie einen im Prinzip des Guarani mächtigen Paraguayer fragen, ob oder wie gut er die Sprache beherrscht, werden Sie sehr oft die entschuldigende Antwort erhalten, dass er es bedauerlicherweise nur sehr unvollkommen beherrsche, nur eben dieses leider schrecklich korrumpierte jopara. Dieses sprachliche Minderwertigkeitsgefühl in Bezug auf das nationale Symbol Guarani wird oft auch als Grund dafür angegeben, dass man Hemmungen habe, es in offiziellen Situationen zu benutzen oder etwas auf Guarani zu schreiben.

Beispiele für ausschließliche Förderung des Guarani puro

Zwar hat das Guarani im Rahmen der Bildungsreform in Paraguay wieder einen hohen Stellenwert erlangt - zumindest idealiter und theoretisch, denn die Umsetzung ist aus Mangel an Geld und ausreichend geschulten Lehrkräften sehr schwierig. Alle Schulkinder müssen heute auch Guarani lernen. Doch die in den Schulbüchern verwendete und von den Lehrern unterrichtete Sprache ist durch ihren Hang zum Purismus weit entfernt von der Sprachform, die die meisten Schüler ja schon sprechen - und zwar oft „besser“ als die Lehrkräfte. Nur ist nach Ansicht der meisten Pädagogen das reine Guarani das „bessere“ - das von ihnen so genannte guaraniete, das wahre, echte Guarani, in dem die Hispanismen ausgemerzt und durch Neuschöpfungen ersetzt werden.

Die meisten Gremien, Verbände und Akademien, die sich die Förderung der Nationalsprache zum Ziel setzten, haben dabei bislang eine relativ volksferne Kunstsprache vor Augen. Man kann sich vorstellen, dass der psychologisch-didaktische Effekt einer solchen Tendenz eher kontraproduktiv ist: es kann dazu führen, dass den Sprechern ihr ureigenes Idiom verleidet wird, sie aber auf der anderen Seite kein natürliches Verhältnis zu der fast wie Latein oder Griechisch unterrichteten angeblich richtigen Sprachform gewinnen.

Hier scheint auf Seiten mancher Erzieher jenes Denken im Spiel zu sein, dem die Sprache als unantastbares nationales Symbol geradezu heilig ist. Es gilt sie vor Verunreinigung zu bewahren, selbst auf die Gefahr hin, dass sie dazu in einem goldenen Kästchen verschlossen, vor Be- und Abnutzung bewahrt aufgehoben werden muß.

Auch die Literatur auf Guarani bemüht sich - von wenigen Ausnahmen abgesehen - um eine von spanischen Einsprengseln freie Diktion. Das gilt natürlich besonders für die Lyrik, der man die Neigung zu einer idealisierten, modellhaften, teilweise akademischen Redeform auch zugestehen muß. Hier darf man allerdings nie vergessen, dass die Literatur, das auf Guarani geschriebene Wort, bis heute ohnehin nicht zur genuinen Ausdrucksform von ñande reko geworden ist, weil das Guarani seit seinen prähispanischen Ursprüngen ein Medium der mündlichen Kommunikation gewesen ist.

Im Theater und in der Erzählprosa gibt es Ansätze zu einem realistischen Umgang mit der Volkssprache. Hier wäre besonders die Schriftstellerin Margot Ayala de Michelagnoli zu nennen: in ihrem Kurzroman Ramona Quebranto lässt sie die Bewohner der Chacarita reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist: gerade dadurch erschafft sie ein überzeugendes und beeindruckendes Bild vom Denken und den Lebensbedingungen der marginalisierten Bevölkerung in der paraguayischen Hauptstadt.

Guarani impuro als Ausdruck von ñande reko in der Geschichte

Lassen sie mich einen kurzen Ausflug in die Vergangenheit unternehmen, um Ihnen zu zeigen, dass die yoparización keineswegs eine moderne Entgleisung, ein Zeichen der Degeneration oder Überalterung ist. Die paraguayische Geschichte hält mehrere Beispiele bereit, die uns ein volkstümliches, also mit Hispanismen durchsetztes Guarani vor Augen und vor Ohren führen, das eben diese doppelte Funktion erfüllt, nämlich Identitäts-Symbol und differenziertes sprachliches Ausdrucksmittel für ein kollektives Selbstverständnis, das sich nun einmal nicht ausschließlich von der vorspanischen Guarani-Kultur herleiten läßt.

Wie Roberto A. Romero in verschiedenen Studien dargelegt hat, wurde das Guarani im 19.Jahrhundert bei vielfachen Gelegenheiten als Amtssprache, ja sogar auf diplomatischer Ebene verwendet. Von besonderer Bedeutung sind jedoch zwei Zeitschriften, die während der Guerra de la Triple Alianza in den Jahren 1867 und 1868 erschienen: Cabichuí und El Cacique Lambaré. Bei beiden handelte es sich um Propaganda-Organe mit satirischem Tenor, an denen herausragende Intellektuelle jener Zeit mitarbeiteten und die darauf zielten, den Kampfgeist der paraguayischen Soldaten zu stärken.

Der Cacique Lambaré wurde ausschließlich auf Guarani verfasst —wobei den Autoren jeglicher Purismus fern lag, ging es doch darum, von den einfachen Soldaten an der Front verstanden zu werden.

Cabichuí (eigentlich der Name eine aggressiven Wespenart die nun gleichsam auf den brasilianischen Gegner losgelassen wird) war eine zweisprachige Publikation. In der Präsentation der ersten Nummer betonnen die Herausgeber, dass Cabichuí „ein echter Guarani“ ist [d.h. hier primär ein echter Paraguayer] und dass es „ihm das Herz zerreißen würde, müßte er das köstliche Idiom seiner Väter aufgeben.“ Obwohl hier programmatisch das „echte Guarani“ als Ausdruck der nationalen Eigenheit eingesetzt wird, ist der Guarani-Text großzügig mit Hispanismen durchsetzt: sogar die Indianer auf dieser Karikatur sprechen nicht guaranietépe mit den brasilianischen Hauptleuten.

„Ndaipóri, pero rejescapaséramo jahánte oréndive tóldope“
„Nein, aber wenn du abhauen willst, kommt doch mit uns zu unserer Hütte!“

Jede Nummer von Cabichuí schließt mit einem kleinen Liedchen auf Guarani ab. Meist sind es gegen die Brasilianer gerichtete Spottverse. Aber auch im ernsteren Kontext, wie anläßlich der feierlichen Auszeichnung und Beförderung paraguayischer Soldaten durch den großen Mariscal López, kommt jenes natürlich gemischte jopara zur Anwendung, das heutzutage jeden Paraguayer eher schmunzeln läßt, oder dessentwegen sich nicht wenige sogar schämen.

 

El 21 de octubre y 3 de Noviembre
Toikove 21 de octubre
tres de noviembre ndive
mburuvicha ha’e soldados
umi ára javeve.
Taimarã’e’ÿ entero
ikatu haguã ogosa
ñande Karai Guasu ome’êva
condecoración eta.
Enterove por parejo
jafelicita chupekuéra,
ñande Mariscal remime’ê
jarohory hendivekuéra,
Toikove ñane Retã
ñande Mariscal ndive,
ha’e umi Mburuvicha eta
oascende ramo va’ekue.
...
21. Oktober und 3. November
Am 21. Oktober
und auch am 3. November
sollen unser Offiziere und die Soldaten
hochleben.
Alle mögen glücklich sein
und sich erfreuen
an den vielen Auszeichnungen,
die unser Großer Herr zuerkennt.
Lasst uns sie alle in gleicher Weise
beglückwünschen
und uns zusammen mit Ihnen
am Geschenk unseres Marschalls erfreuen.
Es lebe unser Vaterland
zusammen mit unserem Marschall,
und unsere Hauptleute,
die nun befördert worden sind.

Während des Chaco-Kriegs in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts kommt dem Guarani aufs neue diese Rolle zu: in der Auseinandersetzung mit den bolivianischen Nachbarn ist es wieder zugleich Symbol und Ausdruck der nationalen Sache. Diese Funktion manifestiert sich wohl am deutlichsten in den Liedern des von allen Paraguayern verehrten Volkssängers Emiliano R. Fernández.

Emiliano komponierte seine Lieder in den Schützengräben und trug sie den Kameraden in den Kampfpausen vor. Zeitgenossen bezeugen, dass er mit martialischen Versen zu heiter unschuldigen Weisen die Kampfmoral der Truppe beflügelte. Noch heute werden ja seine Lieder gesungen und lassen manches patriotische Herz anschwellen.

Auch die Texte dieser epischen Gesänge weisen alle Anzeichen des heute so oft verteufelten Sprachgemischs auf, und doch wurden sie ohne Vorbehalt als „echt guarani“ empfunden. (Dabei muß man sich stets vor Augen halten, dass im patriotischen Diskurs „guarani“ erstens paraguayisch und zweitens kriegerisch bedeutet, die Assoziation mit „indianisch“ hingegen spielt kaum eine Rolle.)

In einem Lied mit dem Titel Fortín Boquerón kündigt Emiliano programmatisch an, dass er nun gleich in „wahrem Guarani“ singen werde:

Peinako chave ko che korasõme
añandu porã ikyrÿi kyrÿiva
ñe'ê iporãva guaranietépe
puraheirãmi ahecha haguã

Jetzt fühle auch ich in meinem Herzen eine zarte Stimme, die mir in echtem Guarani schöne Worte für meine Lieder einflüstert.

Ahora yo también en mi corazón
siento bien una voz muy tierna
para que encuentre palabras lindas
en guaraní puro para mi canción.

 
Wenige Zeilen später wird deutlich, um welche Sprache es sich dabei handelt:


¡Viva el Paraguay! he'ije voi
osapukaipa
ojatropella
jajukapaitéke
enterovete,
ndajahejaichéne
ni semillarã,
machete ore pópe roipota
ha jaje'oipáke
jafarrea
ñambovichofeo a los bolivianos
ha hekovekuérare
jakopipa!

„Es lebe Paraguay“ rufen sie
und schreien wild durcheinander;
„bis auf den letzten Mann werden wir sie umbringen und nichts von ihnen übrig lassen.
Mit unseren machetes in der Hand gehen wir auf sie los und schlachten sie wie das Vieh;
den Bolivianern werden wir den Garaus machen,
jeden einzelnen von ihnen ausradieren!“

  

In diesen Versen äußert sich zwar eine nicht so freundliche Facette der paraguayischen Volksseele — aber wildes Kriegsgeheul gehörte lange Zeit halt auch zu dem, was als „typisch guarani“ empfunden wurde. Sie illustrieren jedenfalls, dass in emotional geladenen Redesituationen (oder wenn es um ihre künstlerische Nachahmung geht) die Verwendung eines wirklich reinen, akademischen Guarani vollkommen unnatürlich wäre.

Ästhetische Qualitäten des guarani puro

Indessen gibt es und muß es auch weiterhin im System der Guarani-Sprache unterschiedliche Register für verschiedene Redeanlässe geben. Es wäre falsch, eine gewählte und elaborierte, von Hispanismen freie Sprachform schlechthin abzulehnen und zu bestreiten, dass sie auch ein genuiner Ausdruck von ñande reko sein kann.

Viele moderne Lyriker verstehen es nämlich durchaus, die besonderen Wirkqualitäten dieser Sprache eindrucksvoll zum Klingen zu bringen. Mitunter können sie mit ihren Texten wohl sogar Hörern, die des Guarani nicht mächtig sind, einen Eindruck vom Wesen der bodenständigen Kulturtradition vermitteln. Der Rückgriff auf die mündliche Kommunikation, auf musikalische und rhythmische Elemente sowie auf die Klänge der Natur spielen dabei eine wichtige Rolle.

Als Beispiel, damit Sie an sich selbst testen können, ob Sie — ohne konkret inhaltlich etwas zu verstehen — etwas von ñande reko wahrnehmen, möchte ich Ihnen ein Gedicht von Ramón R. Silva vortragen. Sein Titel — Avañe'ê parãrã — bedeutet soviel wie „Geräusche der Menschensprache“, wobei Menschensprache (Avañe'ê) eine auch sonst des öfteren verwendete Bezeichnung für das Guarani ist, die es in Opposition setzt zur „Herrensprache“, dem karai ñe’ê der spanischen Eroberer.

  

Avañe'ê parãrã

Guarani.
Parãrã perere.
Parãrã.
Perere.
Piriri.
Pilili.
Pororo.
Purûrû.
Pyryrýi.
Plíki plíki.
Tumbýky tumbýky.
Ple ple.
Guaraníme.
Parãrã perere.
Taratata.
Perepepe.
Piripipi.
Tyrytyty.
Turundundun dun dun.
Charráu.
Avañe'ê.
Parãrã perere.
Lala.
Pepe.
Popo.
Pupu.
Tytýí.
Kukúi.
Túky túky.
Tumbýky tumbýky
Fle fle.

Ruidos de la lengua del hombre

Guaraní.
Estruendo latido.
Estruendo.
Latido.
Chisporroteo.
[diarrea]
Tiroteo.
Crujido.
Volteos.
Torpeza.
Trasero trastumbo.
[burbujeo de un líquido espeso]
En guaraní.
Estruendo latido.
Retemblor-estrépito.
Tableteo-bofeteo.
Ametralladora.
Arrastre-latido.
[cornetín de asta vacuna].
[agua derramada]
Lengua del hombre.
Estruendo latido.
Columpiarse.
Estremecerse.
Saltar.
Hervir.
Latir.
Desprenderse.
Palpitar.
Trasero trastumbo.
Fofo.

Der Text ist schlechthin unübersetzbar und ich will gar nicht erst den Versuch unternehmen. Interessant ist es aber vielleicht zu wissen, dass es sich im wesentlichen um eine Aneinanderreihung von Verben handelt, die Geräusche und Bewegungen bezeichnen - unübersetzbar deshalb, weil das Spanische oder Deutsche in diesen Bedeutungsfeldern nicht eine auch nur annähernde Differenzierung aufweisen. Hier findet also etwas seinen Ausdruck, das dem Guarani als Träger einer jahrhundertealten und durchaus lebendigen Kultur eigen ist und das auf spanisch nicht gesagt werden könnte.

Zumeist verläuft das code switching jedoch in der anderen Richtung: Cabichuí oder der normale Paraguayer von heute gehen immer dann zum jopara und schließlich zum Spanischen über, wo sich etwas nicht mehr vernünftig und situationsangemessen auf Guarani mitteilen läßt.

Hemmt Guarani die Globalisierung?

Ein häufig gegen das Guarani vorgebrachtes Argument — vor hundert Jahren und nun wieder in der Diskussion um Reformen des Bildungswesens —, ist, dass es die ohnehin latent gegebene Isolation Paraguays verfestige: ein Argument, das im Zeitalter der Globalisierung natürlich besonders schlagkräftig ist.

Ich sehe in der Bewahrung und Förderung einer Regionalsprache und damit der an sie gebundenen Kultur kein Hemmnis für die überregionale Integration - umso weniger im Falle Paraguays und des Guarani, als diese Sprache doch gerade ein kulturelles Band zu den derzeitigen Mitgliedsstaaten des Mercosur knüpft. Niemand fordert ja ernsthaft, dass das Guarani im internationalen Verkehr an die Stelle des Spanischen treten sollte, sondern es geht um die Bewahrung und den Ausbau der Zwei- oder Mehrsprachigkeit, die in vielen modernen Ländern Europas gegeben ist, ohne dass diese dadurch kulturell oder wirtschaftlich marginalisiert würden.

Für den Fall Paraguays hoffe ich darüber hinaus gezeigt zu haben, dass seine nationale Sprache und Kultur sich seit jeher durch Offenheit und Integrationsfreudigkeit ausgezeichnet haben und dass Purismus und Abgrenzung nicht der Königsweg sind. Auch linguistisch läßt sich das dadurch untermauern, dass derjenige, der von ñande reko spricht, ein inklusives Wir meint: Er bezieht immer auch den Angesprochenen, den anderen mit ein und verabsolutiert nicht die eigene, individuelle Seinsweise.

© Wolf Lustig, 1998

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