1. Grundprobleme von Datenschutz und Datensicherheit

1.3 Datenschutz als gesellschaftliches Problem


Was gibt es zu verbergen?

»Noch niemals zuvor wurden so viele personenbezogene Daten so systematisch gesammelt, verarbeitet und verwertet. Der aus der Netznutzung zu ziehende Umfang personenbezogener Daten und die nach ihrer Zusammenführung aus ihnen gewinnbare Informationsqualität haben eine neue Dimension erreicht.« [14. Datenschutzbericht der Landesbeauftragten für den Datenschutz Nordrhein-Westfalen (1998)]

Verbreiteter Irrtum: »Ich habe nichts zu verbergen!«

Eine Glosse dazu. Und noch eine. Wer glaubt, er habe nichts zu verbergen, sollte: Wer von den Hörern besitzt keinen Schlüsselbund? Wer nichts zu verbergen hat, braucht keine Schlösser!

Aus gutem Grund haben einige Berufsgruppen eine gesetzlich abgesicherte Schweigepflicht - Ärzte, Rechtsanwälte, Pfarrer. Siehe auch Telefonseelsorge.

Eine Geschichte aus der Realität.


Der gläserne Bürger oder Kunde

... entsteht durch:

Zitate:
»Wir basteln uns da eine Gesellschaft zusammen, die sozusagen `Dictatorship ready' ist. Da muss dann nur noch einer den Schalter umlegen, und schon hat er den schönsten Überwachungsstaat.« (Christoph Weber-Fahr in de.org.ccc, 11. November 1994)
»Die Niederlande waren auch schon vor dem zweiten Weltkrieg ein liberales Land. Trotz protestantischer Staatskirche galt für die Bewohner Glaubensfreiheit, und alle beteten zu wem immer sie wollten. Allerdings war in den Pässen die Religionszugehörigkeit vermerkt.

Als Nazi-Deutschland die Niederlande überrollt hatte, dienten diese Daten, die ohne jede böse Absicht erhoben worden waren, den Besatzern dazu, die niederländischen Juden problemlos zu identifizieren und nach Bergen-Belsen zu befördern.

Niemand kann dafür garantieren, dass heute ohne böse Absicht erhobene Daten später nicht missbraucht werden. Deshalb gilt als oberster Grundsatz des Datenschutzes das Prinzip der Datensparsamkeit.« (Henning Schlottmann in de.soc.datenschutz, 2. Februar 2005)


Die globale Überwachung

Die Überwachungstechniken sind nur zum Teil informatisch. Sie werden aber in jedem Fall durch Informationstechnik erst richtig effizient.

»Immer vernetzt, stets erreichbar, ständig beobachtet« [Heise, 19. 3. 2001]

»Evernet heißt auch Ende der Privatheit« [Heise, 21. 10. 2001]

»Die unheimliche Welt der Daten« [SPIEGEL online 14. Mai 2006]

[Big Brother Inside]

Wissen ist Macht. Obwohl Datensammlungen einen großen Teil Datenmüll enthalten, steckt in ihnen doch viel Information und Wissen. Also: Daten sind Macht.

Der Weg von Daten über qualitätsgesicherte Daten zu Informationen und schließlich zu Wissen ist lang und mühsam. Aber er beginnt bei den Daten und ist von da an nicht mehr in der Kontrolle des »Datenspenders«.

Anekdote zur Qualität von (selbst einfachen) Datensammlungen:

Quelle: SPIEGEL online 16. April 2007

FUSSBALL UND GEWALT - »Die Polizei wird über den Tisch gezogen«

[Interview mit einem anonymem Einsatzbeamten ...]

Frage: Gewaltbereite und Gewalt suchende Fans werden in der Datei Gewalttäter Sport gespeichert, die von der ZIS (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze, Anm. d. Red.) in Düsseldorf verwaltet wird. Die Fans stehen dieser Datei sehr kritisch gegenüber. Teilen Sie diese Haltung?

Antwort: Diese Datei gehört auf den Acker. Sie ist sehr verwässert worden.

Große Datensammlungen


Persönlichkeitsprofile

Durch Zusammenführen von Datensammlungen entstehen:

Bewegungsprofile
aus Daten der Verkehrsüberwachung, Handy-Tracking, GPS, Ausweiskontrolle und sonstigen »elektronischen Spuren«.
Käuferprofile
aus Daten von bargeldlosen Zahlungsvorgängen (nicht nur bei eBay) und Surfgewohnheiten.
Interessenprofile
aus Surfverhalten im WWW.
Benutzerprofile
an Informationssystemen.
Kommunikationsprofile
aus Verbindungsdaten verschiedener Kommunikationseinrichtungen.
Mitarbeiterprofile
an IT-Arbeitsplätzen durch Zugangsregistrierung und Logdateien.

Solche Profile können auch illegal durch Datenabgleich entstehen.


Zielkonflikte

Der Datenschutz kollidiert sehr oft mit anderen berechtigten Interessen.

Wer die Freiheit um der Sicherheit willen aufgibt, wird am Ende beides verlieren. (Benjamin Franklin zugeschrieben)

Mit der Verfügbarkeit der Daten steigt auch ihre Verwundbarkeit.

Schlagzeilen


Der Datenschutz ist gefährdet durch ...

  1. fehlendes Datenschutzbewusstsein bei Verantwortlichen,
  2. mangelhafte rechtliche Regelungen, insbesondere die Subsidiarität der Datenschutzgesetze,
  3. organisatorische Mängel bei Behörden und Systembetreibern,
  4. Datenspuren,
  5. die universelle Sammelwut (»Nix wegwerfen!«)
  6. lückenhafte IT-Sicherheit, insbesondere in offenen Systemen.
Die Anforderungen des Datenschutzes müssen bei der Modellierung, Konzeption und Implementation von Informationssystemen mit besonderer Dringlichkeit berücksichtigt werden.

Die Gefahren d. und f. lassen sich durch informatische Ansätze mildern (»Datenschutz durch Technik«).

Große Datensammlungen sind nur mit verlässlicher IT zu sichern. Diese gibt es in der gegenwärtigen Realität nicht.


Vorlesung Datenschutz und Datensicherheit.
Autoren: Klaus Pommerening, Marita Sergl, 31. März 1999, letzte Änderung: 19. April 2007.
E-Mail an
Pommerening »AT« imbei.uni-mainz.de.