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Kryptologie

L. Habicht: Falsche Bank-Noten

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Kryptographisch relevante Auszüge

Mit Dank an Jürgen Lull.


»[...] Wir haben absichtlich die beiden Gefangenen in Nachbarzellen untergebracht, und gestern hat nun der eine dem andern etwas zugesungen, das der Gefängniswärter sogleich aufgeschrieben, der dazu die Weisung hatte. Trotz meiner Kenntnis ihrer Muttersprache konnte ich aus dem Gesang nicht klug werden, und ich hatte noch nicht Zeit, einen Deutschen zu Rate zu ziehen. Würden Sie vielleicht die Güte haben?«

»Mit Vergnügen, wenn ich es imstande bin.«

Thornbury kramte auf seinem Schreibtisch und holte einen Streifen Papier hervor, auf dem freilich wunderliche Worte standen:

Te-o-te-te-äng-äm-Aes-te-är-e-äs-zi-de-er-ei-zet-e-äu.

»Nicht wahr, sonderbares Zeug? Aber es wird ganz genau sein, denn der Mann hat sehr gut aufgepaßt und sogleich Wort für Wort aufgeschrieben.«

Der deutsche Kriminalbeamte sah sich die Zeile aufmerksam an, sann einen Augenblick nach und sagte lächelnd: »Man merkt es freilich, daß der Gesang von einem englischen Ohr nachgeschrieben worden, aber er ist dennoch leicht zu entziffern: - Tottenham-Straße 13.«

»Ah, vortrefflich!« sagte Leutnant Thornbury, die Schnelligkeit, mit der sein Kollege das Rätsel gelöst, flößte ihm vor dem Scharfsinn desselben die nötige Achtung ein. [...]


[...] In der Westentasche des Gefangenen war noch ein ganz zerknitterter schmutziger Zettel gefunden worden, der in so wunderlichen Chiffren geschrieben, daß selbst die darin geübtesten Polizeibeamten sich vergeblich bemühten, die Schrift zu entziffern.

Als Leutnant Thornbury dem Gefangenen den Zettel vorzeigte und ihn aufforderte, darüber Aufschluß zu geben, lachte Lässig nur wieder in der höhnischen Weise: »Ja, das soll Ihnen wohl sauer werden, dies herauszubekommen! Da können Sie sich lange die Zähne daran ausbeißen.«

[...]

Leutnant Thornbury gewahrte wohl, daß von dem trotzigen, verschmitzten Menschen in Güte nichts heraus zu bekommen war, und daß es vor allen Dingen galt, das geheimnisvolle Billett zu entziffern. Da erinnerte er sich an seinen deutschen Kollegen, vielleicht gelang es diesem eher, das Rätsel zu lösen. Der Zettel war freilich mit lateinischen Buchstaben geschrieben; aber am Ende war er in einer deutschen Spitzbubensprache abgefaßt? -

Der deutsche Kriminalbeamte hatte seinen Besuch für den andern Tag zugesagt und fand sich mit außerordentlicher Pünktlichkeit zur bestimmten Stunde ein. Als ihm der Engländer das Papier vorlegte, blickte Greifenberg sehr verwundert auf das Geschriebene: »Das vermag ich freilich nicht augenblicklich zu entziffern; aber wenn Sie mir den Zettel anvertrauen, will ich mein möglichstes versuchen.«

[...]

»Also wenden Sie all Ihren Scharfsinn an, um uns diese kleine Note zu entziffern, dann hoffe ich, sind wir dem Ziel weit näher. Ich verreise auf zwei Tage, und Sie haben also vollkommen Zeit zu grübeln.«

»An meiner Mühe soll es nicht fehlen,« versicherte der Deutsche und die beiden Herren schüttelten sich die Hände.

Als Greifenberg in seinem Hotel angekommen war und es sich ein wenig bequem gemacht hatte, zog er sogleich den Zettel wieder heraus, um seinen Inhalt genau zu prüfen. Die Chiffren waren freilich wunderlich genug. Sie lauteten:

    N 3 f = w 4 m = G x r 3 n n 4 o m = s 4 r f g = m 3 x r f =
    n 4 r h = D 3 h = n 3 g g 4 m = 5 m w h 4 = T 4 h w 4 =
    r 5 y m = 3 m = 5 x r f = F 5 s m = p 2 n 4 m = d 3 h =
    m 5 x r = W 2 d 4 h = R 2 t 4 m = d 3 w h = 4 3 m =
    s 1 f = S 4 g x r 4 t f = a 1 = n 5 x r m
Anfangs starrten ihn die seltsamen Noten sehr befremdlich an. All seine Versuche, das Chaos ein wenig zu lichten, wollten nicht glücken. Die Zahlen gaben sicher die Vokale an; aber er mochte immer seinen Scharfsinn anstrengen und aus den Noten Worte zu bilden suchen, er konnte den Schlüssel nicht entdecken. Nun prüfte Greifenberg sorgsam die einzelnen Worte. In dieser wunderlichen Notenschrift war es der Buchstabe m, der immer wiederkehrte. Dann fiel dem Kriminalbeamten das häufige Vorhandensein des Buchstabens x auf; auch y war merkwürdigerweise vertreten, und wie ein Blitz durchzuckte es plötzlich sein Gehirn: wenn nun der Schreiber des Briefes das Alphabet einfach umgekehrt?! --

Greifenberg hätte laut aufjubeln mögen, das Rätsel war mit einem Schlage gelöst. Kein Zweifel, auch die Vokale waren der Zahl nach umgestellt, und jetzt konnte er mit Leichtigkeit die Notenschrift übersetzen:

»Mit den Schimmeln gehts nicht mehr. Wir missen andre Ferde habn. In acht Tagn komen wir nach Dower. Hofen widr ein gut Gescheft zu machn.«

Das klang freilich sehr einfach; aber eines Pferdehandels halber nimmt man sicher nicht zu einer Chiffreschrift die Zuflucht. Die Bestellung mußte also eine ganz andere Bedeutung haben. Wenn sich dahinter eine Bestellung auf falsche Banknoten barg?! - Greifenberg mußte unwillkürlich über sich selber lächeln; sobald sich der Geist auf irgend einen Punkt richtet, erhält zuletzt alles eine Beziehung darauf. Jedenfalls mußte die Rückkehr Thornburys abgewartet werden, denn der Deutsche fühlte selbst, daß es mit seinen Forschungen auf eigene Hand wenig vorwärts rückte. Trotz all seiner Bemühungen hatte er bisher nicht das mindeste ermittelt.

Mit Ungeduld wartete Greifenberg auf die Rückkehr seines Kollegen, der noch länger ausblieb, als er gesagt. Erst am vierten Tage traf er ihn wieder in seiner Wohnung an.

Der Engländer entschuldigte sich sogleich mit großer Höflichkeit. »Mein Geschäft war doch nicht so schnell abzumachen, als ich gehofft hatte; und sind Sie mit dem Entziffern der Note glücklich gewesen? Nicht wahr, es war unmöglich?« fragte er lebhaft.

»Nein, ich habe es herausbekommen,« entgegnete der Deutsche ruhig.

»Ah, das ist prächtig!« rief Thornbury. Im Verkehr mit seinem Kollegen streifte der Leutnant seine sonst gewohnte Kälte ab. Mit raschem Blick überflog er die Übersetzung, sann einen Augenblick nach und rief plötzlich in freudiger Aufregung: »Ah, was sagen Sie?! Unsere Ahnung.«

»Wär' es wirklich möglich! Wir träfen hier auf die Falschmünzerbande?!« und auch der Deutsche zeigte die ungewöhnlichste Erregung.

Der Engländer nickte selbstzufrieden mit dem Kopfe. »In der englischen Gaunersprache versteht man unter Pferden falsches Papiergeld.«

[...]


Kommentar

Die Darstellung der Chiffre ist nicht ganz fehlerfrei - die beschriebene Lösung geht nur auf, wenn man die Buchstaben j und v weglässt. Allerdings wird dann »Dover« zu »Dower«. Der Originaltext enthielt außerdem - wie es bei Kryptogrammen, die der Setzer nicht versteht, oft passiert - viele Druckfehler; diese wurden im obigen Auszug stillschweigend korrigiert.

Die Zuordnungstabellen für die Chiffre sind:

     5 4 3 2 1
     a e i o u

     a b c d e f g h i k l m n o p q r s t u w x y z
     z y x w u t s r q p o n m l k i h g f e d c b a


HTML-Autor: Klaus Pommerening, 22. Februar 2008; letzte Änderung: 1. Oktober 2008.