[JoGu]

Kryptologie

Auszüge aus »Im Reiche des Silbernen Löwen I« von Karl May

geschrieben 1897.

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Zweites Kapitel. Am Makik-Natun.

[...]

»Halt, schieß nicht! Ich bitte dich um des großen Manitou willen, schieß nicht weiter!«

»Ergibst du dich in meine Wünsche?«

»Ja, ja!«

»Well! Hättest du das eher getan, so hätte meine Kugel dein Heiligtum nicht berührt. Du willst also das Totem ausstellen?«

»Ja.«

»Und alles niederschreiben, was ich verlangt habe, so daß es deine Krieger lesen können?«

»Ja. Aber ich habe nichts da, worauf ich die Schrift malen kann. Hast du etwas?«

»Ja. Ihr pflegt eure Zeichen in Leder einzuschneiden und mit roter Farbe einzureiben. Leder ist da, nämlich die beiden Hasenfelle, welche hier liegen; aber es fehlt die Farbe, ohne welche die Schrift nicht zu erkennen ist. Darum werde ich dir Papier und Bleistift geben.«

»Ich habe nicht gelernt, nach Art der Weißen zu schreiben; ich kann kein ,sprechendes' Papier machen.«

»Das ist auch nicht nötig, denn nicht Weiße, sondern deine Krieger sollen es lesen. Ich gebe dir ein Blatt oder einige Blätter aus meinem Notizbuche; auf sie kannst du mit dem Bleistifte deine Figuren noch viel leichter malen, als sie sich in Leder schneiden lassen.«

[...]


Viertes Kapitel. Auf dem Tigris.

[...]

»In den Taschen des Pädär-i-Baharat steckte dieses Geld und dieses Pergament; die beiden anderen hatten nichts als einige kleine Münzen, die ich ihnen gelassen habe.«

Der Beutel, den er mir reichte, enthielt gegen fünfhundert Tumans; ich gab ihn dem Hadschi wieder. Das mehrfach zusammengebrochene Pergament war auf der einen Seite mit Ziffern beschrieben; auf der andern sah ich eine kleine Planzeichnung, aus welcher ich nicht klug werden konnte, und eine Reihe von Namen, die für mich wahrscheinlich keinen Wert hatten. Dennoch kopierte ich, meiner alten Gewohnheit folgend, Plan und Namen in mein Taschenbuch. Einige kleine Gruppen von kommaähnlichen Strichen hielt ich für bedeutungslos, weil sie aussahen, als ob sie nur gemacht worden seien, um die Feder zu probieren oder ein Haar aus ihr zu entfernen, doch blieben sie, wie sich später zeigen wird, meinem Gedächtnisse scharf und deutlich eingeprägt. Dann gab ich auch das Pergament zurück und sagte:

»Trage alles wieder hin! Wir brauchen es nicht.«

[...]


Fünftes Kapitel. In Bagdad.

[...]

»Übrigens, was den heimlichen Eingang betrifft, so würden wir ihn jedenfalls nicht finden, und wenn wir noch solange suchten, denn wir haben uns die Striche nicht gemerkt, mit denen der kleine Ziegel gezeichnet war, den man erst entfernen muß, ehe sich die größeren bewegen lassen.«

Ich horchte auf, als der Bimbaschi dies sagte. Er hatte geschworen, nichts zu verraten, und ahnte nicht, daß er mir mit diesen Worten alles offenbart hatte. Die Ziegel des Birs Nimrud tragen Keilinschriften; er hatte aber nicht von Keilen, sondern von ,Strichen' gesprochen, und dieser Ausdruck lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen Umstand, dem ich bisher keine Beachtung geschenkt hatte, weil ich ihn für nur zufällig und also ganz bedeutungslos hielt. Nämlich das Pergament des Pädär-i-Baharat hatte, wie man weiß, eine Zeichnung enthalten, deren Bedeutung ich damals nicht verstand; aber als der Bimbaschi den Weg zur Höhe des Birs Nimrud beschrieb, trat sie mir ganz plötzlich wieder klar vor die Augen, und ich erkannte zu meinem Erstaunen, daß die Striche, aus denen sie bestand, den Pfad nach dem Verstecke der Schmuggler verdeutlichen sollten. Und nun er jetzt ,Striche' anstatt ,Keile' sagte, fiel mir ein, daß ich unter der Zeichnung Striche bemerkt hatte, die mir aber nicht sehr aufgefallen waren. Sie sahen aus wie Kommata, wie man sie macht, wenn man eine Schreibfeder probiert oder ihren Schnabel auf das Papier drückt, um ihn elastischer zu machen oder auch um ein Härchen, welches dazwischen geraten ist, zu entfernen. Ich hatte die Zeichnung kopiert, aber diese Striche nicht, doch besitze ich glücklicherweise ein außerordentliches Gedächtnis, welches oft, als ob es von meinem Willen ganz unabhängig sei, Gegenstände und Vorgänge festhält, die mir unendlich gleichgültig waren, und sie mir plötzlich ganz deutlich wiederzeigt, sobald meine Gedanken durch die Assoziation der Ideen zu dem betreffenen Orts- oder Zeitpunkt zurückgeführt werden. Ganz so geschah es auch jetzt. Kaum hatte der Bimbaschi das Wort ,Striche' ausgesprochen, so standen diese Striche, die vermeintlichen Kommata auf jenem Pergamente, so deutlich und bestimmt vor meinem geistigen Auge, daß ich nicht nur ihre Zahl, sondern sogar ihre verschiedene Größe und gegenseitige Lage klar vor mir hatte. Das waren nicht Kommata, sondern Keile, also Worte in Keilschrift, und zwar in einfacher babylonischer Keilschrift, und während ich auf das, was der Bimbaschi weiter sagte, gar nicht hörte, übersetzte ich die Keile in folgende Worte: »romen 'a. Illai in tat kabad bad 'a. Illai - -«.Das heißt wörtlich zu deutsch: »darbringen dem höchsten Gotte mit der Absicht allein zur Pracht des höchsten Gottes - -«

Es war das also nur das Bruchstück eines Satzes, jedenfalls der noch erkennbare Teil der Inschrift des betreffenden Steines, während die andern Zeichen unlesbar geworden waren. Aber hier kam es ja auch gar nicht auf die Entzifferung der ganzen, ursprünglich vorhandenen Inschrift an, sondern darauf, dieses übriggebliebene Bruchstück festzuhalten, weil nur mit dessen Hilfe der betreffende Stein zu erkennen war. Und selbst wenn man die Inschrift genau kannte, hatte es, falls man noch nicht dort gewesen war, seine Schwierigkeiten, ihn zu entdecken, denn diese Steine haben nur die Größe eines alten babylonischen Fußes im Quadrat.

[...]


Auszug aus »Im Reiche des Silbernen Löwen II«

Fünftes Kapitel. Frohe Heimkehr.

[...]

»Wir wollen den Eingang verschließen,« sagte ich zu Halef.

»Womit?«

»Mit den Ziegeln, welche hier liegen.«

Als der Säfir diese Worte hörte, ließ er ein höhnisches Räuspern hören. Ich fuhr als Antwort auf diese Verspottung fort:

»Das ist nämlich ganz leicht, wenn man die Sache kennt. Du kannst dich doch, lieber Halef, auf die Schrift besinnen, welche ich dem Pädär-i-Baharat aus der Tasche genommen und, nachdem ich sie gelesen hatte, wieder hineingesteckt habe?«

»Ja, Sihdi.«

»Sie enthielt eine Zeichnung, welche sich auf diesen Eingang bezog. Es ist kaum glaublich, wie unendlich dumm alle diese Menschen gewesen sind! Durch diese Zeichnung wurde mir das Geheimnis verraten. Es war der Weg von da unten bis hier herauf ganz genau angegeben und auch die Schrift abgebildet, an welcher der letzte Stein, der eigentliche Verschlußziegel, zu erkennen ist. Es war babylonische Keilschrift, die ich lesen kann; darum war es sehr leicht, mir die Zeichen einzuprägen, so daß ich sie nicht wieder vergessen habe. Diese Menschen aber verstehen nichts von dieser Sprache und von dieser Schrift und müssen sich also mit Abbildungen des Steins behelfen. Die betreffenden Zeichen bedeuten die Worte ,- - - romen 'a. Illai in tat kabad bad 'a. Illai - -´. Ich werde jetzt nachsehen, welcher Stein diese Worte enthält.«

Die Ziegel waren so vorsorglich nach der Reihe gelegt, daß es nur eines Blickes bedurfte, den zu finden, welchen er meinte. Ich deutete auf ihn und fuhr fort:

»Hier sehe ich ihn. Er enthält genau die Zeichen, welche mir durch die unverzeihliche und unbegreifliche Unvorsichtigkeit des Pädär-i-Baharat verraten worden sind, und es ist also der letzte, welcher eingefügt werden muß. Daraus folgt, daß ich mit den Ziegeln, die auf der ihm entgegengesetzten Seite liegen, beginnen muß.«

[...]