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»Mathias Sandorf« von Jules Verne,

Viertes Kapitel: Das chiffrierte Billett.

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Zwei Tage später war Sarcany im Hause Ladislaus Zathmars heimisch. Er war von Silas Toronthal empfohlen und auf dessen Empfehlung hin vom Grafen Sandorf angenommen worden. Wir finden ihn also wieder als gut versorgten Mittäter des Bankiers und als dessen Agent für den gemeinsam ausgeheckten Anschlag. Dessen Zweck war die Aufdeckung eines Geheimnisses, das die Anführer den Kopf kosten konnte. Als Preis für den Verrat winkte ein Vermögen, das zur Hälfte in die Tasche eines Abenteurers fließen sollte und zur Hälfte in die Kasse eines Bankiers, der soweit gekommen war, dass er seine Verpflichtungen nicht mehr auf ehrliche Weise erfüllen konnte. [...]

Sarcanys Eintritt in das Haus Zathmars hatte nur einen Zweck: die Auffindung des Rasters, das zum Entziffern des Kryptogramms diente. Da inzwischen keine chiffrierten Nachrichten mehr in Triest eintrafen, war es nicht ausgeschlossen, dass dieses Raster aus kluger Vorsicht vernichtet worden war. Die Sorge darüber ließ Sarcany keine Ruhe, denn sein ganzes Vorgehen war darauf abgestellt, das von der Brieftaube überbrachte und von ihm abgeschriebene Billett lesen zu können.

Der Zufall sollte ihm zu Hilfe kommen. Einmal schon war er ihm zu Diensten gewesen, als er ihm das chiffrierte Billett in die Hände spielte; diesmal sollte er ihm helfen, dessen Inhalt zu verstehen.

Der letzte Tag des Monats Mai war gekommen. Es war gegen vier Uhr; um fünf Uhr verließ Sarcany gewöhnlich das Haus Zathmars. Er war ebenso enttäuscht darüber, dass er noch nicht weitergekommen war als am ersten Tage, wie auch darüber, dass die ihm vom Grafen Sandorf aufgetragene Arbeit ihrem Ende entgegenging. War dieser Auftrag erst ausgeführt, so musste er erwarten, mit Dank und klingender Münze verabschiedet zu werden, und hatte keinen erklärbaren Grund mehr für weitere Besuche in diesem Hause.

In diesem Augenblicke waren Ladislaus Zathmar und seine beiden Freunde gerade abwesend. Im Hause befand sich niemand als Borik, der in einem Zimmer des Erdgeschosses beschäftigt war. Sarcany konnte also ungestört treiben, was er wollte, und so beschloss er, das Zimmer des Grafen Zathmar zu betreten - wozu er bis dahin noch nie eine Gelegenheit gehabt hatte - und dort alles genau zu untersuchen.

Die Tür war mit einem Schlüssel verschlossen. Sarcany öffente sie mit einem Dietrich und betrat das Zimmer.

Zwischen den beiden Fenstern, die auf die Straße hinausgingen, stand ein Schreibtisch, dessen antike Form einen Liebhaber alter Möbel begeistert haben würde. Die verschlossene Klappe versperrte aber den Blick auf sein Innenleben.

Sarcany hatte nun zum ersten Male die Gelegenheit, dieses Möbelstück zu durchsuchen, und er war nicht der Mann, diese ungenutzt verstreichen zu lassen.Um die verschiedenen Schubladen durchstöbern zu können, brauchte er nur die Klappe mit Gewalt zu öffnen. Dies geschah mit Hilfe des erwähnten Werkzeuges, ohne dass das Schloss ein Andenken an diese Operation zurückbehielt.

In der vierten Schublade, die Sarcany durchsuchte, fand er unter Papieren, mit denen er nichts anfangen konnte, eine ziemlich unregelmäßig ausgestanzte Karte, die sofort seine Aufmerksamkeit erregte.

»Das Raster«, sprach er zu sich.

Es täuschte sich nicht.

Sein erster Gedanke war, es sich anzueignen; nach kurzer Überlegung aber musste er sich sagen, dass das Verschwinden der Karte den Verdacht des Grafen Zathmar erregen konnte, sobald er es merkte.

»Na gut«, murmelte er vor sich hin. »Ebenso wie ich die Nachricht abgeschrieben habe, kann ich auch das Raster kopieren; Toronthal und ich können das Briefchen dann ganz nach Belieben lesen.«

Das Raster bestand aus einem schlichten, sechs Zentimeter langen und in 36 gleiche Quadrate eingeteilten Stückchen Karton, von denen jedes ungefähr einen Zentimeter groß war. Von diesen 36, in sechs senkrechten und sechs waagerechten Reihen nach Art einer pythagoräischen Tafel - nur mit dem Unterschied, dass sie dort auf sechs Buchstaben basieren - angeordneten Quadraten waren 27 gefüllt und neun leer, das heißt, der Karton war in diesen neun Quadraten neunmal ausgestanzt.

Was Sarcany benötigte, war erstens die genaue Größe des Rasters, zweitens die Position der neun leeren Quadrate.

Die Größe erhielt er, indem er den Umriss des Kartonstückchens mit Hilfe eines Bleistifts auf ein weißes Stück Papier übertrug; er versäumte dabei nicht, die Stelle zu markieren, wo ein kleines, mit Tinte aufgebrachtes Kreuz anscheinend die obere Kante des Rasters bezeichnete.

Die Einteilung der Quadrate kopierte er, indem er auf dem Blatt Papier, auf welches er den Umfang übertragen hatte, die leeren Vierecke durch Nadelstiche genau kenntlich machte - in der ersten Reihe die Quadrate 2, 4, 6, in der zweiten ein einziges an der fünften Position, in der dritten ein ebensolches an dritter Stelle, in der vierten die Quadrate 2 und 5, in der fünften eines an der sechsten und in der sechsten eines an vierter Position.

Das folgende ist die naturgetreue Widergabe des Rasters, von dem Sarcany gemeinsam mit dem Bankier Silas Toronthal bald einen so verderbenbringenden Gebrauch machen sollte.

Der Genannte benötigte nur einige Minuten, um die nachstehende Abbildung anzufertigen:

[Das Raster]

Im Besitze dieses Schemas, dessen Nachbildung ihm mittels eines ausgeschnittenen Kartonstückchens nicht schwer fallen würde, zweifelte er nicht an der Möglichkeit zur Entzifferung des chiffrierten Billetts, dessen Abschrift er Silas Toronthal ausgehändigt hatte. Er schob also das Raster wieder unter die Papiere, die es bedeckt hatten, und verließ den Raum sowie das Haus Zathmars, um schnell in sein Hotel zu eilen.

Eine Viertelstunde später erlebte Zirone, wie er ihr gemeinsames Zimmer mit einem so unverkennbaren Ausdrucke des Triumphes betrat, dass er sich nicht enthalten konnte, ihm laut zuzurufen:

»Hallo, was gibt's, Kamerad? Pass auf dich auf! Du bist geschickter darin, deine Enttäuschungen zu verbergen als deine Freude, und wenn man sich so gehen lässt, verrät man sich leicht.«

»Schweig mit deinen Bemerkungen, Zirone«, sagte Sarcany, »an die Arbeit, ohne die geringste Zeit zu verlieren!«

»Noch vor dem Abendessen?«

»Ja, noch vorher!«

Mit diesen Worten ergriff Sarcany ein dünnes Stück Karton. Er schnitt es nach der mitgebrachten Vorlage zurecht, um ein Rechteck zu erhalten, das genau der Größe des Rasters entsprach einschließlich dem Kreuz an der oberen Kante. Dann ergriff er ein Lineal und unterteilte mit dessen Hilfe das Quadrat in 36 gleiche Teile.

Von diesen 36 Quadraten wurden neun, die sich an den gleichen Stellen wie die entsprechenden auf der Vorlage befanden, besonders gekennzeichnet; sie wurden mit einer Messerspitze ausgeschnitten, so dass sie herausfielen und durch die freigegebenen Lücken die Wörter, Buchstaben oder Zeichen desjenigen Schriftstückes hindurchscheinen lassen mussten, auf welches das Raster gelegt wurde.

Zirone saß Sarcany gegenüber und sah ihm mit weit aufgerissenen Augen und brennender Neugierde zu. Die Arbeit seines Gefährten interessierte ihn umso mehr, als er das Chiffriersystem völlig begriffen hatte, welches diesem Briefe zugrunde lag.

»Das ist ja genial, äußerst genial«, bemerkte er, »und es wird uns helfen. Wenn ich bedenke, dass jedes dieser ausgeschnittenen Felder unter Umständen eine Million wert ist ...«

»Und noch mehr.«

Sarcany stand auf, denn er war mit der Arbeit fertig, und steckte den zurechtgeschnittenen Karton in seine Brieftasche.

»Morgen gehe ich so früh wie möglich zu Toronthal.«

»Pass auf seine Kasse auf!«

»Er hat zwar das Billett, aber ich habe den Schlüssel dazu.«

»Und diesmal wird er wohl oder übel nachgeben müssen.«

»Das wird er.«

»Können wir denn jetzt essen gehen?«

»Ja, gehen wir jetzt essen!«

Zirone der stets gut bei Appetit war, tat dem vorzüglichen Menü, das er sich wie üblich zusammenstellte, alle Ehre an.

Am nächsten Tage, dem 1. Mai, fand sich Sarcany schon um acht Uhr morgens in dem Bankhause ein, und Silas Toronthal ordnete auch sofort an, ihn vorzulassen.

»Hier ist der Schlüssel«, sagte Sarcany nur und zog das Kartonstückchen hervor, das er am Abend vorher zurechtgeschnitten hatte.

Der Bankier nahm es, drehte es mehrmals um und schüttelte den Kopf, als könnte er die Zuversicht seines Verbündeten nicht teilen.

»Immerhin können wir es einmal versuchen«, sagte Sarcany.

»Versuchen wir's.«

Silas Toronthal holte die Kopie des Billetts aus einem der Fächer seines Schreibtisches hervor und legte sie auf den Tisch.

Man wird sich erinnern, dass das Billett aus 18 unverständlichen Wörtern bestand, die aus je sechs Buchstaben gebildet waren. Klar war, dass jeder Buchstabe eines solchen Wortes einem der sechs Quadrate entsprechen musste, die, sei es gefüllt oder leer, je eine Zeile des Rasters bildeten. Man konnte also von vorneherein als gegeben ansehen, dass die ersten sechs Wörter des Briefes, beginnend mit dem ersten und insgesamt 36 Buchstaben umfassend, zuerst der Reihe nach mit Hilfe des Schlüssels entziffert werden mussten.

In der Tat waren - wie man leicht feststellen konnte - die Positionen der leeren Quadrate in der Anordnung dieses Rasters so genial ausgetüftelt, dass diese bei vier Vierteldrehungen des Kartons nach und nach die Stellen der gefüllten einnahmen, ohne jemals an einer Stelle zweimal zu erscheinen.

Es wird gleich deutlich werden, wie das zustandekommt. Wenn man zum Beispiel beim ersten Auflegen des Rasters auf ein unbeschriebenes Blatt Papier in die leeren Quadrate die Zahlen 1 bis 9 schreibt, dann nach einer Vierteldrehung die Zahlen 10 bis 18, nach einer abermaligen Vierteldrehung die Zahlen 19 bis 27 und endlich nach der letzten die Zahlen 28 bis 36, so wird man schließlich auf dem Blatte die Zahlen 1 bis 36 an Stelle der 36 Quadrate finden, welche die Einteilung des Rasters bilden.

Sarcany sah sich natürlich veranlasst, die vier aufeinanderfolgenden Drehungen des Schlüssels zuerst auf die ersten sechs Wörter des Billetts anzuwenden. Er beabsichtigte, dann die gleiche Operation an den nächsten sechs Wörtern zu wiederholen und danach zum dritten Male an den letzten sechs Wörtern, sie also an sämtlichen 18 Wörtern, aus denen das Kryptogramm bestand, vorzunehmen.

Selbstverständlich trug Sarcany die vorstehenden Argumente auch Silas Toronthal vor, und dieser konnte nicht umhin einzuräumen, dass sie vollständig richtig seien.

Würde die Praxis nun auch die Theorie bestätigen? Denn darauf kam es hier doch vor allem an.

Es ist wohl angebracht, die in dem Billett enthaltenen 18 Wörter an dieser Stelle zu wiederholen. Sie lauteten:

ihnalz  zaemen  ruiopn
arnuro  trvree  mtqssl
odxhnp  estlev  eeuart
aeeeil  ennios  noupvg
spesdr  erssur  ouitse
eedgnc  toeedt  ertuee

Es handelte sich zunächst um die Entzifferung der ersten sechs Wörter. Zu diesem Zwecke schrieb Sarcany sie auf ein leeres Blatt Papier, wobei er sorgfältig darauf achtete, die Buchstaben in den richtigen Abstand voneinander zu bringen, so dass auf jedes Quadrat des Rasters je ein Buchstabe passte. Dadurch erhielt er folgende Stellung:

i h n a l z
a r n u r o
o d x h n p
a e e e i l
s p e s d r
e e d g n c

Dann wurde das Raster auf diese so auf diese Buchstabengruppe gelegt, dass sich die mit einem Kreuze versehene Kante oben befand. Die neun ausgestanzten Kästchen ließen nunmehr nur noch die folgenden neun Buchstaben durchscheinen, während die übrigen 27 unter den gefüllten Feldern des Kärtchens verborgen waren:

[Raster 1]

Sarcany drehte alsdann das Gitter um ein Viertel nach rechts herum, so dass jetzt die vorherige obere Kante zur rechten Seitenlinie wurde. Bei dieser zweiten Lage kamen folgende Buchstaben zum Vorschein:

[Raster 2]

In der dritten Stellung waren die folgenden Buchstaben zu sehen, welche wie die bisherigen ebenfalls sorgfältig aufgeschrieben wurden:

[Raster 3]

Was Silas Toronthal und Sarcany in erhebliches Erstaunen versetzte, war der Umstand, dass die Wörter, welche nach und nach entstanden, keinen Sinn ergeben wollten. Sie hatten erwartet, diese flüssig lesen zu können, da sie ja durch die aufeinanderfolgenden Drehungen des Rasters gewonnen werden mussten; indessen blieben sie ebenso unverständlich wie die des chiffrierten Billetts selbst. Sollte dies wirklich nicht zu entziffern sein?

Die vierte Position des Rasters gab folgendes Ergebnis:

[Raster 4]

Kein Schimmer von Verständlichkeit, dasselbe Dunkel!

Die durch die vier Drehungen sich ergebenden Wörter lauteten:

hazrxeirg
nohaledec
nadnepedn
ilruopess

was absolut keinen Sinn ergab.

Sarcany konnte den Zorn nicht mehr unterdrücken, der ihn aufgrund dieser Enttäuschung übermannte. Der Bankier nickte nur mit dem Kopfe und sagte nicht ohne Ironie:

»Diese Schema ist anscheinend wirklich nicht dasjenige, welches die Verschwörer für ihren Briefwechsel zu verwenden pflegten.«

Diese Bemerkung löste Sarcany aus seiner Erstarrung.

»Fahren wir fort!« rief er.

»Fahren wir fort!« echote der Bankier.

Nachdem Sarcany das nervöse Zittern überwunden hatte, welches ihn schüttelte, wandte er seine Theorie auf die zweite Wortgruppe des Billetts an. Viermal legte er das Raster auf diese Wörter, jeweils um ein Viertel gedreht. Er erhielt abermals eine Ansammlung von Buchstaben, die bar jeden Sinnes war:

amnetnore
velessuot
etseirted
zerrevnes

Jetzt warf Sarcany das Kartonstückchen auf den Tisch und fluchte wie ein Seemann.

Silas Toronthal hatte - im auffälligen Kontrast dazu - seine Kaltblütigkeit bewahrt. Er studierte die Wörter, die seit Beginn dieses Versuchs gewonnen worden waren, und dachte weiter nach.

»Zum Teufel mit den Rastern und mit denen, die sie verwenden!« tobte Sarcany und sprang auf.

»Setzen Sie sich doch wieder hin!« sagte Silas Toronthal.

»Mich wieder setzen?« - »Und machen Sie weiter!«

Sarcany sah Toronthal an. Dann setzte er sich wieder, ergriff noch einmal den Schlüssel und legte ihn auf die letzten sechs Wörter des Billetts, mechanisch, fast ohne zu merken, was er tat.

Das Ergebnis waren folgende Wörter:

uonsuoveu
qlangisre
imerpuate
rptsetuot

Sie ließen ebensowenig irgendeine Erklärung zu wie die anderen.

Sarcany, der von alledem über die Maßen irritiert war, hatte das Blatt Papier, auf welchem die sonderbaren, durch die Umdrehungen des Rasters hervorgebrachten Wörter standen, ergriffen und machte Anstalten, es zu zerreißen. Silas Toronthal hielt ihn zurück.

»Ruhig Blut!« mahnte er.

»Pah!« rief Sarcany aus. »Was sollen wir denn mit diesem unentzifferbaren Rätsel noch anfangen?«

»Schreiben Sie alle Wörter hintereinander!« antwortete der Bankier gelassen.

»Und wozu das?«

»Wir wollen einmal sehen.«

Sarcany befolgte dies; folgendes war der Wortlaut der aneinandergereihten Wörter:

hazrxeirgnohaledecnadnepednilruopess
amnetnorevelessuotetseirtedzerrevnes
uonsuoveuqlangisreimerpuaterptsetuot

Kaum hatte Sarcany dieses geschrieben, da riss Silas Toronthal ihm das Papier auch schon aus den Händen; er las es und stieß einen Laut der Überraschung aus. Jetzt war er es, der die Ruhe verloren hatte. Sarcany war nah daran, sich zu fragen, ob der Bankier vielleicht übergeschnappt war.

»Aber so lesen Sie doch!« rief Silas Toronthal und reichte Sarcany das Blatt, »so lesen Sie doch!«

»Lesen ...?«

»Ja sehen Sie denn nicht, dass die Korrespondenzpartner des Grafen, bevor sie die Wörter mit Hilfe des Rasters bildeten, den Satz, den sie schreiben wollten, zuerst ins Französische übersetzt und dann rückwärts aufgeschrieben haben?«

Sarcany nahm das Papier und las, bei den letzten Buchstaben beginnend:

»Tout est prêt. Au premier signal que vous nous enverrez de Trieste, tous se leveront en masse pour l'indépendance de la Hongrie. Xrzah.«

[Alles ist bereit. Beim ersten Zeichen, das Sie uns von Triest senden, werden sich alle in Massen für die Unabhängigkeit Ungarns erheben. Xrzah.]

»Und was sollen die letzten fünf Buchstaben?«

»Ein verabredeter Deckname«, antwortete Silas Toronthal.

»Endlich haben wir sie.«

»Aber die Polizei hat sie noch nicht.«

»Dafür werde ich schon sorgen.«

»Sie werden doch sehr diskret zu Werke gehen?«

»Selbstverständlich. Der Gouverneur von Triest wird der einzige Mensch sein, der die Namen der beiden ehrenwerten Patrioten erfährt, die eine Verschwörung gegen die österreichische Regierung schon im Keime erstickt haben.«

Indem er dies sagte, ließen der Ton und die Handbewegungen dieses Schurken nur zu deutlich erkennen, dass diese großsprecherischen Worte lediglich seinem Zynismus entsprangen.

»Ich brauche mich also um nichts weiter zu kümmern?« fragte der Bankier kühl.

»Um nichts, es sei denn um ihren Verdienstanteil an diesem Geschäft.«

»Wann?«

»Wenn die drei Köpfe gefallen sind, die jedem von uns mehr als eine Million einbringen.«

Silas Toronthal und Sarcany trennten sich. Wenn sie aus dem Geheimnis, das der Zufall ihnen enthüllt hatte, einen Vorteil ziehen wollten, wenn sie die Verschwörer auffliegen lassen wollten, noch bevor der Aufstand offen ausbrach, so mussten sie schnell handeln.

Zunächst war Sarcany wie gewöhnlich in das Haus von Ladislaus Zathmar zurückgekehrt. Er hatte dort seine Arbeiten wieder aufgenommen, die sich ihrem Ende zuneigten. Graf Sandorf selbst erklärte ihm, mit verbindlichem Dank für den gezeigten Eifer, dass er in einer Woche seine Dienste nicht mehr benötigen würde. Das bedeutete nach Sarcanys Ansicht ohne Zweifel, dass um diese Zeit von Triest aus das erwartete Zeichen an die wichtigsten Städte Ungarns gesandt würde.

Er beobachtete also weiterhin sehr sorgfältig, was im Hause Zathmars vor sich ging, ohne umgekehrt selbst Verdacht zu erregen. Er hatte sich so intelligent gezeigt, er schien so sehr von liberalen Vorstellungen erfüllt zu sein und hatte so wenig seine unbezwingbare Abneigung verhehlt, die er gegen alles zu hegen vorgab, was von deutscher Abstammung war, also insgesamt seine Rolle so gut gespielt, dass Graf Sandorf schon erwog, ihn später dauerhaft an sich zu binden, wenn erst der Aufstand Ungarn zu einem freien Land gemacht hätte. Borik war der einzige, der sich nicht von seinem Werte hatte überzeugen lassen wollen; er war von dem Vorurteil, welches ihm der junge Mann von Anfang an eingeflößt hatte, nicht mehr losgekommen.

Sarcany hatte also sein Ziel erreicht.

Am 8. Juni sollte Graf Sandorf, wie er es mit seinen Freunden verabredet hatte, das Zeichen zum Aufstande geben, und dieser Tag war nun gekommen.

Aber das Werk des Verrats war ebenfalls vollendet.

Am Abend dieses Tages, gegen acht Uhr, umstellte die Triester Polizei plötzlich das Haus von Ladislaus Zathmar. Jeder Widerstand war zwecklos. Graf Sandorf, Graf Zathmar, Professor Bathory, sogar Sarcany, der sich übrigens nicht wehrte, und Borik wurden verhaftet, ohne dass jemand von ihrer Festnahme Kenntnis erhielt.


Übersetzung: Klaus Pommerening, 6. April 2000.