Definition von Dummdeutsch

Der Begriff geht wohl auf des gleichnamige Buch von Eckhard Henscheid zurück, das zuerst 1985 erschien. Nach der Definition von Henscheid ist Dummdeutsch:

... ein Agglomerat, eine Emulsion, ein Syndrom aus vor allem Werbe- und Kommerzdeutsch, aus altem Feuilleton- und neuem Professorendeutsch (und umgekehrt), aus dem Deutsch der sogenannten Psychoszene und dem einer neuen Innerlichkeit speziell linker Provenienz, aus Sport- und Bürokratendeutsch; ... Dummdeutsch hat mitunter auch was Schönes.

»Dummdeutsch«: ein ebenso rasch einleuchtender, ein kaum je ganz (...) mißverstandener und praktikabler wie selbstverständlich proto- und parawissenschaftlicher Begriff. Welcher, sehr straff zusammengefaßt, an-sich »Dummes«, strukturell »dummes« Wortmaterial ebenso umgreift wie solches, das erst per fortgesetzte Inflation, gedankenlose Entleerung oder auch bloße Verwendung durch die garantiert falschen Menschen es - von Fall zu Fall anders - geworden ist.

»Dummdeutsch«: der fraglos wissenschaftlich, historisch, linguistisch nicht allzu ausgewiesene noch abgegrenzte Begriff tut sogar gut daran, im leicht zwielichtig Unausgewiesenen zu verbleiben; wie gleichsam die Sache, die er bezeichnet, selber: Diese genetisch manchmal kaum sortierbare und sehr gallertartige Aufschüttung aus Neo- und Zeitlosquatsch, aus verbalem Imponiergewurstel bei gleichzeitiger Verschleierungs- und Verhöhnungsabsicht oder auch umgekehrt Angst; aus modisch progressistischem Gehabe wie gleichzeitig stur autoritärer Gesinnung mal bürokratieseligem Geschwafel - dieses Dummdeutsche bekommt am Ende etwas über die läßliche Verfehlung weit hinaus konstitutionell Hirnzerbröselndes noch jenseits der ja eher biologisch konditionierten Mentalschwächen von Sprachalterung etwa nach Maßgabe der Lord Chandosschen Befunde. Geister- und schauderhaft meint es die Signatur der Epoche, aber auch die der Sprache und Sprachgeschichte selber, die sozusagen ontische Torheit des Worts, des in und an sich selbst Verwesenden von Wort und Wortbildung, fast eine Ästhetik also auch des Scheußlichen, des Ruinösen und des Desaströsen alles Phonetische - aber lassen wir das.
[Anmerkung K. P.: Diese Definition besteht selbstverständlich über ganze Passagen selbst aus reinstem Dummdeutsch. Da Henscheid Satiriker ist, darf man das wohl als Absicht unterstellen.]

Aus der Diskussion zum »Gewerbepark«

Sonja Glauch: Und was ist mit dem Fuhrpark? Auch Dummdeutsch? ... Sprache entwickelt sich eben.

Meno Sellschopp: Falsch! Sie wird entwickelt. Und vor manchen Entwicklern muß man sie schützen! Zum Beispiel vor solchen, die reflexiv nicht von passiv unterscheiden können.

KP: Eben. Und wenn wir diese Entwicklung dumm finden, nennen wir sie »Dummdeutsch«. Z. B., wenn Ausdrücke in manipulatorischer Absicht geprägt werden, um scheußliche Dinge schön zu reden.

Sonja Glauch: Hast du wirklich bei »Fuhrpark« ein »dummes« Gefühl, oder das Gefühl, in manipulatorischer Absicht von jemandem verschaukelt zu werden? Ich will ja nur sagen, daß das Kompositionsglied »-park« (nicht Park als alleinstehendes Wort!) inzwischen mehr und anderes bedeutet als den grünen Stadtpark. Ich bezweifle, daß jemand mit »Entsorgungspark« irgendetwas schönreden will. Aber selbst dann: ist denn euphemistische Schönrednerei immer gleich identisch mit »Dummdeutsch«? Die »Endlösung« war auch ein gemeiner Euphemismus, aber als »dumm« möchte ich die Erfinder dieses Wortes nicht bezeichnen.

Martin Steffen: Naja, ich denke, in diesem Fall dann doch wieder. Es hört sich halt besser an als Müllkippe.

Meno Sellschopp: Die Dummheit des Dummdeutschen besteht nicht darin, daß ein paar Sprachkosmetiker den Dreck der Welt mit schönen Wörtern schminken, sondern daß sie glauben, sie könnten uns damit bescheißen.

Gerald Fix: Hallo Sonja, du hättest ruhig noch deutlicher werden können: Die Entwicklung verläuft nämlich umgekehrt. Laut (Herkunfts-) Duden ist das Wort ursprünglich als lateinisches Lehnwort für »eingeschlossenen Raum« im Deutschen mässig in Gebrauch gewesen - bis eine Neuentlehnung des Wortes aus dem Französischen im 18.Jhdt stattfand. Duden gibt die Bedeutung des französischen Wortes mit »grossflächig angelegte, umschlossene Grünanlage, militärisches Depot für Waffen und Geschütze und (in Analogie dazu), reservierter städtischer Abstellplatz für Fahrzeuge« an. Diese Bedeutungen seien an die Nachbarsprachen weitergegeben worden. Der Versuch, »Park« auf Grünanlagen zu reduzieren, scheint mir Teil des Bemühens zu sein, ein »goldenes Zeitalter der Sprachreinheit« wiedererstehen zu lassen.
Im Übrigen plädiere ich für die Aufnahme des Wortes »Dummdeutsch« in eine Dummdeutsch-Liste.

Jens W. Heckmann: Ich glaube nicht, dass das irgendetwas mit der Entwicklung der Sprache zu tun hat. Sprache dient eben unter anderem auch dazu, eine bestimmte Sicht der Welt auszudrücken (»halbvoll« versus »halbleer« ist ein klassisches Beispiel, »Mordinstrument« versus »Friedenswerkzeug« wäre ein anderes; und der Benutzer des Wortes »Gewerbepark« will damit eben seine positive Sichtweise aus- drücken), und dazu hat sie auch schon in der Vergangenheit stets gedient. Denjenigen, die das »Dummdeutsch« zu bekämpfen vorgeben, geht es meiner Meinung nach also vorrangig um die Bekämpfung der ihrer Meinung nach dahinterstehenden Verdummungsabsicht. Das mag ein löbliches Ziel sein, aber mit der Sprache hat es nichts zu tun; die ist für beide Seiten nur ein Werkzeug.

Jens Wuepper: Oder: Sprache wird entwickelt. Und das eben manchmal von Leuten, die uns alle ein schöne Assoziationen weckendes Wort für einen unangenehmen Sachverhalt unterjubeln wollen. »Wertstoffe« satt »Müll« ist ja auch so ein Beispiel. Der ursprüngliche Autor wollte wohl keine Entwicklung aufhalten sondern nur aufzeigen.


Re: Definition von Dummdeutsch

von Jens W. Heckmann

Am 23. September 1996 schrieb Klaus Pommerening:

ist Dummdeutsch ... ein Agglomerat, eine Emulsion, ein Syndrom aus vor allem Werbe- und Kommerzdeutsch, aus altem Feuilleton- und neuem Professorendeutsch (und umgekehrt), aus dem Deutsch der sogenannten Psychoszene und dem einer neuen Innerlichkeit speziell linker Provenienz, aus Sport- und Bürokratendeutsch; ...

Ich habe selten ein so schönes Beispiel für eine von jeder Sachbezogenheit freie Definition gesehen. »Dummdeutsch« wird hier allein über Personen definiert:

wobei die verwendeten Begriffe ausdrücken, dass er diese Leute nicht mag, also kurz: und diese Leute stellen nach dem Grundsatz »Viel Feind', viel Ehr'« die Quasi-Gesamtheit aller in der Öffentlichkeit auftretenden Sprecher dar, also noch kürzer: Nun hat natürlich ein jeder das Recht, diese oder jene Leute zu mögen oder auch in großer Zahl nicht zu mögen, aber gehört eine solche Diskussion nicht eher nach de.soc.weltanschauung.misc?

Erwiderung KP:

Ich habe selten ein so schönes Beispiel für eine von jeder Sachbezogenheit freie Definition gesehen.

Wie schon gesagt: Die Definition ist selbst reinstes Dummdeutsch. Zur Erinnerung: Henscheid ist Satiriker.

»Dummdeutsch« ist, was die Leute sagen, die ich nicht leiden kann, ...

Nur wenn sie dumm reden. Was dumm ist, kann man nur subjektiv beurteilen.

Nun hat natürlich ein jeder das Recht, diese oder jene Leute zu mögen oder auch in großer Zahl nicht zu mögen, aber gehört eine solche Diskussion nicht eher nach de.soc.weltanschauung.misc?

Die Fragen, wer wen nicht mag und warum, gehören sicher dahin. Aber die Frage, was von diesen Leuten mit der Sprache angestellt wird, gehört hierher. Wobei Wertungen ausdrücklich erwünscht sind (jedenfalls von mir, aber auch von vielen anderen, wie ich aus entsprechenden Rückmeldungen entnehme). Es geht schließlich auch um Stilfragen, und diese unterliegen immer einer subjektiven Beurteilung. Das muss ja nicht gleich in öffentliche Unflätigkeit ausarten - aber Angst vor persönlicher Meinung bei der kritischen Begleitung der Entwicklung der Sprache sollten wir auch nicht haben.


Zitate

Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. (Goethe, Faust, ...)

... Man soll gewiß eine lebende Sprache nicht mit dem Metermaß schulmeistern wollen, das ist schon richtig - ... Bei dem Kampf um die Sprachreinheit unterliegt fast immer der, der die Sprache sauber halten will, und das Verschmierte, das Laute, das Halb- und Falsch-Gebildete setzt sich durch. Und es setzt sich nur durch, weil sich die meisten Leute nicht klar sind über das, was sie sprechen. (Kurt Tucholsky: 100%. 1939)

Ein schicksalsmächtiges Geraune ohne irgendeine Verpflichtung: das klassische Imponierdeutsch der Gegenwart. (Herausforderung) Krämer, Kaehlbrandt: Plastikdeutsch