Beginn einer Dummdeutsch-Sammlung
- Apostroph
- Kommentar: ' ist dasjenige Zeichen in der deutschen Sprache,
das andeutet, dass demnächst ein »s« folgt.
Quelle: Titel der Computerzeitschrift »In'side Multimedia«, z. B.
vom Juli 1996.
Beschriftung »Jean's«, »T-Shirt's« in Bekleidungsgeschäften in Konstanz
(Sommer 1995) und Ravensburg (Juni 1996).
Verweise: Regeln zum Apostroph R16-25, zum Genitiv R194 und 199,
zum Plural R 194ff. (DUDEN Rechtschreibung, 1986)
Autor: Oliver Gassner
Weitere Belege: Tortilla's
Quelle: Tüte der
Chio(?) Maischips, noch im Handel (1996)
Autorin: Melanie Örter
- Bindestrich
- Kommentar: Aussterbendes Zeichen
Kommentar: Es gibt auch Gegenbeispiele
Alle, die ihr über das Aussterben des Bindestrichs trauert
(Dortmund Fan, Pils Stübchen, Johannes Gutenberg-Universität),
höret die frohe Botschaft:
Der Bindestrich hat ein Asyl bekommen - nicht irgendein
verborgenes Eckchen, nein geradezu einen Palast, wo er in voller
Schönheit und Stärke thronen kann! Wo, werdet ihr fragen,
geschehen solche Wunder? Nun: auf der Autobahn, gesehen hab
ich's zwischen Heidelberg und Karlsruhe. Dort ist nämlich das
"Dreieck-Hockenheim" gelegen. Und gleich dahinter prangt auf
mehreren Werbeplakaten das schöne Wort "pausen-los".
Quelle (Beispiele):
1. Offizieller Briefkopf: Johannes Gutenberg-Universität
2. Pils Stübchen (Mainz-Finthen, Kurmainz-Straße)
Autor: Klaus Pommerening
- Dimension
- Zitat: »Erleben Sie Distribution in einer neuen Dimension.«
Kommentar: 3D ist out. Wo die bestellten Artiklel wohl landen?
Quelle: Anzeige iX 8/1996, S. 2 (BYTEC GmbH, Tettnang)
Autor: Klaus Pommerening
- Gewerbepark
- Kommentar: Was müssen das für Menschen sein,
die ein paar hässliche, in die kahle Landschaft
gesetzte Zweckbauten mit viel asphaltiertem
Autoabstellplatz dazwischen als »Park« bezeichnen.
Quelle: Wegweiser bei 55286 Wörrstadt an der
Bundesstrasse 420 (aber sicher auch auf vielen
anderen Wegweisern, Orientierungskarten und
Stadtplänen zu finden).
Autor: Klaus Pommerening
Diskussion:
Erik Heinz: Wieso? Da kann man prima parken :-).
Meno Sellschopp: Parallele: Entsorgungspark.
Da lassen sich gewiß noch ein Dutzend ähnliche Wort-Vergewaltigungen
finden. Ich warte nur auf das Schild: Park-Park.
Achim Scheve:
So etwas wird als Gewerbegebiet bezeichnet.
Bei einem Gewerbepark handelt es sich hoffentlich um ein Gewerbegebiet,
welches durch den Einsatz von Bäumen und einer gewissen überbetrieblichen
Infrastruktur (Restaurants als Kantinen, Postämter, ...) den dort
Arbeitenden oder auch den Kunden und Lieferanten eine gewisse
Lebensqualität ermöglicht.
Ulrike Beyer:
Den Begriff der Lebensqualität definiert durch den Einsatz von
Bäumen und einiger Postämter - wahrlich ein schönes Beispiel
für Dummdeutsch!
Ulf Hinze:
Ich wollte ja immer schon einmal Urlaub im Entsorgungspark machen!
Einmal die ganzen Sorgen über Bord werfen und sich im Grünen nur
entspannen ... oder habe ich da etwas verwechselt? ;-)
- intelligent
- Kommentar: Wir danken der Firma Riedel in München für den
folgenden glasklaren Beitrag zum Thema Dummdeutsch:
»Riedel's intelligente Glasformen vermitteln die schönsten,
geheimsten und aufregendsten Botschaften der Weine.«
Quelle: Anzeige im mehreren Zeitschriften (z. B. DER SPIEGEL),
August 1996.
Autor: Klaus Pommerening
- leben (transitiv)
- Kommentar: Z. B. »Christsein leben«, »Ich kann hier mein
Frausein nicht leben«. Das Wort »leben« ist im Deutschen zwar
gelegentlich transitiv (»ich lebe ein ruhiges Leben«),
aber in den ersten Beispielen wird die Bedeutung
verändert, etwa im Sinn von »ich handle (oder verhalte
mich) meiner Überzeugung/Eigenschaft als Christ/Frau
entsprechend«.
Quelle: Parole anläßlich einer religiösen Großveranstaltung.
Weitere Belege: Praktisch jeder zweite katholische/soziologische Text.
Verweise: [hier könnte man auf einen Eintrag über »das
XXXXsein« verweisen, ist m. A. n. genauso dümmlich]
Autor: Michael Kilian
- massiv
- Kommentar: Ursprünglich wohl faul übersetztes Englisch (»massive
retaliation«) hat es sich überall ausgebreitet, wo einem Begriff
Nachdruck verliehen werden soll. Besonders hat mir gefallen:
Baerbel Höhn, Nordrhein-Westfalens Umweltministerin, hat in
einem Interview zu Garzweiler 2 von »massiven Gesetzeslücken«
gesprochen.
Quelle: Gehört in WDR 5 im Sommer 97
Weitere Belege: Leider nur zu viele
Verweise: dito
Autor: Martin Rost
- Philosophie
- Kommentar: Philosophie (Weisheitsliebe) ist die Summe der
Fragen, deren letzte Antwort »42« lautet. Die Philosophie der
Unternehmen ist die Summe der Fragen, deren Antwort »plus x nach
Steuern« lautet.
Quellen: 1. Aus der Homepage der Firma Geffroy & Partner GmbH (6.11.96):
Workshop, erster Tag: Interaktive Einführung in die Philosophie [1]
des Clienting unter Berücksichtigung der individuellen Situation Ihrer
Firma und deren Position in der Branche.
[1] Die Clienting-Philosophie - vom Kundendenken zum Personenhandeln.
2. Aus der Homepage der SCB GmbH (19.11.96):
Unsere Philosophie: Wir setzen als Systemhaus auf langlebige
hochwertige Qualitätsprodukte zum vernünftigen Preis.
Der gebotene Service orientiert sich an den Anforderungen der Kunden
und wird diesen vollauf gerecht.
3. Und zum Schluss, aus der TV-Serie »Simpsons«, die Antwort der Mutter
auf die töchterliche Bitte, doch in einem Geschäft mit -ko-Werbung zu
kaufen:
»Tut mir leid, Lisa - wir können es uns nicht leisten, in einem
Geschäft mit Philosophie zu kaufen«.
Autor: Gerald Fix
Weiterer Kommentar: Für die Gründe dieses Unsinns muss man allerdings nicht
lange und tief schürfen.
Sie kommen aus der glückselig ignoranten Gedankenlosigkeit, mit der man
im Deutschen englische Wörter in ähnlich klingende deutsche umsetzt
und meint, sie damit »übersetzt« zu haben.
Die »business philosophy«, die eigentlich »Geschäftsgrundsätze«
wäre, ist ein Beispiel dafür. Ein weiterer gern getätigter
Fehlgriff ist der nach dem Wort »Politik« für »policy«, wenn
eigentlich »Taktik« oder »Vorgehensweise« am Platze wäre. So sind
bei »politischen Gründen« im englischen Original meistens »taktische
Erwägungen« gemeint.
Autor: U. Faigle
- sensitiv
- Kommentar: Z. B. »Sensitive Haut braucht Pflege.« Falsche oder
unpassende Eindeutschung von engl. »sensitive«. Im
Beispiel wäre »sensibel« richtig. Das Wort »sensitiv«
existiert nicht im Deutschen.
Quelle: Fernsehwerbung für eine Hautcreme.
Weitere Belege: Viele andere Fernseh-Werbespots.
Autor: Michael Kilian
- sicherstellen
- Kommentar: Im Zusammenhang: »Stellen Sie sicher, daß der Hebel
eingerastet ist.« Falsche Eindeutschung von engl. »to
make sure«, was »sich vergewissern« bedeutet. Das Wort
»sicherstellen« bezieht sich im Deutschen auf
Gegenstände (»Die Polizei hat 5 kg Heroin
sichergestellt.«), nicht auf Sachverhalte.
Quelle: Jede zweite Gebrauchsanweisung.
Weitere Belege: Übersetzungen anderssprachiger
Gebrauchsanweisungen, immer öfter auch deutsche
Gebrauchsanweisungen.
Autor: Michael Kilian
- Sinn machen
- Kommentar: In Filmen immer häufiger gehörte falsche Eindeutschung
von engl. »to make sense«, was »vernünftig sein«
bedeutet. Die Phrase »Sinn machen« existiert nicht im
Deutschen.
Quelle: Jeder zweite Spielfilm.
Weitere Belege: Übersetzungen englischsprachiger
Spielfilme, immer öfter auch deutsche Spielfilme.
Autor: Michael Kilian
- sparen
- Kommentar: Gemeint ist »Geld ausgeben« und zwar
viel, aber bitte in unserem Laden.
Quelle: Viele Reklameblätter, z. B. von
Rheinmöve, Worms, Ende Juli 1996,
»Pack & Spar SB-Möbelmarkt«.
Autor: Klaus Pommerening
- Thermische Wiederverwertung
- Kommentar: Dieser Begriff wird in Österreich tatsächlich von Amts wegen
(Regierung, besonders »Umweltministerium«) verwendet, um die nicht ganz so
beliebte Müllverbrennung mit all ihren negativen Aspekten zu »behübschen«!
In Wien gibt's sogar eine Müllverbrennungsanlage (Flötzersteig), die vom
Maler Hundertwasser mit Zwiebeltürmchen, bunten Kacheln usw. »verziert«
wurde! (Das ist nicht das berühmte Hundertwasserhaus im 3. Bezirk - ein
Wohnhaus).
Autor: Josef Michlmayr
- Trauerarbeit
- Kommentar: Wenn immer ich diesen Ausdruck höre, »Trauerarbeit
leisten« - und in letzter Zeit fiel er mir häufig auf,
wurde mir richtiggehend übel. Was soll er eigentlich
bedeuten? Was wird bearbeitet? Wieso überhaupt Arbeit?
Reicht nicht »trauern«? Soll herausgestellt werden, daß
das Trauern in unserer Gesellschaft (Freizeitpark
Bundesrepublik) eine schwierige Sache (Arbeit) ist?
Der Begriff »Arbeit« wird ja auch gern für die Benutzung
von Computer-Programmen benutzt? Wie oft bin ich schon
gefragt worden, mit welchem Programm ich »arbeite«,
obwohl der Fragende wußte, daß ich meinen Computer nach
Feierabend einschalte. Natürlich tut man mit dem Computer
wichtige Dinge: Mit welchem Programm arbeitest du Spiele?
Quelle:
Autor: Dietrich Grimm
Diskussion:
KP: Das ist Psychologen-Slang. Probleme, Konflikte, Schwierigkeiten werden
bearbeitet, wenn sie sich nicht von alleine lösen, d. h., der Betroffene
muss sich anstrengen. Trauer ist so ein Fall - nicht verdrängen, sondern
bearbeiten.
»Dummdeutsch« wird solch ein Ausdruck, wenn er unflektiert nachgeplappert
oder in manipulatorischer Absicht missbraucht wird, z. B. von
professionellen Betroffenen. Deine Fragen sind berechtigt. »Trauern«
reicht meistens.
Marc Krontal: Meyers Lexikon sagt
»Arbeit, 1) Recht, Wirtschaft: jede zielgerichtete,
bedürfnisbefriedigende und planmäßige Tätigkeit, bei der geistige
und/oder körperl. Kräfte eingesetzt werden. [...]«
Demnach arbeitest Du mit dem Rechner (auch wenn Du spielst).
- ultimativ
- Kommentar: Z. B. »Das ultimative Abenteuer«.
In Filmtrailern immer häufiger gehörte unnötige
Eindeutschung von engl. »ultimate«. Im Beispiel wäre
vielleicht das »größte«, manchmal auch das »äußerste«
passend. Das Wort »ultimativ« existiert zwar im
Deutschen, wird aber eher selten verwendet.
Quelle: Filmankündigung.
Weitere Belege: Viele andere Filmankündigungen.
Autor: Michael Kilian
- wettbewerbsfähig
- Kommentar: Wettbewerbsfähigkeit - die Zauberformel für den
sozialen Kahlschlag. Wir danken Herrn Staatssekretär Günter
Eymael [Eymael wird a-e geschrieben, kein Umlaut] vom
rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft und
Verkehr für die erhellende Formulierung: »Wir müssen die
menschliche Arbeitskraft wieder wettbewerbsfähig machen.«
Arbeitskräfte, hört die Signale: Mehr Arbeit! Weniger Geld!
Quelle: Informationsveranstaltung »Mitwirken heisst Mitgestalten«
der Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation am 11. September
1996 in Mainz.
Autor: Klaus Pommerening
- zurückgeben
- Kommentar: Im Zusammenhang: »Das Programm gibt die Gesamtsumme
zurück.« Falsche Eindeutschung von engl. »to return«,
was hier »ausgeben« bedeutet.
Quelle: EDV-Gebrauchsanweisung.
Weitere Belege: Praktisch jede EDV-Gebrauchsanweisung.
Autor: Michael Kilian