Vorlesung „Einführung in die Geschichtswissenschaft“ (SoSe 2006)

Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Historisches Seminar, Abteilung für Allgemeine und Neuere Geschichte

HD Dr. Helmut Schmahl (hschmahl @ uni-mainz.de, http://www.staff.uni-mainz.de/hschmahl), Sprechstunden: MO 11-12, DI 14-15 R. 00-635

 

Materialien zur Sitzung vom 10.5.2006: Die deutsche Geschichtsschreibung ab 1933 (Schwerpunkt „Politische Geschichte“)

 

 

  1. Politische Geschichte = Allgemeingeschichte?

 

Dichotomie von Staat und Gesellschaft

 

„Primat der Außenpolitik“ (Leopold v. Ranke)

 

Diversifizierung im Kaiserreich (Heinrich v. Treitschke, Otto Hintze, Wilhelm Dilthey, Friedrich Meinecke, Ernst Bernheim, Karl Lamprecht)

 

Eckart Kehr: „Primat der Innenpolitik“

 

Ostforschung im Dritten Reich (Hermann Aubin, 1885-1969)       

 

  1. Der Übergang zur Gesellschaftsgeschichte

 

Werner Conze (1910-1986): Konzept einer integrativen Sozialgeschichte, Forderung „überkommene Trennungskategorien wie politische Geschichte und Geistesgeschichte einerseits, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte andererseits, ebenso die angeblich Unvereinbarkeit von typologisierender und individualisierender Methode zu überprüfen und zu überwinden.“

 

Karl Dietrich Bracher (* 1922) : „Die Auflösung der Weimarer Republik“ (5. Aufl. 1971)

 

Fischer-Kontroverse (1961ff.)

 

Fritz Fischer (1908-1999): „Griff nach der Weltmacht“  (1961). Fazit: Der Erste Weltkrieg wurde durch die imperialistischen Weltmachtsbestrebungen des Deutschen Reiches ausgelöst

 

Gegenpositionen: Gerhard Ritter (1888-1967), Karl-Dietrich Erdmann (1910-1990) und Andreas Hillgruber (1925-1989)

 

Integrative „allgemeine Geschichte“ = Gesellschaftsgeschichte

Neue Sozialgeschichte, „Bielefelder Schule“

Hans-Ulrich Wehler (geb. 1931), Jürgen Kocka (geb. 1941)

 

 

  1. Die Kontroverse zwischen traditioneller politischer Geschichte und Gesellschaftsgeschichte

 

Wehler: macht sich Kritik der franz. Annales-Schule (Fernand Braudel) zueigen, daß traditionelle politische Geschichte reine Ereignisgeschichte („histoire événementielle“) ist, primäres Interesse sollte historischen Erscheinungen von langer Dauer („longer durée“) gelten

 

  1. Moderne politische Geschichte

 

 

„Primat der Innenpolitik“

 

 

  1. Der Historikerstreit (1986/87)

 

In der Öffentlichkeit stark beachtete Debatte über die Einordnung der NS-Judenvernichtung in ein identitätsstiftendes Geschichtsbild der Bundesrepublik Deutschland

 

Ernst Nolte (1980): Auschwitz resultiert nicht in erster Linie aus dem überlieferten Antisemitismus und war im Kern nicht ein bloßer ‚Völkermord‘, sondern es handelte sich vor allem um die aus Angst geborene Reaktion auf die Vernichtungsvorgänge der Russischen Revolution.“

 

Andreas Hillgruber: „Zweierlei Untergang. Die Zerschlagung des Deutschen Reiches und das Ende des europäischen Judentums“ (1986)

 

Jürgen Habermas (1986): „Die Naziverbrechen verlieren ihre Singularität dadurch, daß sie als Antwort auf (heute fortdauernde) bolschewistische Vernichtungsdrohungen mindestens verständlich gemacht werden. Auschwitz schrumpft auf das Format einer technischen Innovation und erklärt sich aus der ‚asiatischen‘ Bedrohung durch einen Feind, der immer noch vor unseren Toren steht.“

 

„Viererbande“ (Ernst Nolte, Andreas Hillgruber, Klaus Hildebrandt und Michael Stürmer) gegen „linke Aufklärer“ (Jürgen Habermas, Rudolf Augstein)

 

 

 

Literatur und Internetressourcen:

 

http://www.klassiker.historicum.net/index.htm (Biographien bedeutender Historiker)

 

Peter Borowsky: Politische Geschichte. In: Goertz, Geschichte, S. 475-488.

 

Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18. Kronberg 1977.

 

Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. Reinbek 1998.

 

Steffen Kailitz: Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“. What’s right? What’s left. Wiesbaden 2001.

 

Lutz Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München 2003.

 

Winfried Schulze/Otto G. Oexle (Hrsg.): Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1999.

 

Hans-Ulrich Wehler, Entsorgung der deutschen Vergangenheit? : Ein polemischer Essay zum "Historikerstreit". München 1988.