Farbensehen

Das Farbensehen wird seit mehr als 300 Jahren experimentell untersucht. Die größten Physiker haben sich mit dem Farbensehen beschäftigt, wobei die Frage zunächst lautet: Wie hängt die Farbe, die wir wahrnehmen, mit der Physik des Lichts zusammen?

Issak Newton (1643-1727): Zerlegung weißen Lichts mit Hilfe von Prismen, additive Farbmischung. (Opticks 1703). Folgerung: "Farbe" ist keine physikalische Eigenschaft des Lichts. Unterschiedlich farbige Lichter unterscheiden sich physikalisch in ihrer Brechbarkeit. "Farbe" entsteht erst dadurch, daß Licht in unserem "Sensorium" eine Empfindung hervorruft.

Thomas Young (1773-1829): Hypothese, ausgehend von der Wellennatur des Lichts und der Resonanztheorie (1802): Drei Arten von Nervenfasern, die auf das einfallende Licht reagieren, genügen, um alle Farbempfindungen auszulösen.

Experimenteller Beweis der Dreikomponenten-Theorie des Farbensehens durch additive Farbmischung von Hermann von Helmholtz (1850): Drei geeignet ausgewählte farbige Lichter genügen, um in additiver Mischung alle übrigen Farben herzustellen.

James Clerk Maxwell ~1850 kam zum gleichen Ergebnis durch additive Farbmischung mit schnell rotierenden farbigen Scheiben.

    Blau und Gelb additiv gemischt ergibt weiß (oder grau bei farbigen Scheiben)
    Blau und Gelb ergibt Grün bei "subtraktiver" Mischung von Farbstoffen

Additive Farbmischung läßt sich auf der Ebene der Photorezeptoren (Zapfen) erklären. 3 spektral unterschiedliche Typen von Zapfen beim Menschen. Die spektrale Absorption des Photopigments bestimmt die spektrale Empfindlichkeit von Photorezeptoren.

Rhodopsin besteht aus Retinal und Opsin (Eiweiß). Unterschiedlich aufgrund der verschiedenen Aminosäuresequenz im Opsin. Aufklärung der Basensequenz der Gene für die vier Osine des Menschen durch Nathans (1986).

Absorption eines Lichtquants im Retinal bewirkt eine Kaskade von molekularen Vorgängen, die zur Änderung der Leitfähigkeit der Ionenkanäle führen (siehe Vorlesung Transduktion).

Die Erregung des Photorezeptors hängt ausschließlich von der Anzahl der absorbierten Lichtquanten ab. Information über "Wellenlänge" oder "Energie des Lichtquants" ist in diesem Signal nicht enthalten. Jeder einzelne Photorezeptor ist deshalb "farbenblind" (Univarianzprinzip). "Farbe" entsteht erst im Gehirn durch Vergleich der Erregungswerte der verschiedenen Zapfentypen.


Eigenschaften des Farbensehens (Eigenschaften des gesamten Systems):

    Spektrale Empfindlichkeit
    Unterschiedsempfindlichkeit für Wellenlängen (Delta-Lambda-Funktion)
    Farbenkreis
    Gegenfarben: Rot/Grün; Blau/Gelb; 4 Urfarben
    Simultaner Farbkontrast
    Sukzessiver Farbkontrast (farbige Nachbilder)
    Farbkonstanz

Eigenschaften des Farbensehens, von denen Ewald Hering (1834-1918) geglaubte, daß sie nicht mit der trichromatischen Theorie vereinbar seien, sind: 4 Urfarben, Gegenfarben, Kontrastfarben.
Aus elektrophysiologischen Ableitungen aus der Retina von Fischen (Svaetichin 1956; Tomita 1960) weiß man, daß es Typen von Nervenzellen in der Retina gibt, die Gegenfarb-Eigenschaften haben, d.h., daß sie mit Erregung in einem Wellenlängenbereich und mit Hemmung in einem anderen Wellenlängenbereich reagieren.
Die Photorezeptoren dagegen reagieren nur mit Hyperpolarisation. Urfarben, Gegenfarben und Kontrastfarben entstehen durch Verarbeitung der von den Photorezeptoren kommenden Information.

Farbensehen bei Tieren

Nachweis des Farbensehens bei Bienen in Dressurexperimenten von Karl von Frisch (1914).
Die Eigenschaften des Farbensehens lassen sich mit Dressurexperimenten (mit Futterbelohnung) untersuchen. Besonders gut untersucht sind Honigbienen, Goldfische und Tauben.

Bei der Biene beruht das Farbensehen auf drei Typen von Photorezeptoren (Retinulazellen), bei Schmetterlingen auf vier Typen.
Bei niederen Wirbeltieren wurde tetrachromatisches Farbensehen bei Goldfischen und anderen Karpfenfischen, sowie bei Schildkröten nachgewiesen. Der vierte Zapfentyp ist hier einUV-Rezeptor. Auch die meisten Vögel haben ein tetrachromatisches Farbensehen. Säugetiere haben in der Regel ein dichromatisches Farbensehen, also nur zwei Typen von Zapfen. Nur bei den Primaten (und zwar bei den Altweltaffen) liegt ein dritter Zapfentyp vor. Neuweltaffen (aus Südamerika) haben zwei Opsingene für Zapfenrhodopsin, von denen jedoch das M/L-Opsin in drei Alleln vorliegt. Da dieses Gen auf dem X-Chromosom liegt, können die Weibchen Tri- oder Dichromaten sein, während die Männchen immer Dichromaten sind.


Campenhausen, C.v. (1992) Die Sinne des Menschen, Thieme

Nathans, J. (1989) Die Gene für das Farbensehen. Spektrum der Wissenschaft, April 1989.