Vorlesung: Allgemeine Zoologie II (Neurobiologie)
Empfohlene Lehrbücher:
Wehner, R. & Gehring, W.: Zoologie. 23. Aufl., Thieme
Eckert, R. Et al.: Tierphysiologie. 3. oder 4. Aufl., Thieme
Reichert, H.: Neurobiologie. 2. Aufl. Thieme
Themen der Vorlesung:
Sinnesorgane - Nervensysteme - Verhalten
Große Fragen der Neurobiologie:
z.B.: Wahrnehmung: Wie verarbeitet das Gehirn die von den Sinneszellen kommende Information? Bewegungs- und Verhaltensweisen: Wie erfolgt die räumliche und zeitliche Aktivierung von Muskelgruppen z.B. beim Laufen, Fliegen und bei angeborenen Verhaltensweisen? Wie wird Information gespeichert (Lernen)? Wie entstehen kognitive Leistungen (Denken, Fühlen, Wahrnehmen)?
Das Gehirn als komplexes System. Gesamtleistung als Ergebnis der Interaktion einer unvorstellbar großen Anzahl von Nervenzellen. Nicht zu verstehen auf der Ebene der einzelnen Zelle.
Methoden:
Psychophysik und Verhaltensphysiologisches Experiment: Zeigen Eigenschaften des gesamten Nervensystems.
Elektrophysiologie: Einzelzellableitungen; Summenpotentiale; EEG; fMRI
Neuroanatomie: Färbemethoden; Licht- und Elektronenmikroskopie
Molekularbiologische Methoden
Beispiel aus der Verhaltensphysiologie:
Orientierung der Wüstenameise Cataglyphis bicolor (R. Wehner)
Frage: Wie findet sie nach einem Suchlauf (Futtersuche) ihr Nest in Umgebung, die arm an Landmarken ist? Der Rücklauf erfolgt gerade in Richtung zum Nest. Hypothese: Es erfolgt eine Vektoraddition der einzelnen Strecken. Die Richtungen werden in Bezug zur Sonne bestimmt, wie die Längen gemessen werden ist unklar. Pilotieren als einfache Form der Navigation.
Die Richtung der Sonne kann aus dem Polarisationsmuster des blauen Himmels bestimmt werden (bei Ameisen und Bienen genauer analysiert).
Beim Vogelzug wird der Zeitpunkt des Zuges wird durch den circannualen Rhythmus (Jahresrhythmus) vorgegeben. In Frühjahr und Herbst zeigen viele Zugvögel eine nächtliche Zugunruhe. Bei Staren und anderen Zugvögeln ist die Zugunruhe orientiert, d.h. die Vögel bevorzugen die Himmelsrichtung des Ziels.
Die Himmelsrichtung wird mit Hilfe dreier
Kompaßmechanismen eingehalten: Sonnenkompaß,
Sternenkompaß und Magnetkompaß, die jedoch nicht gleichzeitig
abgefragt werden.
Sonnenkompaßorientierung
Nachweis bei der Honigbiene von Karl v. Frisch (1950) und bei Staren von Gustav Kramer (1950).Stare lassen sich auf Himmelsrichtungen auch dressieren.
Stare verrechnen die Richtung zur Sonne mit der Inneren Uhr. (Verstellen der Inneren Uhr führt zu falschen Richtungen).
Die Grundlage der Inneren Uhr ist der Circadiane
Rhythmus, den es bei allen Organismen gibt.
Neuronale
Basis bei Vögeln ist die Epiphyse (Pinealorgan), bei Säugern der
Nucleus suprachiasmaticus. (Siehe Wehner/Gehring S. 476-478)
Neu: Der circadiane Rhythmus
wird bei Säugern über spezielle Nervenzellen in der Retina
(Ganglienzellen) an den natürlichen Tag/Nachtrhythmus angekoppelt.
Diese Zellen enthalten einen lichtempfindlichen Stoff, das Melanopsin. (Hattar, S. et al.
(2002) Melanopsin-containing retinal ganglion cells: architecture,
projections, and intrinsic phyotosensitivity. Science 295: 1065-1070).
Bei Insekten (Drosophila) wird die Innere Uhr über Cryptochrome
synchronisiert.
Sternenkompaß
Zugvögel, die nachts ziehen, orientieren sich am Sternenhimmel (Polarstern als Mittelpunkt der Rotation gelernt; die Innere Uhr ist hier nicht beteiligt).
Der Sternenkompaß wird am Magnetkompaß
geeicht und entwickelt sich während des ersten Sommers.
Magnetkompaß
Zugvögel und andere Tiere können
sich am Magnetfeld der Erde orientieren. Erster Nachweis an Rotkehlchen
von Wolfgang Wiltschko in Frankfurt. Nicht die Richtung der Feldlinien
ist entscheidend, sondern deren Inklination.
Als mögliche Mechanismen werden Magnetit
einerseits und andererseits Einflüsse auf den Spin von Elektronen in
den Augen der Vögel diskutiert. Neu:
Als möglicher Stoff, der vom Magnetfeld beeinflußt werden kann,
wird ein Cryptochrom diskutiert, das in bestimmten Nervenzellen
der Retina nachgewiesen wurde. (Mouritsen H. et al. (2004)
Cryptochromes and neuronal-activity markers colocalize in the retina of
migratory birds during magnetic orientation. Proceedings of the
National Academy of Sciences 101: 149294-14299)
Lit.: Bertold, P. (2000) Der Vogelzug. Wissenschaftliche Buchgesellschft
Einfache Orientierungsleistungen, wie:
positive und negative Phototaxis
positive und negative Geotaxis
Chemotaxis
Rheotaxis
Anemotaxis
können als Grundverhaltensweisen betrachtet werden und sind leicht zu quantifizieren.
Sie können auch dazu verwendet werden, um Sinnesleistungen zu untersuchen.