Hören I
 

Physikalischer Reiz ist der Schall: Periodische Molekülverdichtungen eines Mediums in Ausbreitungsrichtung (Longitudinalwelle).
Je nach Medium: Luft-, Flüssigkeits- oder Substratschall

Charakterisiert durch:
        Frequenz (Anzahl der Druckschwankungen pro Sekunde, gemessen in Hz).
        Schalldruck: P = Z · V (Pascal = N/m² = 10 dyn/cm²)
            mit: Z = Impedanz und V = Schallschnelle (Z = r · c Dichte des Mediums r mal Schallgeschwindigkeit c)
        Schallintensität: I = P · V
        Schalldruckpegel: dB = 20 log P1/P0 gemessen in Dezibel
            Db ist ein logarithmisches Relativmaß, das sich auf die mittlere menschliche Hörschwelle bei 100 Hz, festgelegt auf 20 Pa, bezieht.
            Zwischen 120 dB (Schmerzgrenze) und 0 dB liegen sechs logarithmische Einheiten.
        Schallgeschwindigkeit: c = Z/r
            In Luft: c ~ 343 m/s
            in Wasser: c ~ 1500 m/s
            in Holz: c ~ 3800 m/s

Die Schallschnelle oder Partikelgeschwindigkeit enthält auch Richtungsinformation (wird bei manchen Tieren ausgewertet).
Ohren können entweder Schallschnelleempfänger oder Schalldruckempfänger sein.

Das menschliche Ohr
reagiert auf Schalldruck und ist empfindlich für Luftschall.

Ohrmuschel (Pinna), Äußerer Gehörgang (Meatus), Trommelfell (Tympanon), Mittelohr mit Gehörknöchelchen (Malleus, Incus und Stapes), Innenohr (Cochlea).

Die Schwingungen des Trommelfells werden über die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboß und Steigbügel) auf das ovale Fenster des Innenohrs übertragen. Die Schwingungen müssen von Luft auf Flüssigkeit übertragen werden. Wegen des großen Impedanzunterschiedes (Z in Luft: ~ 40g/cm²s, Z in Wasser: ~ 148 000 g/cm²s) würde ohne die Wirkung der Gehörknöchelchen der größte Teil der Schallenergie an der Oberfläche der Flüssigkeit reflektiert werden.

Durch Verkleinerung der Fläche und durch die Hebelwirkung der Gehörknöchelchen erhöht sich der Druck auf das 22-fache. (POF = PT (AT/AOF )(LM/LI), mit A: Fläche des Trommelfells, bzw des ovalen Fensters, L: Länge des Hammers bzw. Amboß). Ohne die Hebelwirkung würde sich der Druck um das 17-fache erhöhen.

Die Schnecke des Innenohrs (Cochlea) ist (im Querschnitt) dreigeteilt: Scala vestibuli, Scala tympani (Perilymphe) und dazwischen: Scala media (Endolymphe).

Auf der Basilarmembran der Scala media sitzt das Corti'sche Organ mit den Sinneszellen.
Die Basilarmembran ist ~ 34 mm lang, sie ist an der Basis (am ovalen Fenster) 0,1 mm, am apikalen Ende 0,5 mm breit. Die Steifheit ist an der Basis am größten, die Elastizität ist am apikalen Ende am größten.

Die Haarsinneszellen reagieren auf Scherung ihrer Stereozilien in Richtung der längsten Zilien mit Depolarisation, auf Scherung in der entgegengesetzten Richtung mit Hyperpolarisation. Scherung entsteht bei Auslenkung der Basilarmembran.

Wie kommt es zur Auslenkung der Basilarmembran und wodurch entsteht das Unterscheidungsvermögen für Schallfrequenzen?

Hypothesen:

        1) Frequenztheorie oder Telefontheorie (Rutherford, 1886)
        Die Frequenzauflösung folgt dem einfachen Zeitmuster der Erregung. Die Basilarmembran schwingt überall mit der gleichen Frequenz wie der gehört Ton.
        Denkbar bei Frequenzen < 1000 Hz

        2) Ortstheorien
        Ein Ton einer bestimmten Frequenz wird an einem bestimmten Ort auf der Basilarmembran abgebildet und dies wird für die Bestimmung der Tonhöhe           ausgewertet.
         a) Resonanztheorien (v. Helmholtz 1862)
         Ausgeschlossen durch v. Bekesy: Die Fasern der Basilarmembran sind nicht gespannt.

         b) Wanderwellentheorie (v. Bekesy (1899-1972), Nobelpreis 1961)
         Auslenkung der Basilarmembran ist an bestimmten Orten maximal und hängt von der Frequenz ab. Hohe Frequenzen: nahe am ovalen Fenster;  niedere         Frequenzen: nahe am Helicotrema. Die Amplitude der Auslenkung ist minimal (~ 8 Angström- 40 nm), Nachweis durch Anwendung des Mössbauer-Effekts und durch Lasermethoden).
 

Tranduktion der Haarsinneszellen:

Abbiegen der Stereozilien öffnet K+-Kanäle (die Endolymphe der Scala media ist reich an K+-Ionen). Zilien einer Reihe sind mit den Zilien der dahinterliegenden Reihe über feine Fädchen verbunden. Zug an diesen Fädchen öffnet mechanisch den Ionenkanal. Die Spannung an den Fädchen kann durch Adaptationsmechanismen, an denen Actin und eine Art Myosin beteiligt sind, reguliert werden.

Äußere und innere Haarzellen:

Im Corti'schen Organ gibt es drei Reihen äußere Haarzellen und eine Reihe innere Haarzellen. Beide Haarzelltypen sind mit afferenten und efferenten Nervenendigungen synaptisch verbunden. 95% der afferenten Fasern ziehen zu den inneren Haarzellen, nur 5% zu den äußeren. Für die Frequenzunterscheidung sind somit die äußeren Haarzellen entscheidend. Die äußeren Haarzellen, die mit der Tektorialmembran in Verbindung stehen, verkürzen sich nach Reizung (um ca. 4%) aufgrund beweglicher Transmembran-Proteine mit sehr hoher Frequenz. Dies verstärkt die Auslenkung der Basilarmembran und führt zu vermutlich zu den ausgeprägten Tuningkurven der Hörnervenfasern, d.h. zu der starken Frequenzselektivität der inneren Haarzellen.

Auf der Basilarmembran sind die Best-Frequenzen der Nervenfasern logarithmisch abgebildet. Alle (9) Oktaven sind durch gleich lange Abschnitte auf der Basilarmembran (3,5 - 4 mm) repräsentiert.
 

Literatur:
Bekesy, G.v. (1960) Experiments in hearing. McGraw-Hill, New York
Gillespie, P.G. & Walker, R.G. (2001) Molecular basis of mechanosensory tranduction. Nature 413: 194-202
Nobili, R., Mammano, F., Ashmore, J. (1998) How well do we understand the cochlea? Trends in Neuroscience (TINS) 21: 159-167

Psychophysik der Hörwahrnehmung:
v. Campenhasuen. Die Sinne des Menschen