Hörorgane bei Wirbeltieren
Bei Fischen ist im wesentlichen der Sacculus für die Schalldetektion
verantwortlich, also ein Teil des Vestibularapparates. Die Scherung der
Stereozilien erfolgt aufgrund der trägen Masse des Otolithen.
Bei den Ostariophysi (Karpfenfische und Welse) werden Schwingungen
von der Schwimmblase auf die Weber'schen Knöchelchen und von dort
auf das Innenohr übertragen. Frequenzunterscheidung bis maximal 5
kHz möglich. Detektion der Schallrichtung möglich, vermutlich
durch Richtungsselektivität der Haarzellen.
Bei Amphibien gibt es zwei Felder mit Haarzellen im Innenohr:
Papilla amphibiorum (110 Hz - 2000Hz, tonotop), und
Papilla basilaris (900 - 4000 Hz, nicht tonotop).
Bei Reptilien und Vögeln nur Papilla basilaris.
Bei Vögeln mit über 16 000 Haarzellen (bei Säugern etwa
ebenso viele). Haarzellen zum Teil mit Tektorialmembran überdeckt.
Basis der Papille steif, apikales Ende elastisch; Wanderwelle.
Frequenzbereich: 10 Hz bis 12 kHz. Bei Tauben Infraschall (<1Hz).
Hörbahn der Säuger
Cochlea,
Nucleus cochlearis dorsalis, Nucleus cochlearis ventralis; Oliva superior,
Lemniscus lateralis (alle Hirnstamm); Colliculus inferior (Mittelhirn);
Corpus Geniculatum mediale (Thalamus, Zwischenhirn); Hörrinde (Telencephalon).
Tonotopie in allen Kernen.
Richtungshören
Kommt der Schall von der Seite, dann treffen die Schallwellen an den
beiden Ohren zu etwas unterschiedlichen Zeiten ein. Die Reizzeitdifferenz
Delta T wird für die Lokalisation der Schallrichtung ausgewertet.
Experimente mit Kopfhörern, über die den beiden Ohren getrennt
ein Schallreiz geboten werden kann, sowie Klopfexperimente an einem Gummischlauch,
dessen Enden in den beiden Ohren stecken, zeigen, daß Zeitdifferenzen
von 30 mikrosec noch als von der Seite kommend interpretiert werden
(Dauer des Aktionspotentials: 1-2 msec !). Für diese Leistung
wird eine sog. Koinzidenzschaltung postuliert, bei der Nervenzellen Signale
aus beiden Ohren erhalten und nur dann reagieren, wenn diese Signale gleichzeitig
eintreffen. Durch die Laufzeitdifferenzen der Fasern wird gewährleistet,
daß benachbarte Nervenzellen ganz unterschiedliche Zeitdifferenzen
repräsentieren. Solche Nervenzellen wurden beim Menschen bereits in
der Oberen Olive im Hirnstamm gefunden
Auch der Intensitätsunterschied Delta I und der Phasenunterschied
Delta Phi werden ausgewertet.
Besonders gut ausgebildet ist das Richtungshören bei der Schleiereule (Tyto alba). Sie sind in der Lage, einen Schall nicht nur in der horizontalen Ebene genau zu lokalisieren, sondern auch in der vertikalen. Hierzu werten sie sowohl die Zeitdifferenz als auch die Intensitätsdifferenz des auf die beiden Ohren auftreffenden Schalls aus. Die Intensitätsdifferenz gibt Information über die Vertikale, dadurch, daß der Gehörgang durch die Eigenschaften der Federn der Gesichtsmaske beim rechten Ohr nach oben, beim linken Ohr nach unten gerichtet ist. Das linke Ohr ist somit empfindlicher für Laute von unten, das rechte für Laute von oben.
In den ersten Kernen des Stammhirns werden die Zeitdifferenz (im Nucleus
magnocellularis) und die Intensitätsdifferenz (im Nucleus angularis)
aus beiden Ohren getrennt verarbeitet. Im Nucleus laminaris gibt des Nervenzellen,
die auf Zeitdifferenzen ansprechen, im Nucleus lemniscus solche, die auf
Intensitätsdifferenzen reagieren. Im Mittelhirn liegen Nervenzellen,
deren rezeptive Felder eine bestimmte Stelle im Raum repräsentieren.
Dieses Areal des Gehirns stellt eine "Karte" des umgebenden Raumes dar
("computational map", da die Rauminformation nicht durch die Anordnung
der Sinneszellen vorgegeben ist, sondern aus Delta T und Delta I "berechnet"
werden muß).
Literatur:
Campenhausen, C. v. (1993) Die Sinne des Menschen
Heldmaier, Neuweiler; Dudel, Menzel, Schmidt
Schleiereule:
Knudsen, E.I. (1981) The hearing of the barn owl. Scientific Amer.,
December 1981
Konishi, M. (1993) Listening with two ears. Scientific Amer. April
1993