Komplexaugen

(bei Insekten und Crustaceen) lassen sich einteilen in zwei Typen: Appositionsaugen und Superpositionsaugen.
 

1. Appositionsaugen (z.B. bei Hymenopteren, Libellen, Heuschrecken, Tagschmetterlingen)

Jedes Einzelommatidium ist optisch von den Nachbar-Ommatidien durch Pigmentzellen getrennt.
Es enthält 8-9 Retinula-Zellen. Die Photopigmente (Rhodopsine) sind in den Mikrovilli des Rhabdomers eingelagert. Die Mikrovilli-Säume (Rhabdomere) stoßen in der Mitte des Ommatidiums aneinander und bilden das Rhabdom, das wegen seines höheren Brechungsindex wie ein Lichtleiter wirkt. Pigmentgranulae in den Retinulazellen wandern je nach Lichteinfall und haben Pupillenfunktion.

Räumliches Auflösungsvermögen:
Komplexaugen sind wegen des kleinen Durchmessers von Cornea und Kristallkegel beugungslimitiert und das Auflösungsvermögen wird im wesentlichen durch den Winkel zwischen zwei benachbarten Ommatidienachsen bestimmt. Dieser beträgt in der Regel 1-2 ° Sehwinkel.
    Während sich beim Linsenauge das räumliche Auflösungsvermögen durch Vergrößerung des Augendurchmessers steigern läßt, ist dies beim Komplexauge kaum möglich. Nach Kirschfeld würde ein Komplexauge mit dem hohen Auflösungsvermögen des menschlichen Auges (bedingt durch den Winkel-Abstand zwischen benachbarten Zapfen von 0,5' und der Brennweite der Linse von ca. 20 mm) einen Augendurchmesser von ca. 20 m erfordern!

Spektrale Empfindlichkeit:
Bei Bienen besitzt jedes Ommatidium drei spektrale Typen von Photorezeptoren mit einem Empfindlichkeitsmaximum von 340, 440 und 530 nm.
Tagschmetterlinge haben zusätzlich "Violett"- und "Rot"rezeptoren (400 bzw. 600 nm maximale Empf.).

Optische Ganglien:
Lamina, Medulla, Lobula, Lobula-Platte
Die Axone der Retinulazellen ziehen in die Lamina bzw. In die Medulla(UV-Retinulazellen) und werden dort auf große Interneurone "verschaltet" (z.B. Lamina-Monopolarzellen).
In der Lobula-Platte liegen große Richtungs-selektive Neurone, die für die Detektion von Ganzfeld-Bewegungen verantwortlich sind.

Detektion von polarisiertem Himmelslicht:
Dient der Sonnenkompaß-Orientierung von Bienen und Ameisen (vielleicht auch bei manchen Käfern).
Voraussetzung für die Polarisationsempfindlichkeit ist die Ausrichtung der Mikrovilli der Retinulazellen. Die UV-Rezeptoren des dorsalen Randbereichs der Augen sind für das Polarisationssehen verantwortlich. Die Retinulazellen aller anderen Ommatidien sind über die Länge der Ommatidien (ca. 100 ) vertwistet und damit ist die Polarisationsempfindlichkeit aufgehoben.
 

2. Neurale Superpositionsaugen

bei Dipteren. Hier ist das Rhabdom "offen", d.h. die Rhabdomere der Retinulazellen eines Ommatidiums sind getrennt und haben leicht divergierende Achsen. Je eine Retinulazelle aus 7 benachbarten Ommatidien ist auf denselben Punkt des Gesichtsfeldes gerichtet. Deren Axone werden auf dieselbe "Cartridge" (entspricht einer funktionellen Einheit bestehend aus axonalen Endigungen der Retinulazellen und Interneuronen) in der Lamina "geschaltet". Dadurch ergibt sich eine erhöhte absolute Empfindlichkeit (wie im "normalen" Superpositionsauge, in dem viele Ommatidien zum selben Bildpunkt beitragen).
 

3. Superpositionsaugen

bei z.B. Käfern und Nachtschmetterlingen
Während beim Appositionsauge Cornea und Kristallkegel jedes einzelnen Ommatidiums ein umgekehrtes Bild eines Gegenstandes (auf der Spitze des Rhabdoms) entwerfen, entsteht im Superpositionsauge ein einziges, aufrechtes Bild. Dies wird durch die "klare Zone" des Superpositionsauges ermöglicht, die optischen Apparat und Photorezeptoren räumlich trennt. Durch Wanderung von Pigmentzellen können die einzelnen Ommatidien bei Tageslicht jedoch auch voneinander getrennt werden. Für das aufrechte Bild sind besondere Eigenschaften der Kristallkegel verantwortlich, die bereits von Sigmund Exner (1891) erkannt wurden. Sie wirken aufgrund des Gradienten der Brechungsindices wie Doppellinsen. Die Gradienten wurden 1960 von P. Kunze mit Hilfe des Interferenzmikroskops nachgewiesen.
 

4. Spiegelaugen

Alle dekapoden Krebse haben ebenfalls Superpositionsaugen. Die Abbildung wird hier jedoch nicht durch Linsen erreicht, sondern durch Spiegelung an den vier senkrecht aufeinanderstehenden Flächen des äußeren Bereichs der Ommatidien.
Das Prinzip wurde von Klaus Vogt 1980 entdeckt und hat inzwischen technische Anwendung bei der Bündelung von Röntgenstrahlen in Röntgenteleskopen gefunden.
 

Literatur:
Land, M.F. & Nilsson, D.-E. (2002) Animal eyes. Oxford University Press
Kirschfeld, K. (1976) The resolution of lens and compound eyes. In: Neural principles in vision (F. Zettler & R. Weiler eds. ) Springer Verlag, Berlin
Helversen, O. von & Edrich, W. (1974) Der Polarisationsempfänger im Bienenauge: ein Ultraviolettrezeptor. J. Comp. Physiol. 94: 33-47
Frisch, K. von (1965) Tanzsprache und Orientierung der Bienen. Springer Verlag
Rossel, S. (1989) Polarization sensitivity in compound eyes. In: Facets of Vision (D. Stavenga & R.C. Hardie, eds). Springer Verlag
Vogt, K. (1980) Die Spiegeloptik des Flußkrebsauges. J. Comp. Physiol. 135: 1-19