Riechen bei Wirbeltieren
Primäre Sinneszellen, Axone ziehen direkt ins Gehirn (Bulbus olfactorius).
Der Bulbus olfactorius weist Glomerulus-Struktur auf (keine Schichten wie
in anderen Teilen des Gehirns!).
Zilien, die auf der dendritischen Endigung sitzen, reichen in Schleimschicht
und stehen dort über Rezeptormoleküle in Kontakt mit der Umgebung.
Das Riechepithel hat beim Menschen eine Fläche von 2-4 cm², beim
Hund 18 cm².
Der Prozess der Transduktion ist ähnlich wie bei den Sehzellen,
die Rezeptormoleküle sind mit dem Rhodopsin verwandt (7 Transmembran-Helices).
Im Säuger-Genom gibt es 1000 Gene, die für die Rezeptormoleküle
codieren. Beim Menschen werden nur etwa 300 exprimiert. Drei der 7 Helices
weisen eine hohe Variabilität auf.
Die Transduktion erfolgt über second messenger (cAMP und Inositol-Triphosphat),
die Na+ -Ionenkanäle öffnen, und ist am besten von allen Sinnesystemen
aufgeklärt.
Jede Riechsinneszelle exprimiert nur ein Rezeptormolekül. Wie Experimente mit transgenen Mäusen zeigen, bei denen eines der Rezeptor- Gene mit dem Gen für einen Farbstoff markiert wurde, ziehen die Axone eines bestimmten Riechzelltyps zu einem bestimmten Glomerulus im Bulbus olfactorius. Die Anzahl der Glomeruli entspricht ungefähr der Anzahl der Gene. Beim Kaninchen gibt es 2000 Glomeruli, zu denen 25 000 Axone der Sinneszellen ziehen. Je Glomerulus ziehen 25 Axone von Mitralzellen zum olfaktorischen Cortex und anderen Gehirngebieten.
Hochgradige Konvergenz und Signalverstärkung pro Glomerulus: 25000
: 25 = 1000 : 1.
Insgesamt Zahl der Sinneszellen: 6-10 Millionen, Zahl der Mitralzellen:
50000.
Zahl der unterscheidbaren Gerüche: ~10 000.
Das Riechepithel ist lokal gegliedert, d.h. bestimmte Riechsinneszellen kommen nur in bestimmten Bereichen vor.
Riechsinneszellen haben eine begrenzte Lebendauer (ca. 14 Tage), sie
werden von Basalzellen (neuronalen Stammzellen, die im Riechepthel liegen)
ersetzt, die sich ausdifferenzieren. Interessante Frage: Wie finden deren
Axone den richtigen Glomerulus?
Vomeronasales Organ oder Jacobson'sches Organ oder Akzessorisches
Olfaktorisches System: öffnet sich in die Nasenhöhle bei
Monotremata und Marsupialiern oder in die Mundhöhle bei Insectivoren,
Carnivoren, Ungulaten, und bei Schlangen.
Bei Säugetieren dient das AOS vermutlich der Detektion von Pheromonen.
Erkennung des MHC-Komplexes?
Literatur:
Firestein, S. (2001) How the olfactory system makes sense of scents.
Nature 413: 211-218
Axel, R. (1995) The molecular logic of smell. Scientific Amer.,
October 1995
Sheperd, G.M. (1988) Neurobiology. Oxford University Press (es gibt
auch eine deutsche Version)
Riechen bei Insekten
Glomeruli kommen auch im Antennal-Lobus von Insekten vor. Dies zeigt,
daß diese Struktur für die Verarbeitung von Riech-Information
von allgemeiner Bedeutung ist.
Besonders gut untersucht ist das Riechen beim Seidenspinner und bei
der Biene.
Männliche Bombyx mori haben riesige Antennen, die wie ein
molekulares Sieb wirken, mit dem sie die Pheromone (Sexuallockstoffe) der
Weibchen einfangen. Klassische Experimente von D. Schneider und K.-E. Kaissling
(Seewiesen).
Absolute Empfindlichkeit einer Sinneszelle: 1 Molekül Bombykol.
Verhaltensreaktion der Männchen bei ca. 170 Molekülen pro Antenne.
Nachtschmetterlingsmännchen finden die Weibchen mit Hilfe von
Anemotaxis (fliegen gegen die Windrichtung) und reagieren auf kurze Duftpulse.
Die Unterscheidung von Blumen-Düften ist bei der Honigbiene besonders gut untersucht. Neuerdings kann die Aktivität einzelner Glomeruli mit Hilfe eines Calzium-empfindlichen Farbstoffs sichtbar gemacht werden (Calcium imaging). Damit läßt sich das Muster aktivierter Glomeruli auf einen bestimmten Duftreiz hin darstellen. Inhibitorische Wechselwirkungen führen zu stärkerem Kontrast der Aktivitätsmuster.
Literatur:
Kaissling, K.-E. & Priesner, E. (1970) Die Riechschwelle des
Seidenspinners. Naturwissenschaften 57: 23-28
Varesci, E. (1971) Duftunterscheidung bei der Honigbiene - Einzelzellableitungen
und Verhaltensreaktionen. Z. Vergl. Physiol. 75: 143-173
Sachse, S. & Galizia, C.C. (2003) Duftverarbeitung im Antennallobus
der Honigbiene Apis mellifera. Neuroforum 2003/02
Galizia, C. G. & Kimmerle, B. (2004) Physiological and morphological
characterization of honeybee olfactory neurons combining electrophysiology,
calcium imaging and confocal microscopy. J. Comp. Physiol. 190: 21-38