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Experimental Psychologie

 

PD Dr. Daniel Oberfeld-Twistel


Die Bedeutung der Farbgestaltung von Räumen für ihre wahrgenommene Größe

 






 
Wenn Sie schon Sie einmal umgezogen sind, wissen Sie wahrscheinlich, wie schwierig es ist, die richtige Farbe für die neuen vier Wände zu finden.
Wir haben untersucht, wie ein Raum gestrichen werden sollte, damit er höher erscheint. Architekturexperten verweisen hierbei gerne auf eine Faustregel: “Wenn Ihre Decken niedrig sind, streichen Sie sie ein oder zwei Töne heller als die Wände, damit sie höher aussehen”. Es wird also angenommen, dass der Helligkeitskontrast zwischen Decke und Wänden für die veränderte Höhenwahrnehmung verantwortlich ist.

Erstaunlicherweise wurden diese Annahmen jedoch nie in einem kontrollierten Experiment überprüft. Wir haben deshalb zwei Wahrnehmungsexperimente durchgeführt, um mehr über die Wirkung von Deckenhelligkeit, Wandhelligkeit und Bodenhelligkeit auf die wahrgenommene Raumhöhe zu erfahren.
  • Unsere Ergebnisse bestätigten die Annahme, dass eine helle Decke Räume höher erscheinen lässt.
  • Jedoch fanden wir keine Hinweise darauf, dass hierfür der Kontrast zwischen Decke und Wänden wichtig ist.
  • Im Gegenteil, die Experimente zeigten, dass helle Wände ebenfalls die wahrgenommene Raumhöhe erhöhen.
Dieser Effekt fand bisher bei Architekturexperten keine Beachtung.

Alles in allem weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Richtlinien für die Farbwahl bei niedrigen Decken erweitert werden müssen. Eine unseren Ergebnissen entsprechende Faustregel könnte wie folgt lauten:
  • “Wenn Ihr Raum höher scheinen soll, streichen Sie sowohl Decke als auch Wände in einer hellen Farbe. Die Bodenfarbe können Sie frei wählen, da diese keinen Einfluss auf die Raumhöhe hat!”
Unsere Studie wurde im Quarterly Journal of Experimental Psychology veröffentlicht:

Oberfeld, Daniel , Hecht, Heiko and Gamer, Matthias (2010). Surface lightness influences perceived room height, The Quarterly Journal of Experimental Psychology, Zuerst veröffentlicht am: 16 April 2010 (iFirst)
 [Abstract] [PDF]

[Link zur Pressemeldung]

Experiment 1
Wir präsentierten unseren Probanden dreidimensionale virtuelle Räume (virtuelle Realität, VR). Die Räume variierten in Deckenhöhe und Oberflächenhelligkeit.
Zu diesem Zweck wurde ein länglicher virtueller Raum entworfen, mit einer konstanten Tiefe von 6,0 m und einer Breite von 4,5 m. Die Deckenhöhe variierte zwischen 2,9 und 3,1. Dieser Raum wurde auf einer großen Projektionswand dargeboten (2,6 m Breite, 1,93 m Höhe). Die stereoskopische Darbeitung erlaubte 3D-Sehen, so dass der Raum realistisch wirkte.
Decke und Boden des Raums waren immer jeweils gleich hell: entweder dunkel, mittel oder hell. Im ersten Experiment veränderten wir die Helligkeit von Decke und Boden übereinstimmend, um einen möglichst hohen Kontrast zwischen "vertikaler” Oberflächenhelligkeit (Boden und Decke) und “horizontaler” Oberflächenhelligkeit (Wände) zu erzeugen. Die Helligkeit der Wände wurde unabhängig variiert (dunkel, mittel und hell).
Die Grafik zeigt einen Raum mit dunklen Wänden und hellem Boden/Decke auf der Projektionswand im VR Labor sowie  die Kinnstütze, von der aus die Teilnehmer die Räume betrachteten.

Aufbau VR Labor

Jeder Teilnehmer sah jeden der verschiedenen Räume in einer zufälligen Reihenfolge und schätzte in jedem Durchgang die Höhe der Räume ein.

Ergebnisse
  • Die geschätzte Höhe der Decken nahm mit wachsender tatsächlicher Höhe zu. Die Probanden schätzen also wirklich die Raumhöhe.
  • Außerdem fanden wir den erwarteten Effekt der Deckenhelligkeit: Räume wurden dann höher eingeschätzt, wenn Decke und Boden hell waren anstatt dunkel oder mittelhell.
           Effekt der Deckenhelligkeit auf die wahrgenommene Höhe
  • Erstaunlicherweise nahm die wahrgenommene Höhe auch mit der Wandhelligkeit zu.  

Effekt der Wandhelligkeit

Wir fanden aber keine Hinweise darauf, dass der Helligkeitskontrast zwischen Wänden und Decke eine Rolle spielte. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte ein Raum mit mittelheller Decke / Boden und dunklen Wänden höher erscheinen sollen, als ein Raum mit mittelheller Decke / Boden und hellen Wänden, da bei ersterem der Kontrast stärker gewesen wäre. Unsere Ergebnisse zeigten keinen solchen Effekt, sie weisen vielmehr auf einen additiven Effekt von Wandhelligkeit und Deckenhelligkeit hin. 

Das bedeutet, dass die wahrgenommene Höhe eines Raumes nicht nur durch die Helligkeit der Decke, sondern auch durch die Helligkeit der Wände beeinflusst wird!

Experiment 2
Im zweiten Experiment wollten wir herausfinden, ob der in Experiment 1 gefundene Effekt von der Deckenhelligkeit, der Bodenhelligkeit oder einer Kombination von beiden herrührte. Im ersten Experiment waren beide immer gleich hell gewesen, in Experiment 2 veränderten wir ihre Helligkeit nun unabhängig voneinander.

Wir erwarteten, dass die Deckenhelligkeit einen größeren Einfluss haben würde auf die Höhenschätzung als die Bodenhelligkeit.

Durch die unabhängige Manipulation von Boden- und Deckenhelligkeit wollten wir außerdem untersuchen, ob es vielleicht eher die Gesamthelligkeit eines Raumes ist, die seine gefühlte Höhe bestimmt. Wenn die Gesamthelligkeit der kritische Faktor wäre, müsste eine helle Decke kombiniert mit einem dunklen Boden die gleiche Höhenschätzung hervorrufen wie eine dunkle Decke kombiniert mit einem hellen Boden, da in beiden Fällen die Gesamthelligkeit dieselbe wäre.

Der Versuchsaufbau war ähnlich wie in Experiment 1. Die wirkliche Höhe des Raumes wurde auf drei Ebenen variiert (2.9, 3.0, oder 3.1 m). Auch die Deckenhelligkeit hatte wieder drei Variationen: dunkel, mittel oder hell. Die Bodenhelligkeit wurde unabhängig, aber mit den gleichen Stufen variiert. Die Wandhelligkeit war konstant (mittelhell).
 
Ergebnisse
Wieder fanden wir einen signifikanten Effekt der physikalischen Raumhöhe, die Probanden waren also in der Lage, die Raumhöhe einzuschätzen.

Genau wie in Experiment 1 erschienen auch diesmal die Räume höher, die eine helle Decke hatten, anstatt einer mittelhellen.

Effekt der Deckenhellighkeit Exp. 2

Der dunkle Boden hatte leicht höhere Raumschätzungen zur Folge als der helle Boden, dieser Effekt war aber nicht statistisch signifikant.

Es ist also die Deckenhelligkeit, die vor allem die wahrgenommene Raumhöhe bestimmt, während die Bodenhelligkeit keinen Einfluss hat.

Können diese Ergebnisse mit der Gesamthelligkeitshypothese erklärt werden? Hier muss man sich in Erinnerung rufen, dass nach dieser Hypothese dieselbe Kombination von Decken- und Bodenhelligkeit (z.B. eine helle und eine dunkle Oberfläche) je zu identischen Höhenschätzungen führen müssten – unabhängig davon, ob der Boden oder die Decke heller ist. Unsere Ergebnisse sprechen klar gegen die Gesamthelligkeitshypothese. Im war Mittel die geschätzte Raumhöhe höher, wenn die Decke (in der Grafik die Punkte mit hellerer oberer Hälfte) heller war, als wenn der der Boden (Punkte mit hellerer unterer Hälfte) heller war, wie die folgende Grafik zeigt.

Einfluss der Position der helleren Fläche

Diskussion
Unsere Experimente haben gezeigt, dass mit zunehmender Deckenhelligkeit auch die wahrgenommene Raumhöhe steigt. Dies bestätigt eine der Expertenannahmen. Allerdings fanden wir auch zwei Ergebnisse, die die Experten nicht vorhergesagt hatten.

  • Erstens schienen Räume ebenfalls höher, wenn die Wände heller waren.
  • Zweitens waren die Wirkungen von Decken- und Wandhelligkeit additiv.

Dies widerspricht der These, dass der Helligkeitskontrast zwischen Wänden und Decke für die veränderte Höhenwahrnehmung verantwortlich ist.

Was könnten die Ursachen für diese Effekte sein?

Eine direkte Erklärung könnte sein, dass ein Beobachter die Höhe eines Objektes immer mittels der Distanz zu seiner Augenhöhe misst, und helle Decken als weiter entfernt wahrnimmt. Erstaunlicherweise ist diese Idee jedoch nicht kompatibel mit den etablierten und üblichen Befunden hinsichtlich Effekten von Helligkeit und Helligkeitskontrast auf Tiefenwahrnehmung und Distanzschätzung. Es ist seit langem bekannt, dass helle Objekte näher erschienen als dunkle Objekte mit dem gleichen Sehwinke. Dies widerspricht unseren Ergebnissen. Also kann der Einfluss von wahrgenommener Deckenhöhe nicht im Rahmen der These erklärt werden, dass Helligkeit zu einer Unterschätzung der Distanz führt. Es scheint, als ob die Wahrnehmung von Innenräumen eigenen Regeln folgt, anderen als die Entfernungsschätzung von kleinen, isolierten Objekten vor einem gleichmäßigen Hintergrund.

Es bedarf weiterer Experimente, um die genauen psychologischen Mechanismen zu identifizieren, die dem Effekt von Oberflächenhelligkeit auf die Wahrnehmung der Raumhöhe zugrunde liegen.

Außerdem bleibt zu untersuchen, ob andere Farbdimensionen wie der Farbton einen zusätzlichen Effekt auf die Höhenwahrnehmung haben. Zukünftige Experimente werden außerdem zeigen, ob vielleicht nicht nur die wahrgenommene Höhe eines Raumes von Deckenhelligkeit beeinflusst wird, sondern auch seine Breite und Geräumigkeit.

Medienberichte
Einige ausgewählte Medienberichte über unsere Studie:
  • "Prägendes Gefühl". NZZ am Sonntag vom 27.06.2010
  • "Schlauer wohnen". FAZ vom 6.7.2010 [Link zum Artikel] 
  • "Raum wirkt höher durch helle Wand", Berliner Morgenpost, 21.8.2010 [Link zum Artikel]
  • "Hell macht hoch". Psychologie Heute, 1.7.2010 [Link zum Artikel] 
  • "Deckenfarbe und Raumhöhe - Praktikertipps aus dem Psychologielabor". BDP Newsletter Juli 2010  [Link zum Artikel] 
  • "Experimentelle Psychologie unterscuht Raumwahrnehmung". Der Bausachverständige, 2010, 6(4), S. 7
  • "Studie: Einfluss der Raumfarbe auf die wahrgenommene Raumgröße", DIN Bauportal [Link zum Artikel]
  • "Wohne lieber ungewöhnlich". Gehirn und Geist 4/2008, 16-21 [Link zum Artikel]
 

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