Es
ist weithin bekannt, dass die Farbe eines Getränkes seinen
Geschmack
beeinflusst. Dieser Einfluss reicht so weit, dass selbst Experten bei
einem weißen Wein, der mit geschmackloser roter
Lebensmittelfarbe
eingefärbt wurde, Rotweinaromen zu erkennen glauben
(Morrot, Brochet, & Dubourdieu, 2001, Brain and Language).
Wie aber sieht es mit dem Umfeld aus, in dem man
Lebensmittel konsumiert? Spielt die Beleuchtung eines Restaurants eine
Rolle dabei, ob seine Küche gelobt wird oder nicht?
Diese Frage haben wir anhand von Wein untersucht, in
Kooperation mit dem Weingut
Fritz Allendorf, Oestrich-Winkel.
Die Ergebnisse wurden im Journal of Sensory Studies
veröffentlicht:
Oberfeld, D.,
Hecht, H., Allendorf, U., & Wickelmaier, F. (2009).
Ambient lighting modifies the flavor of wine.
Journal of
Sensory Studies, 24(6), 797-832. [PDF] [Abstract]
Einen kompakten Überblick
über die Ergebnisse erhalten Sie in folgendem Artikel:
Oberfeld, D.,
Baldauf, F., & Hecht, H. (2010). Hinters Licht
geführt. Die Umgebungsfarbe verändert den Geschmack
von Wein. labor&more,
1/2010, 42-45. [PDF]
Möchten
Sie
Näheres erfahren? Hier eine Zusammenfassung
unserer
wichtigsten Ergebnisse.
Experiment 1:
Verkostung unter farbigem Umgebungslicht auf dem Weingut
Um
einen Einfluss der Farbe des Umgebungslichts auf die Farbe des
Getränks
zu verhindern, wurde der Testwein, ein trockener Weißwein
(Riesling),
in schwarzen
Gläsern serviert. In solchen Gläsern
ist
die Farbe des
Getränks nicht zu erkennen.
Das Experiment wurde mit Besuchern des
Weinguts Allendorf durchgeführt. Jeder Proband bekam den Wein
in nur
einer Umgebungsfarbe ( blau,
rot,
weiß oder grün)
präsentiert
(between-subjects design).
In einem Fragebogen wurde er dann gebeten, verschiedene Fragen
über den Geschmack des Weines zu beantworten:
- Das
Aroma bewerten hinsichtlich Fruchtigkeit, Säure,
Würzigkeit, Süße,
Bitterkeit; jeweils auf einer Skala von 1 (niedrig) bis 10
(sehr hoch)
- Die Intensität des Aromas
und
dessen Stabilität einschätzen
- Den
Gesamteindruck einschätzen ("Ich mag dieses
Getränk gar nicht
… sehr
gerne")
- Angabe des maximalen Betrags in Euro,
den der Proband für den verkosteten Wein ausgeben
würde
Ergebnisse
- Es
gab einen statistisch signifikanten Effekt der Lichtfarbe auf die
Gesamtbewertung des Weins: bei rotem
und blauem
Licht gaben
die Teilnehmer an, den Wein
lieber zu mögen als bei grünem
und weißem
Licht.
- Die
Teilnehmer waren bereit, über
einen Euro mehr für
eine Flasche des
Rieslings zu bezahlen, wenn er im roten
statt im grünen
Licht
dargeboten wurde!
Entgegen unserer Erwartungen
hatte das
Licht allerdings keinen Einfluss auf die Aromabewertung, und auch nicht
auf Geschmacksintensität und –stabilität.
Das Umgebungslicht hatte
also eher einen Einfluss auf die Gesamtbeurteilung als auf
einzelne
Geschmackskomponenten. Um dieses überraschende Ergebnis
näher zu
untersuchen, führten wir ein nächstes Experiment mit
einigen
Veränderungen durch.
Experiment
2
Laborexperiment
mit Verkostung unter mehreren Farben des Umgebungslichts
In
Experiment 2 kostete jeder Teilnehmende den Wein in allen vier
Umgebungsfarben (within-subjects design). Diese Methodik sollte
Unterschiede im Aroma und Geschmack je nach Lichtfarbe direkter
wahrnehmbar machen.
Außerdem wollten wir prüfen, ob der Wein
vielleicht genau dann positiver beurteilt wird, wenn die Lichtfarbe
einen positiven oder angenehmen emotionalen Zustand hervorruft. Deshalb
bewerteten die Teilnehmer mithilfe von Smileys
(„self-assessment
manikin scales“) bei jeder Lichtfarbe ihren momentanen
Gefühlszustand.
Ergebnisse
Die Umgebungsfarbe
hatte diesmal einen eindeutigen
Einfluss auf den
Geschmack im Sinne der wahrgenommenen Aromen des Weins.
- In blauem
und grünem
Licht
wurde
der Wein
als würziger empfunden als in weißem Licht
- Das blaue
Licht ließ den Wein
bitterer erscheinen.
Überraschenderweise wurde diesmal die Gesamtbewertung nicht
statistisch signifikant von der Umgebungsfarbe beeinflusst.
Trotzdem
schätzten nur 19 % der Probanden korrekt, dass sie im Laufe
des
Experiments nur 2 Weine gekostet hatten, 56 % glaubten, es
wären mehr
als 2 gewesen.
Die Probanden bewerteten (wie in vielen früheren Studien)
blaues
Licht als am angenehmsten, gefolgt
von
rotem,
dann grünem
und
schließlich weißem
Licht.
Es gab jedoch keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der emotionalen
Bewertung des Lichts und dem Geschmacksurteil.
Experiment
3:
Direkter Vergleich zwischen zwei bei unterschiedlichem Licht
verkosteten Weinen
Ziel
von Experiment 3 war es, eine noch genauere Methode zu benutzen, um
auch kleine Beeinflussungen des Geschmacks durch die Umgebungsfarbe zu
erfassen.
Die Aufgabe war diesmal einfacher: jeder Proband
kostete hintereinander zwei Gläser des gleichen Weines,
jeweils unter
einer
anderen
Lichtfarbe, und gab dann an, welcher Wein ihm besser,
süßer bzw.
fruchtiger geschmeckt hatte. Aus diesen Daten wurde z.B. die
wahrgenommene Süße des Weins unter den verschiedenen
Lichtfarben mittels eines speziellen statistischen Verfahrens
geschätzt.
Es zeigte sich, dass ein und derselbe Wein unter rotem Licht ca. 50% süßer
schmeckte als unter weißem oder blauem
Licht.
Ebenso war bei rotem
Licht die wahrgenommene Fruchtigkeit am
höchsten.
Die Gesamtbewertung (Welcher Wein schmeckt besser?) wurde nicht von der
Umgebungsfarbe beeinflusst.
Fazit
Die Farbe des
Umgebungslichts hat also einen Einfluss auf den Geschmack von Wein,
selbst wenn die Farbe des Getränks selbst durch das Licht
nicht verändert wird. Unsere Ergebnisse zeigen, dass
der Kontext einen stärken Einfluss auf die
Geschmackswahrnehmung hat, als teilweise angenommen wird. Diese Befunde
können auch für die architektonische Gestaltung von
Restaurants oder Vinotheken bedeutsam sein.
Bleibt noch die
Frage nach der Ursache
der Effekte.
Die
einfache Hypothese, dass bei angenehm empfundenem Licht auch der Wein
angenehmer schmeckt konnte in Experiment 2 nicht bestätigt
werden.
Die durch das Licht ausgelösten Emotionen scheinen also nicht
die Ursache der Effekte zu sein.
Möglich
wäre auch, dass die Farben Einfluss nehmen auf Kognitionen,
uns z.B.
aufmerksamer oder ansprechbarer für einen bestimmten Geschmack
machen. Ebenfalls könnten Assoziationen eine Rolle spielen,
z.B. "grün
= unreif".
Das herauszufinden, wird Aufgabe nachfolgender Experimente sein!
Unsere
Studie in den Medien
Verschiedene Medien haben über unsere Studie berichtet.
- Fernsehbeiträge
- Radiobeiträge
- Werners Weinwelt, SWR4, 5.12.2009
- Zeitungsberichte
- Unsere Ergebnisse wurden in vielen nationalen und internationalen
Magazinen erwähnt, hier nur einige Beispiele:
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