Die Arme ausbreitend, eilte sie ihm entgegen. Remusat sprang vom Pferde und zog sie an sich. "Mein Kind, meine Tochter!" Er kuesste sie mit vaeterlicher Zaertlichkeit und begruesste dann Omar, welcher mittlerweile Katombo die Hand geboten hatte. Der Letztere liess das Kameel, welches den Tachterwahn trug, niederknien. Ayescha stieg aus. Jetzt verdoppelte sich der Jubel. Das ganze Lager gerieth in freudige Aufregung ueber den Besuch, welchen der Scheich erhalten hatte, und dem Beduinen vom Stamme Beni Soliman kam diese Freude zu gute, denn man nahm sich keine Zeit, weiter nach seinen Verhaeltnissen zu forschen, er durfte als Gast in der Oase bleiben. Am Abende sassen die seit langer Zeit wieder einmal Vereinten unter den Palmen und erzaehlten sich gegenseitig ihre Erlebnisse. Auch Sobeide hatte ihrem Manne ein Toechterchen geschenkt, welches bereits neun Jahre zaehlte und also sieben Jahre aelter war als die Tochter Katombos. Die beiden so weit auseinander gerissenen Familien hatten nur aeusserst selten von einander Kunde erhalten koennen, da der Aufenthalt Omar-Bathus sehr oft wechselte und auch stets verborgen bleiben musste. Desto ausfuehrlicher wurde jetzt Alles behandelt. Vom Wasser her erscholl der Ton der Rababa, zu welchem sich einige Maedchen im Tanze drehten. Alle Maenner waren dort versammelt, und darum hatte auch Ayescha den Schleier zurueckgeschlagen, so dass ihr schoenes Angesicht im Strahle des Mondes und der Sterne zu erkennen war. Und doch wurde sie von einem unberufenen Auge beobachtet. Der fremde Beduine hatte sich hinter den Stamm einer nahen Palme geschlichen und beobachtete die Gruppe mit der groessten Aufmerksamkeit. Auch von dem Gespraeche vernahm er den groessten Theil und zog sich erst dann zurueck, als er bemerkte, dass man sich anschickte, sich zur Ruhe zu begeben. In kurzer Zeit lag die Oase in tiefster Ruhe. Auch die Wueste schwieg, und nur zuweilen erscholl von weitem das bellende "J-a-u" des Schakals oder das tiefe "Om-mu" der Hyaene. Da erhob sich der Beduine von der Decke, auf welcher er gelegen hatte, und schlich sich zwischen zwei Zelten hindurch, um in das Freie zu gelangen. Er kam unbemerkt hinaus und eilte dann in der Richtung fort, aus welcher er am Tage gekommen war. Nach einer Viertelstunde ungefaehr blieb er stehen und stiess den Schrei des Geiers aus, welcher sofort beantwortet wurde. Er ging dem Tone nach und stand bald vor einem Manne, welcher sich von der Erde aufgerichtet hatte. "Nun, Selim, ist es das richtige Duar (Zeltdorf) des Mameluken?" "Ja, Sihdi." "Endlich, endlich habe ich ihn und werde den Preis verdienen, den der Khedive auf seinen Kopf gesetzt hat! Ist er daheim?" "Ja! ich habe ihn gesehen und mit ihm geredet." "Wir sind Deiner Spur gefolgt, sie stiess mit vielen andern zusammen. Wen hast Du getroffen?" "Die Maenner des Mameluken und eine kleine Kaffila (Kleine Karawane), welche zu ihm wollte." "Wer war es?" "Es waren zwei Maenner, ein Weib und ein Kind. Die Maenner wurden von ihm Katombo und Remusat genannt, und das Weib war die Schwester seines Weibes." "Remusat? Das ist Manu-Remusat, der Schech el Reisahn und der Reis Katombo, welche vor zehn Jahren den Mudellir Hamd-el-Arek ermordeten und dann flohen! Hamdullillah, Preis sei Gott; ich habe sie Alle beisammen, die ich gesucht habe, und werde sie entweder gefangen nehmen oder toedten. Beschreibe mir die Uah!" Selim, der also einen ganz anderen Namen trug, als er angegeben hatte, kam diesem Befehle nach. "Wie viele streitbare Maenner sind vorhanden?" "Vielleicht siebenzig." "Dann sind wir ihnen ueberlegen, auch abgesehen davon, dass sie schlafen und todt sein werden, ehe sie sich wehren koennen. Kehre jetzt zurueck und wache, bis ich mit den Janitscharen komme. Der Schrei des Adler ist mein Zeichen, und wenn Alles in Ordnung ist, so antwortest Du mit dem Tone, den der Buelbuel (Nachtigall) ausstoesst wenn er traeumt." "Ich gehorche, Sihdi! Aber ist es nothwendig, dass ich allein zurueckkehre?" "Fuerchtest Du Dich? Du musst schnell zurueck, denn wenn man Deine Abwesenheit bemerkt ehe wir kommen, so kann unser Plan verrathen sein." Selim wandte sich und kehrte nach dem Duar zurueck. Sein Verschwinden schien gar nicht bemerkt worden zu sein, aber als er dahin gelangte, wo neben seinem Kameele seine Decke lag, erhob sich neben dem Thiere die hohe Gestalt Katombos. "Wo warest Du?" frug er ihn. "Ich ging, die Hyaenen zu vertreiben, deren Stimmen mich im Schlafe stoerten." "Ich hoerte die Hyaenen dort zur Rechten; Du aber kamst von der Linken. Du redest nicht die Wahrheit!" "Mein Mund spricht keine Luege!" "Er spricht sie! Wo hast Du die Pistolen her, welche hier in Deinem Guertel stecken?" "Glaubst Du, sie sind gestohlen oder geraubt? Ich habe sie gekauft." "Wo?" "In - in Siut." "In Siut? Ah! Bei wem?" "Bei dem Waffenhaendler Omrah-el-Barat." "Du bist sehr klug, aber Du weisst nicht, dass ich aus Siut bin und sehr wohl weiss, dass es dort keinen Waffenhaendler gibt, welcher diesen Namen traegt. Deine Pistolen, welche ich heut genau betrachtete, haben das Zeichen des Khedive, Du bist ein Arnaut oder ein Janitschar." "Ich bin ein Beni Soliman!" "Und heissest Mehem al Olahad? In Mesr sagt man Olahad, bei den Beni Soliman aber Ulahad. Du verraethst Dich selbst und wirst die Wahrheit bekennen, sonst bist Du verloren!" "Ich kann nicht mehr sagen, als was ich bereits gesprochen habe." "So bist Du mein Gefangener!" Er fasste nach dem Manne. "Noch nicht!" antwortete dieser. Er bueckte sich, schnellte unter dem Arme Katombos hinweg und riss den Dolch aus der Scheide. Er zueckte denselben zum Stosse, Katombo aber kam ihm zuvor und fasste den Arm. "Moerder! Jetzt kostet es Dich das Leben!" Er hielt ihn fest. Ein lauter Ruf machte alle Schlaefer munter. Die Soehne der Wueste sind an Gefahren gewoehnt, und es gibt fuer sie keinen Schreck, die ihre Glieder laehmen, oder ihnen die Besinnung rauben koennte. "Herbei, Ihr Maenner! Dieser Fremde ist ein Verraether, der mich toedten wollte, weil ich ihn durchschaute." Der Mann wurde sofort umringt, und Katombo erzaehlte das Vorgekommene. Natuerlich waren auch Remusat und Omar herbeigekommen. Letzterer betrachtete die Waffen des Angeschuldigten genau. "Er ist ein Janitschar und hat Verbuendete in der Naehe. Gestehst Du es?" "Ich kann nichts gestehen?" "So stirbst Du!" "Und Du mit mir, Du und ihr Alle; das ist Euer Kismet!" "Ah, jetzt verraethst Du Dich! Bindet ihn!" Er wurde entwaffnet und gefesselt. "Ist er ein Arnaute oder Janitschar, so wird er gestehen muessen," meinte Katombo. "Mensch, hast Du vielleicht gehoert, wie der Kapudan-Pascha des Grossherrn heisst?" "Nurwan-Pascha." "Gut. Ich bin Nurwan-Pascha und befehle Dir, die Wahrheit zu gestehen!" "Du luegest!" "Bringt eine Fackel herbei!" Sie wurde gebracht. "Kannst Du lesen?" frug Katombo. "Ja." "Ah, ein Beni Soliman und lesen! Hier lies diesen Biulderi." Er zog ein Pergament hervor und hielt es ihm vor die Augen. Der Gefangene warf einen Blick auf den grossherrlichen Pass und erbleichte. "Glaubst Du nun, dass ich Nurwan-Pascha bin?" "Ja." "Dann nieder auf die Knie mit Dir, Hund! Ich befehle Dir, die Wahrheit zu sagen. Luegst Du fort, so wirst Du todt gepeitscht." Der Gefangene warf sich auf die Kniee. "Frage, Herr! Dein Knecht wird antworten." "Wie ist Dein wirklicher Name?" "Selim." "Was bist Du?" "Janitschar." "Was thust Du in der Wueste?" "Ich suche den Mameluken Omar-Bathu." "Du bist nicht allein. Wer ist bei Dir?" "Der Aga mit hundertzwanzig Mann." "Wo ist er?" "In der Naehe. In einer Minute kann er bereits ueber Euch herfallen." "Ah! Die Fackel aus. Nehmt Eure Waffen, Ihr Maenner; versammelt die Frauen in der Mitte des Duar und verhaltet Euch still! Wer hat Dir diese Oase verrathen?" "Der Aga weiss es, ich nicht." "Das Leben sei Dir geschenkt, denn Du hast gehorchen muessen und mir jetzt die Wahrheit gesagt." Er loeste ihm die Fesseln und fuhr dann fort: "Ich gebe Dir die Freiheit. Gehe zum Aga und sage ihm, dass Nurwan-Pascha hier gebietet. Er wird von seinem Vorhaben abstehen." Selim eilte davon, so schnell als ihn seine Fuesse tragen wollten; an sein Kameel und die ihm abgenommenen Waffen dachte er gar nicht. In einiger Entfernung von der Oase traf er auf die herbeischleichenden Janitscharen. Der voranschreitende Aga verwunderte sich ueber sein Erscheinen. "Du kehrst zurueck! Warum?" "Um Dir zu sagen, dass der ‹berfall nicht stattfinden darf." "Warum?" "Der Kapudan-Pascha ist im Duar." "Nurwan-Pascha! Hat Dir der Scheitan (Teufel) den Verstand genommen?" "Sihdi, er ist es. Ich wollte es nicht glauben, und er hat mir seinen Biulderi gezeigt." "Wann? Jetzt?" "Jetzt. Er hatte mein Verschwinden bemerkt und meine Rueckkehr erwartet. Er weckte alle Maenner des Duar und liess mich fesseln. Ich musste ihm Alles gestehen, und nun sendet er mich, Dich zu warnen." "Warnen? Was geht mich Nurwan-Pascha an! Er ist Offizier des Grossherrn, und ich bin Offizier des Vizekoenigs. Ich habe ihm nicht zu gehorchen. Der Vizekoenig hat mir befohlen, Omar-Bathu zu fangen oder zu toedten, und das werde ich thun, obgleich es nun einen harten Kampf geben wird, weil sie gewarnt sind. Deine Strafe wirst Du morgen erhalten dafuer, dass Du uns ihm verrathen hast!" "Sei gnaedig, Herr! Ich konnte nicht anders." "Wer ist Dein Herr, er oder ich?" "Du, Sihdi. Aber bedenke, dass Du dem Vizekoenig viel Verlegenheit bereiten wirst, wenn Du den obersten Seeoffizier des Grossherrn toedtest." "Ich werde ihn nicht toedten, wenn er mich in der Erfuellung meiner Pflichten nicht stoert. Hast Du das Weib des Mameluken gesehen?" "Ich habe ihr Angesicht geschaut, denn sie war nach Sitte der Beduinen nicht verschleiert." "Ist sie wirklich so schoen, wie man dem Vizekoenig erzaehlt hat?" "Ja. Sie ist herrlich wie eine Houri des Himmels." "Sie soll das Harem des Vizekoenigs zieren. Du kehrst jetzt zurueck zu Nurwan-Pascha und sagst ihm, er solle mir den Mameluken mit seinem Weibe ausliefern; dann werde ich friedlich abziehen, ohne den Uah zu betreten." "Er wird es nicht thun, denn sein Weib ist die Schwester von Omars Weib." "Dann werden wir angreifen, und es ist seine Schuld, wenn auch er getoedtet wird. Gehe! Vielleicht erlasse ich Dir Deine Strafe." Der Untergebene gehorchte. Es dauerte eine ganze Weile ehe er zurueckkehrte. "Nun?" frug der Aga. "Sihdi, er war sehr zornig und wollte mich toedten, weil ich es wagte, ihm einen solchen Antrag zu stellen." "Wie lautete seine Antwort?" "Du sollst kommen und Dir den Mameluken holen." "Weiss er, wie viel wir sind?" "Nein," log Selim, um seine Lage nicht zu verschlimmern. "Er glaubt vielleicht, dass wir weniger zaehlen als die Seinen. Wir greifen an. Bringst Du mir die Schaedel von fuenf Feinden, die Du selbst getoedtet hast, so werde ich Dir verzeihen. Vorwaerts! Wir umzingeln die Uah, und wenn ich das Zeichen gebe, fallen wir ein und toedten Alles, was sich widersetzt. Alles, was wir finden, ist Euer Eigenthum." Dieses letztere Versprechen war darauf berechnet, die Tapferkeit der Janitscharen anzuflammen, und erreichte auch ganz diesen Zweck. Sie theilten sich in zwei Haufen, um das Lager von allen Seiten zu nehmen. Tiefe Stille lagerte auf der Wueste; aber nach einiger Zeit erscholl der schrille Schrei des Adlers, und sofort wurde es laut im Duar. Befehlende Stimmen ertoenten, Flueche erschallten, Schuesse krachten. Dann warf man die Flinten fort und arbeitete nur mit dem Messer. Nach und nach mischten sich auch weibliche Stimmen in den Laerm. Die Janitscharen waren zu uebermaechtig, sie siegten. Es war eine Scene, wie sie so wild, so schauerlich und unmenschlich nur in der Sahara vorkommen kann, wo in den Adern das Blut so gluehend fliesst, wie der Sonnenbrand ueber die Duenen des wandernden Sandes. Hier und da huschte die Gestalt eines fliehenden Mameluken zwischen den Zelten hervor und verschwand in der Wueste. Erst mit dem grauenden Tage war Alles beendet. Der Aga stand, aus mehreren Wunden blutend, in der Mitte des Duar. Vor ihm lagen fuenf Koepfe, welche Selim gebracht hatte. "Es ist gut! Dir sei verziehen. Zaehle die Todten!" Waehrend Selim diesen Auftrag ausfuehrte, trat der Aga zu den Gefangenen. Es waren lauter Frauen; kein einziger Mann befand sich darunter; sie waren Alle, ausser denen, die sich durch die Flucht gerettet hatten, getoedtet worden. Die Frauen bildeten eine erschuetternde Gruppe; die meisten von ihnen hatten von den wilden Janitscharen die aergsten Misshandlungen zu erleiden gehabt. Unweit von ihnen sassen Sobeide und Ayescha an der Erde; vor ihnen lagen Remusat, Omar und Katombo ausgestreckt. Die beiden ersteren waren todt; der letztere hatte eine schwere Hiebwunde ueber den Kopf erhalten und befand sich ohne Bewusstsein. Sobeide weinte ueber der Leiche ihres Mannes, und Ayescha gab sich unter einer Fluth von Thraenen Muehe, das Blut zu stillen, welches aus Katombos Wunde floss, und ihn in das Leben zurueckzurufen. Das kalte Auge des Aga ueberflog die Gruppe. "Wie heissest Du?" frug er Ayescha. Sie nannte ihren Namen. "Und dieser Mann?" "Es ist Nurwan-Pascha, der Grossadmiral des Sultans," antwortete sie stolz und drohend. "Du hast ihn verwundet und die Seinen getoedtet. Wehe Dir, wenn es der Grossherr erfaehrt!" Er lachte hoehnisch auf. "Ich bin der Aga des Vizekoenigs. Dein Sultan kann mir nichts thun, denn ich habe nur meinem Herrn zu gehorchen." Er wandte sich gegen Sobeide. "Wie heissest Du?" "Sobeide." "Du bist die Tochter von Manu-Remusat?" "Ja." "Und das Weib von Omar-Bathu?" "Ja." "Ist dieses Maedchen Dein Kind?" "Ja." "Weine nicht, denn Deine Traurigkeit soll in Herrlichkeit und Freude verwandelt werden. Du bist fuer das Harem des Vizekoenigs bestimmt und Deine Tochter soll wie eine Prinzessin erzogen werden." Ihr Auge leuchtete trotz der Thraenen zornig auf. "Eher werde ich mich toedten!" Sie zog das Messer, welches im Guertel des todten Omar stak; aber mit einer schnellen Bewegung ergriff der Aga ihre Hand. "Selim!" Der Janitschar trat herbei. "Ich uebergebe Dir dieses Weib und dieses Kind. Sie werden von den uebrigen Gefangenen abgesondert, denn ihre Bestimmung ist eine vornehme; aber Du hast ueber sie zu wachen, dass ihnen kein Leid geschehe oder sie es sich selbst thun." Sobeide warf sich um den Hals ihrer Schwester, um sich nicht von ihr trennen zu lassen. Die Beiden umfingen sich mit aller Kraft, deren ihr zarter Koerper faehig war, aber es half ihnen nichts; sie wurden auseinander gerissen. Selim fuehrte Sobeide und das Maedchen nach einem Kameele, dessen Tachterwahn sie besteigen musste. "Grausamer, toedte mich!" rief Ayescha im hoechsten Schmerze. "Das darf ich nicht. Du bist schoener als sie, und ich moechte Dich gern mit ihr dem Vizekoenig zufuehren, aber Du bist das Weib des Kapudan-Pascha, und ich darf Dich nicht anruehren und ihn nicht toedten. Du bleibst bei ihm zurueck, um ihn zu pflegen." "So lass mich Abschied nehmen von der Schwester!" "Thue es!" Es war ein kurzer herzzerreissender Augenblick, der die Schwestern noch vereinigte. Mittlerweile wurden auch die uebrigen Frauen und Kinder auf die Kameele vertheilt; ihr Schicksal war, verkauft zu werden. Nachdem die verwundeten Janitscharen verbunden waren, ruestete man sich zum Aufbruche. "Trennt Euch!" gebot der Aga den Schwestern, und zu Ayescha gewendet fuhr er fort: "Ich lasse Dir Alles da, was Nurwan-Pascha gehoert, denn ich darf ihn nicht berauben. Sage ihm, dass ich ihn geschont und nur meine Pflicht gethan habe. Ihr werdet nicht lange allein sein, denn mehrere der Eurigen sind geflohen und werden wieder zurueckkehren, sobald wir die Uah verlassen haben. Sallam aaleikum, Friede und Heil sei mit Dir und denen, die Du liebst!" Die Reiter stiegen auf, und die Karawane setzte sich unter dem Klagegeschrei der davongefuehrten Frauen und Kinder in Bewegung. Wie eine lange riesige Schlange wand sie sich nach Osten hin in die Wueste hinaus, und bald war ihr Kopf und dann auch ihr Schwanz verschwunden. Ayescha befand sich mit dem Verwundeten und ihrem Kinde allein in der weiten Einsamkeit. Sie kniete nieder und betete, nicht wie eine Muhammedanerin, sondern wie eine Christin zu Isa Ben Marryam, dem Gottessohne, der in die Welt gekommen ist um zu rufen: "Kommet her, Alle, die Ihr muehselig und beladen seid; ich will Euch erquicken und erretten!" Dann zog sie den Koerper Katombos bis an den Quell, um die klaffende Wunde zu waschen. Bei dieser Bemuehung kehrte ihm das Bewusstsein zurueck. Er schlug die Augen auf und erkannte sein Weib. "Ayescha!" hauchte er. "Hier bin ich, mein Geliebter!" "Wo ist Almah, unser Kind?" "Hier, sie ist gerettet." "Und die Andern?" "Gefangen und fortgefuehrt." "Und Sobeide?" "Ist mitgefangen." "Omar und Dein Vater?" "Todt! Hier liegen sie." Er wandte langsam das verwundete Haupt. Sein Auge fiel auf die beiden Leichen; es sah auch die grosse Zahl der umherliegenden Todten; er schloss es wieder. Die Ohnmacht nahm ihn gefangen. Die Frauen des Orientes werden nur fuer den zukuenftigen Mann erzogen, und da der Orientale vorzugsweise Krieger ist und unter der Moeglichkeit steht, oefters verwundet zu werden, so gibt es selten ein Weib, welche nicht mit der Behandlung der Wunden bekannt ist. Auch Ayescha wusste sehr wohl, was fuer einen solchen Fall zu thun sei. Sie suchte unter dem Gruen nach einer schmerzstillenden Pflanze und fand sie auch. Nachdem sie eine Menge davon gesammelt hatte, zerdrueckte sie dieselben, liess den Saft in die Wunde traeufeln, legte die ausgedrueckten Pflanzen auf und verband dann den Kopf. Diese Behandlung schien dem Kranken wohlzuthun; er fiel in einen tiefen Schlaf, welcher ihn erst am naechsten Morgen wieder aus seinen wohlthaetigen Armen entliess. Die Scene, welche gestern sein mattes Auge erblickt hatte, war noch dieselbe. Er musste sich erst besinnen. "Ist Alles todt?" frug er dann. "Nur Einige sind entkommen." "Warum verschonte man mich und Dich?" "Deines Ranges wegen." "Und Sobeide - warum nahm man sie mit fort?" "Sie ist fuer das Harem des Vizekoenigs bestimmt." "Allah inhal, Gott verdamme ihn! Pflege mich und gib mir fleissig Wasser und Pflanzensaft, damit ich gesund werde und sie Alle an ihm raechen kann." "Da wirst Du viele Wochen warten koennen!" "Gott ist gross und allmaechtig. Er kann Alles. Und mein Koerper ist stark. Fuerchtest Du Dich allein zu sein?" "ich fuerchte mich vor den Todten, und in dieser Nacht waren die Hyaenen und Schakals hier in der Naehe. Werden die Entflohenen zurueckkehren?" "Sie werden kommen wenn sie merken, dass sich die Moerder entfernt haben." Er schlummerte wieder ein. Ayescha suchte Kraeuter fuer ihn und abgefallene Datteln fuer sich und ihre Tochter. So verging der Tag; der Abend brach herein, und ihm folgte die Nacht. Die Thiere, welche die Janitscharen zurueckgelassen, hatten fuer sich selbst gesorgt. Wasser und Datteln nebst Strauchwerk gab es fuer sie genug. Die Naehe der Todten, welche in Folge der Hitze bereits einen hoechst widerwaertigen Geruch ausstroemten, war auch in anderer Beziehung fuer Ayescha eine unheimliche, wenn nicht gefaehrliche. Der Geruch lockte die Hyaenen, Schakale und Fenneks an, welche sicherlich heute Nacht ihr schauriges Mahl gehalten haetten, wenn das Weib mit dem Verwundeten allein geblieben waere. Gegen Mitternacht aber huschte ein Schatten herbei, bei dessen Nahen Ayescha anfangs erschrak. Es war einer der entflohenen Mameluken. Er suchte unter den Leichen herum und nahte sich auch der Stelle, an welcher sich die Lebenden befanden. Hier stutzte er, wurde aber durch den Zuruf Ayeschas beruhigt. "Allah akbar, Gott ist gross! Hier sind noch Lebende? Hat Dich der Janitschar uebersehen?" "Nein. Er hat mir die Freiheit freiwillig gelassen." "Und Katombo getoedtet?" "Er ist nur verwundet. Ich und mein Kind sind unbeschaedigt." "Wo sind die andern Frauen und Kinder?" "Der Aga hat sie mitgenommen. Er wird die Frauen an Harems und die Kinder an Sklavenhaendler verkaufen." "Allah incharliek, Gott verbrenne ihn! Haette ich ein Weib, so jagte ich ihm nach, denn hier sind noch Pferde und Kameele. Aber ich habe die Todten gezaehlt. Es fehlen drei der Unsrigen. Sind sie gefangen?" "Nein." "So sind sie auch entkommen und werden zurueckkehren, sobald sie bemerken, dass er fort ist. Ich will sehen, ob sie in der Naehe sind, und ihnen ein Zeichen geben, welches sie kennen." Er suchte eine Rhababa (ein musikalisches Instrument mit schmetternden Toenen) und fand sie. Sie an den Mund setzend, entlockte er ihr einige schrille, weithin schallende Toene. Dies wiederholte er einige Male, und bald zeigte sich der Erfolg: es kamen drei Gestalten herbei, welche in der Naehe herumgeschlichen waren, um zu sehen, ob die Oase wieder sicher sei. Er unterrichtete sie von der Lage der Dinge. Sie stillten erst den empfindlichen Hunger und Durst, welchen sie empfanden, und beriethen dann, was zu beginnen sei. Alle vier waren noch Juenglinge. Sie hatten nicht fuer Weib und Kind zu kaempfen gehabt und also die Einzigen gewesen, welche geflohen waren. Ganz derselbe Umstand hielt sie auch ab, sich dadurch in neue Gefahr zu begeben, dass sie den Janitscharen nachjagten, was sie jedenfalls gethan haetten, wenn sich naehere Verwandte von ihnen unter den Gefangenen befunden haetten. Der Sohn der Wueste als geborener Raeuber und Krieger fuerchtet sich nicht, ganz allein einer grossen feindlichen Karawane zu folgen, um den Augenblick abzuwarten, welcher ihm fuer seine Plaene guenstig erscheint. Und dann ist kein Fuchs so listig, kein Panther so blutduerstig und kein Loewe so todesmuthig wie er. Die Vier beschlossen also zu bleiben, sich der Pflege des Kranken und der Bewachung der Oase zu widmen und dann spaeter zu sehen was zu thun sei. Noch waehrend der Nacht begruben sie die Todten - allerdings nur die Ihrigen, welche unter dem Sande der Wueste eine Ruhestaette fanden, waehrend die gefallenen Janitscharen weit hinausgetragen und den wilden Thieren zum Frasse hingestellt wurden. Einige Monate spaeter zog eine kleine Kaffila ein in das grosse Karawanserei zu Bulakh, der Vorstadt von Kairo. Sie bestand aus einem Weibe mit einem Kinde und fuenf Maennern. Der Eine von den Letzteren sah sehr bleich aus, aber in seinem dunklen Auge loderte ein Feuer, welches verrieth, dass er zwar vielleicht krank gewesen sei, doch alle Kraefte seines hohen starken Koerpers wieder besitze. Er uebergab Weib und Kind seinen vier Begleitern und schritt nach der Strasse el Kantareb, wo er vor einem palastaehnlichen Hause hielt, an dessen Thuer ein wohlbewaffneter Neger als Schildwache stand. "Wem gehoert dieses Haus?" frug er ihn. "Du musst hier fremd sein, Sihdi, dass Du dieses nicht weisst. Es gehoert dem Khedive, Gott erhalte ihn, und drin wohnt stets der Oberkadi, welchen der Grossherr, Gott segne sein Antlitz, jaehrlich sendet, um Recht zu hegen zwischen ihm und dem Vizekoenig." "Der Tag des Wechsels ist vorueber. Wie heisst der neue Kadi?" "Der neue Kadi-Baschi, willst Du sagen! Er hat einen Namen so lang wie der Nil; wir aber nennen ihn kurz Abu-Mossalem." "Ist er daheim?" "Er sitzt in seinem Divan, denn es ist die Stunde, in der jeder Glaeubige mit ihm reden darf, um von ihm Recht zu erflehen. Willst Du zu ihm?" "Ja." "So gehe, und Allah gebe Deinem Worte Segen!" Katombo trat ein und stieg eine Treppe empor, deren Stufen mit kostbaren Teppichen aus Smyrna belegt war. Droben stand ein Verschnittener, in ein reiches Gewand gekleidet. Sein Handjar glaenzte von Gold und seine Pistolen waren reich mit Silber ausgelegt. "Was willst Du?" herrschte er den Kommenden in den hohen Fallsettoenen an, welche den Kastraten eigenthuemlich sind. "Ich will mit dem Kadi-Baschi reden." "Wer bist Du?" "Das werde ich ihm selbst sagen." "Du hast es mir zu sagen, denn ohne meine Erlaubniss darfst Du nicht zu ihm." "Wo ist sein Divan?" "Dort!" Er zeigte mit der Linken nach einer Thuer, waehrend er ihm die geoeffnete Rechte entgegenhielt als deutlichen Beweis, dass er nur Diejenigen einlasse, welche bereit waren, diese Erlaubniss fuer ein Bakschisch zu erkaufen. "Du willst ein Bakschisch?" frug Katombo. "Weisst Du nicht, dass eine offene Hand auch eine offene Thuer macht?" "Und weisst Du nicht, dass der Prophet sagt: "Die gierige Hand eines Dieners schadet dem Herrn. Wehe dem, der die Gerechtigkeit gegen Gold und Silber verkauft!" Du wirst von mir nichts erhalten." "So ist der Kadi-Baschi fuer Dich nicht zu sprechen." "Er ist es; das werde ich Dir beweisen." Er holte aus und versetzte dem Menschen einen so kraeftigen Schlag in das Gesicht, dass dieser nach rueckwaerts taumelte und zur Erde stuerzte. Im Nu aber sprang er wieder auf und zog den Handjar, um sich mit demselben auf Katombo zu werfen. Dieser aber fasste ihn mit der Linken bei der Faust, welche die Waffe umschlossen hielt, und wiederholte den Hieb in der Weise, dass der Verschnittene laut aufbruellte. Da oeffnete sich die Thuer zum Divan, und unter derselben erschien der Kadi selbst. Katombo drehte ihm den Ruecken zu, so dass er sein Gesicht nicht sehen konnte. "Hund, was wagst Du!" rief der Kadi und zog den krummen Saebel. Katombo drehte sich um. "Deine Frage ist richtig. Dieser Hund wagt es, ein Bakschisch von mir zu verlangen, ohne welches Du nicht zu Hause bist, und die Waffe gegen mich zu zuecken. Willst Du ihn niederschlagen, soll ich es thun, oder ziehst Du vor, ihn dem Djezzar (Henker) zu uebergeben?" "Mensch, bist Du von boesen Djinns (Geister) besessen? Die Bastonnade wird sie Dir austreiben! Wer bist Du?" "Siehe es!" Katombo warf die Kaputze vom Kopfe in den Nacken zurueck. Der Kadi fuhr erschrocken zurueck. "Der Kapudan-Pascha!" "Ja, der bin ich. Bist Du auch ohne Bakschisch fuer mich zu sprechen?" ""Sallam aaleikum! Tritt ein, Herr!" "Und dieser Mensch, der es wagt, die Gerechtigkeit und Deinen guten Namen zu verkaufen?" "Er wird seiner Strafe nicht entgehen. Wende nur mir Dein Angesicht zu und komm herein!" Der Verschnittene steckte zitternd seinen Handjar ein. Die beiden Maenner traten in den Divan ein, wo mehrere Maenner und verschleierte Frauen sassen. "Geht hinaus und wartet, bis ich Euch rufen lasse!" gebot ihnen der Kadi. Sie erhoben sich sofort und entfernten sich. Katombo musste sich zur rechten Hand des Kadi auf der erhoehten Estrade niederlassen, welche mit einem schimmernden Teppich aus Kaschmir belegt war. Auf ein Haendeklatschen erschienen schwarze Sklaven mit koestlichen Tschibuks und Kaffee, welchen sie den Herren praesentirten. Der Kadi begann die Unterhaltung. "Weisst Du, dass ein Gesandter des Grossherrn hier in Kairo war, um nach Dir zu suchen?" "Ich glaube es." "Du hast auf zwei Monate Urlaub erhalten und bist nicht zurueckgekehrt. Der Grossherr hat bei dem Khedive nach Dir fragen lassen." "Und was hat der Khedive ihm geantwortet?" "Er hat gesagt, dass Du nur ein einziges Mal bei ihm gewesen und dann verschwunden bist. Das Schiff, mit welchem Du kamst und das auf Dich warten sollte, ist laengst wieder nach Stambul abgegangen. Darf ich Dich fragen, wo Du waehrend dieser Zeit gewesen bist?" Katombo nahm den Fez vom Kopfe. "Sieh diese Wunde!" Der Kadi erschrak. "Maschallah! Du warst verwundet und krank! Wer hat es gewagt, Dir, dem Kapudan-Pascha, dem beruehmtesten Admiral des Beherrschers der Glaeubigen, dies zu thun?" "Ich komme zu Dir, um Gerechtigkeit von Dir zu fordern. Wirst Du den Thaeter bestrafen?" "Allah akbar, Gott ist gross, und meine Hand ist stark. Der verwegene Hund soll es mit dem Tode buessen. Nenne mir seinen Namen!" "Du wirst ihn nicht bestrafen," antwortete Katombo in zweifelhaftem Tone. "Warum nicht? Ich schwoere Dir bei dem Barte des Propheten und aller seiner Kalifen, dass er seinen Lohn haben soll! Sage mir nur seinen Namen. Ich werde ihn greifen lassen, und wenn er im entferntesten Wadi (Thal, Schlucht) der Sahara wohnt." "Du brauchst ihn nicht in der Sahara zu suchen, denn er befindet sich hier in Kahira. Es ist der Vizekoenig." Der Kadi erschrak. "Allah schuetze Deine Seele und die meinige! Wie ist es moeglich, dass der Vizekoenig den Kapudan-Pascha des Sultans ueberfallen kann?" "Nicht er hat es gethan, sondern sein Janitscharenaga." "Und wo ist es geschehen?" "In einer Oase, nach welcher ich zog, um Freunde zu besuchen." "Der Aga war vor drei Monaten laengere Zeit von Kahira fort, ohne dass man wusste wohin. Sollte es zu jener Zeit gewesen sein?" "Ja." "Er hatte Euch ueberfallen und wusste, dass Du zugegen warst?" "Er wusste es, denn ich habe es ihm sagen lassen und ihn gewarnt." "So hat er im Auftrage des Khedive gehandelt, und Deine Freunde muessen grosse Feinde des Vizekoenigs sein. Wer war es?" "Kennst Du Omar-Bathu?" "Den reichen tapferen Mamelukenfuersten?" "Ja. Sein Weib ist die Schwester meines Weibes. Und kennst Du Manu-Remusat." "Den grossen Schiffsfuehrer? Er erschlug einst Hamd-el-Arek, den Mudellir von Assuan. Der Khedive wollte ihn toedten, aber er entkam mit einem jungen Reis, der beruehmt war wegen seines Muthes und die Tochter des Schiffsfuehrers zum Weibe bekam." "Dieser Reis bin ich." "Du?" frug der Kadi erstaunt. "Ja, ich. Der Mudellir von Assuan hatte die Schwester meines Weibes geraubt; sie war die Verlobte des Mamelukenfuersten. Ich entfuehrte sie ihm wieder, er verfolgte mich und fiel im Kampfe. Ich entfloh mit Remusat, und Omar-Bathu musste sich in die Wueste verstecken, weil ihn der Vizekoenig toedten wollte. Vor drei Monaten ging ich mit Remusat und meinem Weibe zu dem Mameluken. Wir wurden von dem Aga ueberfallen, der alle Maenner toedtete und die Frauen und Kinder mit sich fortnahm." "So sind Remusat und Omar-Bathu todt?" "Sie sind todt," knirschte Katombo. "Aber ich werde sie raechen." "An wem?" "An ihrem Moerder. Du wirst mir helfen." "Die That geschah auf Befehl des Vizekoenigs. Sage selbst, ob ich ueber ihn richten kann." "Du hast mir bei dem Barte des Propheten und aller seiner Kalifen Gerechtigkeit versprochen. Weisst Du nicht, dass ein Glaeubiger diesen Schwur niemals uebertreten kann!" "Ich werde ihn halten, so weit es in meinen Kraeften steht, denn Allah weiss, dass kein Mensch mehr thun kann, als ihm gegeben ist. Erzaehle mir den Vorfall genau." Katombo berichtete von seinen egyptischen Erlebnissen so viel, als ihm noethig erschien. Der Kadi blieb dann lange in tiefes Nachdenken versunken. Endlich erklaert er: "Wer ist der eigentliche Moerder? Der Vizekoenig nicht, denn er konnte die Verhaeltnisse nicht kennen, und der Aga auch nicht, denn er hat gethan, was er fuer seine Schuldigkeit hielt. Es gibt keinen Schuldigen, und darum ist es so gut, als haette ich keinen Schwur gethan." Katombo konnte ihm nicht ganz und gar Unrecht geben, zumal der ganze ‹berfall nur auf Omar-Bathu abgesehen gewesen war und der Aga erklaert hatte, dass er friedlich abziehen werde, wenn man ihm denselben ausliefere. Die ganze Angelegenheit erhielt von diesem Gesichtspunkte aus den Charakter eines Privatverhaeltnisses, dem nur durch den Akt einer Blutrache Rechnung getragen werden konnte. "Du bist sehr weise, o Kadi, denn Du verstehst es, einen Schwur so zu wenden, dass ihn Allah nicht mehr hoeren kann. Doch sage, wirst Du mich schuetzen, wenn ich mir den Hass des Khedive zuziehe?" "Ich werde es." "Hat er das Recht, die Wittwe des Mameluken in sein Harem zu nehmen, wenn sie nicht einwilligt?" "Er hat kein Recht dazu, denn sie ist keine Sklavin, welche verkauft werden kann." "So ist unsere Unterredung beendet. Allah schuetze Dich." Er erhob sich. Der Kadi that dasselbe, hielt ihn aber noch zurueck. "Wo wohnest Du?" "Ich habe meine Leute noch im Karawanserai." "So bitte ich Dich, mein Haus als das Deinige zu betrachten!" "Du willst es, und so werde ich es thun." "Und bedenke in Dem, was Du vornimmst, das Eine, dass der Khedive nicht ein direkter Unterthan oder Beamter des Grossherrn ist und dass die Macht des Sultans sich oft nicht so weit erstreckt, als es den Anschein hat. Daher ist hier mein Amt ein schlimmes und schwieriges. Bringe die Deinen zu mir, und ich werde Dir helfen, so weit meine Kraefte reichen!" Katombo begab sich nach dem Karawanserai zurueck und brachte Ayescha mit den Dienern in das Haus des Kadi. Dann ging er nach dem Schlosse des Vizekoenigs. Dies war ein fuer seinen Rang ganz ungewoehnliches Unternehmen. In den Laendern der heissen Zone umgibt sich jeder gut situirte oder gar hoeherstehende Mann mit einer viel bedeutenderen Anzahl von Dienern, als dies bei uns der Fall zu sein pflegt. Fuer fast jede einzelne Verrichtung ist ein besonderer Diener da, und mit dieser Menge von Untergebenen wird, besonders beim Ausgehen, ein grosser Pomp getrieben. Das Wort Ausgehen ist eigentlich eine unrichtige Bezeichnung, denn kein Herr wird auf einer oeffentlichen Strasse gehen, sondern entweder reiten, fahren oder sich tragen lassen. Dass Katombo trotz seiner hohen Stellung sich zu Fusse nach dem Schlosse begab, hatte seinen Grund in seinen abendlaendischen Anschauungen und dem Umstande, dass er keine Dienerschaft zur Verfuegung hatte, war aber jedenfalls ein Verstoss gegen die Achtung, welche er dem Vizekoenig auch dadurch zu erweisen hatte, dass er sich unter imponirender Begleitung zu ihm begab. Der Khedive hatte soeben das Bad verlassen. Er sass rauchend auf einem weissseidenen Divan. Seine rothe Jacke funkelte von Brillanten; an seinem Turban flimmerte eine Agraffe, deren Werth nach Hunderttausenden zaehlte, und der Griff der neben ihm liegenden Damaszenerklinge hatte einen diamantenen Knauf und war mit den seltensten Edelsteinen ausgelegt. Der Beherrscher Egyptens hatte schlechte Laune. Vor ihm stand sein Janitscharenaga, der oberste Leiter der vizekoeniglichen Polizei, und stattete den taeglichen Bericht ab, welcher Vieles enthalten mochte, was den Missmuth und Zorn des hohen Herrn erregte. Da nahte sich kriechend ein Sklave. "Was willst Du, Hund?" frug ihn der Vizekoenig. "Herr, ein Mann, der sich Nurwan-Pascha nennt, will mit Dir, der Sonne der Weisheit und dem Vorbilde der Staerke, reden." Im Gesichte des Vizekoenigs zuckte es auf. Er warf einen grimmigen Blick auf den Aga. "Siehst Du, dass er kommt und dass ihn die Wueste nicht verschlungen hat? Waere er mit den Andern gestorben, so koennte er mich und Dich nicht belaestigen." Der Aga senkte den Blick beinahe bis zum Boden herab. "Herr, ich konnte nicht wissen, was Dein Wille ist!" "Ein Diener muss stets den Willen seines Herrn kennen!" Dem Sklaven gebot er: "Lass ihn herein!" Katombo trat ein. Er neigte nur ein wenig sein Haupt und legte nur die rechte Hand zum Zeichen der Ehrerbietung auf die Gegend seines Herzens. Der Khedive empfing ihn mit einer leichten Handbewegung. In seinen kalten Zuegen war weder ein Zeichen des Wohlwollens noch des Missfallens zu erkennen. "Sallam aaleikum! Der Admiral des Sultans ist mir willkommen. Welche Angelegenheit fuehrt Deinen Fuss hierher?" "Ich komme nicht als Abgesandter meines hochmaechtigen Herrn, sondern aus einem Antriebe von privater Natur." Sein Auge traf mit einem finsteren Blicke den Aga und wandte sich dann fragend auf den Vizekoenig. Dieser verstand die stumme Frage und antwortete: "Dieser Mann ist meine rechte Hand. Du kannst vor ihm reden, als ob ich allein waere." "Dann gestatte mir, dass ich mich niederlasse!" Er schob sich mit dem Fusse ein Kissen in die Naehe des Khedive und setzte sich darauf. Dieser Letztere hatte es unterlassen, dem Kapudan-Pascha einen Sitz anzubieten und war daher gezwungen, diese Zurechtweisung hinzunehmen. "Setze Dich und beginne!" meinte er in ruhigem Tone, aber die Falte zwischen seinen Brauen war ein deutliches Zeichen, dass ihn das selbstbewusste Verfahren des Pascha erzuernt habe. "Du sagst, dieser Mann sei Deine rechte Hand," meinte Katombo. "Warum, o Koenig, hast Du diese Hand gegen mich gerichtet?" "Gegen Dich?" frug der Khedive mit gutgeheucheltem Erstaunen. "Rede deutlicher!" Katombo lueftete leise seinen Fez. "Sieh die Wunde, welche mir Deine rechte Hand geschlagen hat." "Du hast eine Wunde? Sie soll Dir von meinem Aga geschlagen worden sein?" "So ist es, Herr, und Du weisst es laengst." "Ich weiss es nicht, werde es aber sogleich erfahren." Und zu dem Aga gewendet, frug er: "Hat Dein Schwert diese Wunde geschlagen?" "Nein," antwortete der Gefragte. Der Vizekoenig blickte mit befriedigter Miene auf den Pascha. "Du hoerst es, und der Aga sagt mir nie die Unwahrheit, denn er weiss es, dass ich ihm dann sein Haupt vom Rumpfe trennen wuerde." "Er luegt allerdings nicht und sagt dennoch die Unwahrheit, denn sein Befehl traegt die Schuld, dass ich dem Tode nahe war." "Erzaehle es! Deine Rede klingt wunderbar und geheimnissvoll, doch Du wirst mir das Raethsel loesen." "Du kennst die Loesung bereits, " antwortete Katombo ruhig, "und ich darf es nicht wagen, Dir unnoethig Deine kostbare Zeit zu rauben. Dein Aga toedtete meine Freunde in der Wueste. Sage, ob dies auf Deinen Befehl geschah." "Wie hiessen Deine Freunde?" "Manu-Remusat und Omar-Bathu." "Das klingt nicht gut fuer Dich. Hast Du keine besseren Freunde?" "Es waren Freunde, wie ich sie besser niemals finden kann." "Moerder waren es! Sie haben Hamd-el-Arek, den Mudellir von Assuan, erschlagen und mussten sterben. Weisst Du nicht, dass der Kuran sagt. "eddem ed beddem, Blut um Blut, Auge um Auge!" "Sie haben ihn nicht erschlagen, sondern im ehrlichen Kampfe besiegt. Er raubte die Tochter Remusats und erhob gegen ihn die Waffen, obgleich Remusat ihm verzeihen wollte. Und was thaten Dir die Mameluken, die Du mit Omar-Bathu und Remusat ermorden liessest?" Des Khedive Augen blitzten den Sprecher grimmig an. "Hund, wie wagst Du mit mir zu reden!" "Hund? Wagst Du Nurwan-Pascha, den Admiral des Grossherrn einen Hund zu nennen?" "Ich wage nichts, denn ein Wink von mir kann Dich verderben!" "Du bist nicht mein Herr und nicht mein Vorgesetzter. Ich fuerchte weder Deinen Wink noch Deine Drohung. Remusat ist nicht der Moerder des Mudellir, und Omar-Bathu war nicht zugegen, als der Mudellir starb." "Beweise es!" "Mein Wort ist Beweis genug!" antwortete Katombo stolz. "Dein Wort? Woher weisst Du denn, dass Du die Wahrheit redest?" "Weil ich bei jenem Kampfe gegenwaertig war." "Du?" "Ich. Ich bin der Mann der Tochter Remusats und heisse eigentlich Katombo." "Katombo!" rief der Khedive, indem er sich halb von seinem Sitze erhob. "So bist Du der Moerder, der uns entronnen ist?" "Du irrst. Ich bin weder ein Moerder noch bin ich Euch entronnen, denn nur ein Verbrecher kann entrinnen." "Und Du warst ein Verbrecher, denn Du hast Den ueberlistet und getoedtet, an welchem meine Seele hing. Du bist der Verbrecher, und ich bin Dein Richter." "Du irrst wieder. Ich bin Nurwan-Pascha, der Kapudan-Pascha des Beherrschers der Glaeubigen, und wer es wagt mich zu beleidigen, der beleidigt den Grossherrn." "Du bist Nurwan-Pascha, aber Du bist vor allen Dingen auch mein Unterthan, denn Du bist in Egypten geboren und warst Reis auf dem heiligen Strome." "Ich war Reis, aber geboren bin ich in einem andern fernen Lande. Dein Unterthan bin ich nicht, und ich stehe jetzt vor Dir um der Ermordeten willen. Wo ist Sobeide, das Weib Omar-Bathus?" "Weisst Du, dass ein Glaeubiger nie von seinem Weibe spricht?" "So bist du kein Glaeubiger, denn Du hast von Sobeide zu dem Aga gesprochen. Die Todten kannst Du nicht wieder lebendig machen, aber gib mir Sobeide, die Schwester meines Weibes, und ihr Kind heraus?!" Er hatte sich erhoben und stand in stolzer, gebieterischer Haltung vor dem Manne, dem saemmtliche Bewohner Egyptens als Sklaven gehoerten. Auch der Vizekoenig hatte sich erhoben und nach seinem Schwerte gegriffen. "Du wirst Sobeide niemals wieder sehen!" "Ich fordere sie von Dir, und auch alle Schaetze, welche der Aga dem Mamelukenfuersten raubte." "Du forderst? Ha! Ein Wink von mir, und Du liegst vor mir im Staube. Du stehst vor mir nicht als der Offizier des Grossherrn, sondern als der Moerder des Mudellir, und wenn ich Dich richte, wer wird erfahren, wo Du geblieben bist? Warum kommst Du zu mir wie ein schleichender Derwisch und nicht mit der Begleitung, welche dem Kapudan-Pascha ziemt? Den Kopf kann ich Dir abschlagen lassen, ohne dass Jemand ahnt, wo Du geblieben bist?" "Du irrst. Der Kadi-Baschi weiss, dass ich zu Dir gegangen bin; er wartet meiner Rueckkehr und wuerde sofort den Grossherrn benachrichtigen, wenn diese nicht erfolgte." "Meinst Du? Denkst Du, der Beherrscher von Egypten habe einen Kadi zu fuerchten? Wer bist Du? Ein Pilger oder ein Bettler, der allein zu mir kommt. Der Kapudan-Pascha ist nicht bei mir gewesen. Aga ergreife ihn!" Katombo legte die Hand an den Griff seines Saebels. "Meinst Du, der Kapudan-Pascha habe den Statthalter von Egypten zu fuerchten? Nimm Deinen Befehl zurueck, sonst zwingt er mich, selbst Rache zu nehmen an dem Moerder der Meinigen!" "Du wagst es, dem Koenige von Egypten in seinem eigenen Palaste zu drohen? Sofort ergreifst Du ihn, Aga!" Der Aga streckte die Arme aus; in demselben Augenblicke aber blitzte der Saebel Katombos, und das Haupt des Janitscharen fiel, vom Rumpfe getrennt, zur Erde. Der kopflose Koerper wankte einige Sekunden lang, dann stuerzte er auf den kostbaren Teppich nieder, waehrend ein Strom rauchenden Blutes sich ueber den Boden ergoss. "So weiss Nurwan-Pascha seinen Degen zu fuehren, wenn er gezwungen wird, den Frieden des Hauses zu verletzen." Er wischte die blutige Klinge an dem Kissen ab, auf welchem er gesessen hatte, und steckte sie in die Scheide. Der Vizekoenig hatte bis jetzt dagestanden, starr vor Schreck und Entsetzen. Jetzt kam wieder Leben in ihn. "Moerder!" bruellte er beinahe heulend und stuerzte sich mit hoch geschwungenem Saebel auf Katombo. Dieser parirte den Stoss blos mit der Faust, doch so, dass der Degen weithin an die Wand flog. Da griff der Khedive in seinen Shawl, der ihm als Guertel diente, riss eine Pistole hervor und drueckte ab. Katombo machte eine blitzschnelle Wendung, und die Kugel pfiff an seinem Kopfe vorueber. Der Schuss lockte im Nu saemmtliche Diener herbei, welche sich in der Naehe des Divans befunden hatten. "Haltet den Moerder und bindet ihn!" gebot der Khedive, schaeumend vor Wuth. Katombo zog den Saebel wieder. "Halt!" rief er streng. "Ich bin Nurwan-Pascha, der Kapudan-Pascha des Grossherrn. Ich habe mich nur gewehrt, und wer mich anruehrt, der ist ein Kind des Todes!" Diese Worte und seine drohende Haltung bewirkten einige Augenblicke der Unentschlossenheit unter den Dienern, welche meist feige entmannte Verschnittene waren. Katombo benutzte die wenigen Sekunden und schritt davon. Der Khedive wuethete vor Grimm, aber ehe sich die Kastraten ernstlich an die Verfolgung machten, war Katombo bereits in der Menge der Passanten verschwunden, welche sich vor dem Palaste bewegten. Der Vizekoenig schoss ein zweites Pistol auf die Dienerschaft ab und hieb einige von ihnen nieder; dann befahl er, den Kadi-Baschi sofort zu ihm zu bringen. Dieser hatte unterdessen auf die Zurueckkunft Katombos gewartet. "Wie ging es?" redete er ihn an, als er erschien. "Deine Augen blicken zornig und Deine Mienen verkuenden Unheil." "Dieser Saebel ist noch warm vom Blute des Moerders," antwortete der Gefragte finster. "Was hast Du gethan? Wen hast Du getoedtet?" "Den Janitscharenaga." "Allah akbar, Gott ist gross, aber Deine Verwegenheit ist noch viel groesser. Wo hast Du ihn niedergeschlagen?" "Im Palaste, vor den Augen des Vizekoenigs." Der Kadi erbleichte. "So bist Du verloren!" "Verloren? Der Kapudan-Pascha?" "Ja, denn weder ich noch der Grossherr kann Dich retten. Du hast den Frieden des koeniglichen Palastes verletzt und den obersten Polizeiverweser des Reiches getoedtet. Du bist der Rache und der Gerichtsbarkeit des Vizekoenigs verfallen." "Ich bin dieser Gerichtsbarkeit nicht unterworfen!" "Du bist es!" "Ich unterwerfe mich nicht." "Man wird Dich zwingen." "Du wirst mich schuetzen. Kein Khawasse des Vizekoenigs darf Dein Haus betreten." "Maschallah, das ist wahr, und Du wirst bei mir wohnen. Aber sobald Du Deinen Fuss ueber meine Schwelle setzest, wird man Dich festnehmen." "Ich werde vorsichtig sein. Ich schreibe sofort einen wahrheitsgetreuen Bericht an den Grossherrn, und dieser mag bestimmen was zu geschehen hat." "Ich werde das Meinige hinzufuegen, kann Dir aber meine Befuerchtungen nicht verhehlen. Der Grossherr hat Ruecksicht auf den Khedive zu nehmen." "Nicht auch auf seinen obersten Seeoffizier?" "Ja; doch ist die letztere nicht so sehr geboten wie die erstere." Jetzt kam der Bote, welcher den Kadi zum Vizekoenig beschied. Er folgte dem Rufe und begab sich unter einer zahlreichen Begleitung nach dem vizekoeniglichen Palast. Es dauerte eine sehr lange Zeit, ehe er wiederkehrte. Sein Gesicht machte keinen Hoffnung erweckenden Eindruck. "Es wird wie ich Dir sagte. Der Khedive verlangte Deine sofortige Auslieferung." "Du verweigertest sie ihm?" "Ja." "Was that er?" "Er muss das Voelkerrecht respektiren, welches mein Haus zu Deiner Freistaette macht, aber er wird dieses Haus eng umstellen lassen. Die dazu bestimmten Khawassen sind bereits unterwegs." "Das macht mir nicht bange, denn ich werde Dein Haus nicht eher verlassen, als bis die Entscheidung des Grossherrn angekommen ist." "Der Khedive wird sie eher in der Hand haben als Du." "Inwiefern?" "Weil noch ehe ich ihn verliess ein Bote von ihm nach Stambul gegangen ist, welcher sich im Namen des Vizekoenigs muendlich ueber Dich beschweren und Deine Auslieferung oder Bestrafung fordern soll." "Wen sandte er?" "Einen Mann, dessen Rang bei dem Grossherrn sehr in das Gewicht fallen wird - -" "Wohl gar seinen Wessir?" "Du erraethts es. Es ist sehr leicht zu denken, dass die muendliche Darstellung dieses hohen Beamten, der ein gewandter Diplomat ist, mehr Erfolg haben wird als Dein schriftlicher Bericht." Katombo neigte zustimmend den Kopf. "Du hast Recht. Der Grossherr hat kein starkes Herz. Hast Du gehoert von dem norlaendischen Herzog von Raumburg, den ich einst mit seinem ganzen Schiffe gefangen nahm?" "Jeder Tuerke kennt diese Deine Heldenthat, durch welche Du Kapitaen eines der besten Kriegsschiffe wurdest." "Die Gefangennahme dieses Mannes und die Befreiung des Grossveziers Malek-Pascha, der sich damals als Gefangener auf dem "Drachen" befand, gaben dem Kriege eine solche Wendung, dass der Grossherr den Frieden haette diktiren koennen. Dieser Herzog aber wusste ihm die Sachlage so darzustellen, dass er ihn freigab und mit dem Auftrage betraute, mit dem Koenige von Norland empfehlend ueber den Sultan zu reden, damit der Letztere den Frieden nicht so theuer zu erkaufen habe. Ich fuerchte, dass diese Schwaeche auch mir jetzt gefaehrlich werden kann." "Ich theile Deine Befuerchtung, werde Dir aber beistehen, so viel es in meine Kraefte gegeben ist. Natuerlich denkt es sich der Khedive, dass auch von Deiner Seite ein Bote nach Stambul gehen wird. Es ist beinahe zu erwarten, dass man diesem Boten Hindernisse in den Weg legen wird." "Das ist wahrscheinlich. Gibt es kein Mittel dies zu verhueten?" "Ich habe einen treuen Diener, auf den wir uns verlassen koennen. Natuerlich aber darf er nicht der ‹berbringer Deiner Botschaft sein. Wem soll er sie uebergeben?" "Dem Grossvezier, der mein Freund ist." "So schreibe schnell; das Andere werde ich besorgen, und Allah moege unsere Schritte segnen?" "Erwaehntest Du Sobeide bei dem Vizekoenige?" "Ja." "Und was antwortete er?" "Er sagte, dass wir noch heut Abend erfahren wuerden, was er ueber sie beschlossen habe." "Er wird sie in seinem Harem behalten, und ich kann nichts thun sie zu erloesen." "Seine Worte klangen doch so, als ob er vielleicht gesonnen sei, sie noch heut auszuliefern. Warte den Abend ab; der wird Dir die Entscheidung bringen!" Der Kadi hatte Recht; der Abend brachte die Entscheidung. Es war nach Mitternacht, und die Bewohner von Kairo lagen im Schlafe. Nur hier und da sass noch eine weiss verhuellte Gestalt auf der Plattform eines Hauses, um die erquickende Kuehle der Nacht zu trinken. Da trabten vier Traeger einer Saenfte durch die stillen Gassen, angefuehrt von einem Janitscharenoffizier. Vor dem Thore des Palastes, in welchem der Kadi-Baschi wohnte, gebot er Halt und klopfte an. Ein kleines Guckloch wurde geoeffnet, und das Gesicht eines Mohren erschien in demselben. "Leilka saaide(Gesegnete Nacht)!" gruesste der Janitschar. "Du bist der Waechter dieses Hauses?" "Ja. Was wuenschest Du, o Herr?" "Ist Dein Gebieter, der Kadi-Baschi noch wach?" "Er sitzt im Erker und arbeitet." "Ein Herr namens Nurwan-Pascha wohnt bei ihm?" "Ja." "Auch er ist noch wach?" "Ich weiss es nicht." "So wecke ihn und oeffne!" "Zu dieser spaeten Stunde? Das darf ich nicht. Mein Gebieter wuerde mir zuernen." "Ich will nicht eintreten, sondern Dir nur diese Saenfte uebergeben." "Wer sitzt darin?" "Eine Person, welche der Pascha erwartet." "Wer sendet sie?" "Der Vizekoenig." "So werde ich oeffnen. Du aber trittst nicht ein, sondern nur die Traeger, die sich dann sofort entfernen!" "Ich werde meinen Fuss nicht ueber Deine Schwelle setzen, und Du darfst die Saenfte nicht eher oeffnen, als bis Nurwan-Pascha selbst zugegen ist. Sage ihm nur, dass der Vizekoenig ihm das schickt, was er von ihm gefordert hat." Das Thor oeffnete sich; die vier Maenner trugen die Saenfte in den Hof und entfernten sich schweigend, wobei ihnen der Janitschar wieder voranschritt. Der Neger wagte nicht sich der Saenfte zu nahen. Er trat vielmehr in den Palast und begab sich nach dem Erker, in welchem sich der Kadi-Baschi befand. Dieser sass wirklich zwischen allerlei Buechern und schrieb emsig. Er hoerte den Eintretenden und wandte sich ihm unwillig zu: "Was willst Du? Weisst Du nicht, dass ich jetzt nicht mehr gestoert werden darf!" Der Neger lag auf dem Boden; er wagte den Kopf nur ein klein wenig von der Erde zu erheben. "Ich weiss es, Herr, und dennoch musste ich Dich stoeren, denn der Vizekoenig hat eine Saenfte geschickt." "Eine Saenfte? Eine leere? Fuer wen?" "Fuer Nurwan-Pascha. Sie ist nicht leer." "Wer ist darin?" "Ich weiss es nicht. Ein Janitscharenoffizier brachte sie und gebot mir, nicht nachzusehen, wer sich in ihr befindet. Ich soll sagen, dass der Vizekoenig das schickt, was Nurwan-Pascha von ihm gefordert hat." Der Kadi stand ueberrascht auf. "So gehe hinab und warte Deines Amtes weiter!" Der Neger kroch rueckwaerts zur Thuer hinaus, und der Kadi begab sich unverweilt nach den Raeumen, in denen sich Katombo befand. Dieser sass noch neben seinem Weibe und sprach mit ihr ueber die Ereignisse der letzten Tage. Er hoerte die Schritte, welche im Vorzimmer anhielten und trat hinaus. "Du bist es?" frug er erstaunt, als er den Kadi erkannte. "Ich bin es. Ich sehe, dass die Ruhe Deine Seele noch nicht umfangen haelt. Komm mit mir in den Hof!" "Was soll ich dort?" "Eine Saenfte sehen, welche Dir der Vizekoenig sendet." "Wer sitzt darin?" "Das muessen wir erst sehen." Eine schwere Ahnung fiel auf Katombos Seele. Die beiden Maenner begaben sich nach dem Hofe und oeffneten den Tragsessel. Der Strahl des Mondes fiel in das Innere desselben, und sie sahen ein blasses, geisterbleiches Frauenangesicht, dessen weit geoeffnete glanzlose Augen ihnen gespenstisch entgegenstarrten. "Sobeide!" rief Katombo, voellig starr vor Schreck. "Sobeide, die Tochter Remusats und das Weib von Omar-Bathu?" frug der Kadi. "Ja. Der Vizekoenig hat sie ermorden lassen!" Der Kadi fasste sich zuerst. "Das darfst Du noch nicht behaupten. Sie kann gestorben sein; sie kann sich selbst den Tod gegeben haben; sie kann auch noch leben. Wir muessen sie untersuchen. Lasse sie hinauf zu Deinem Weibe schaffen!" "Nein, denn Ayescha wuerde vor Entsetzen sterben. Gib mir ein stilles Zimmer, in welches ich sie tragen kann!" "So komm!" Katombo nahm die Leiche, welche ihre vollstaendigen Kleidungsstuecke trug, auf den Arm. Der Kadi gebot dem Neger, zu schweigen und die Saenfte einstweilen zu entfernen. Dann gingen die Beiden nach einem abgelegenen Raume, den der Kadi mit eigener Hand erhellte und in welchem sie ungestoert waren. Katombo legte die Todte auf einen Teppich. "Sie lebt nicht mehr, ihre Glieder sind vollstaendig kalt und steif." Der Kadi ergriff eines der herabhaengenden Haendchen. "Todt. Aber diese Steife ist unnatuerlich. Sie ist nicht zufaellig gestorben!" Katombo brachte das Licht naeher und betrachtete das Gesicht aufmerksam. Ein ploetzlicher Gedanke schien ihn zu durchzucken. "Sieh diese Nase und - hier diesen Ring an ihrem Finger!" Die Nasenoeffnungen waren ungewoehnlich weit geoeffnet und sehr dunkel gefaerbt. "Was meinst Du?" frug der Kadi. "Das ist der Ring des Mameluken. Er trug ihn stets und gab ihn niemals von sich. Er erzaehlte mir einst, dass der Ring ein feines Pulver enthalte, welches ihm ein weiser Magier angefertigt habe. Wer daran riecht, der muss sterben, bald oder spaeter, je nachdem er viel oder wenig von dem toedtlichen Dufte eingeathmet hat. Ein Gegenmittel und also auch eine Rettung gibt es nicht." "Wo soll das Pulver sein?" Katombo zog den Ring von dem Finger der Todten. "Sieh, er enthaelt nicht einen Stein, sondern das goldene Siegel des Mameluken, und unter demselben befindet sich eine hohle Kapsel, welche das Pulver verbirgt." "÷ffne sie!" "Das ist gefaehrlich. Verschliesse Mund und Nase!" Sie banden sich Beide ein Tuch vor, und nun versuchte Katombo, die Kapsel zu oeffnen. Es gelang. Sie enthielt ein feines blaeuliches Pulver, und auf demselben lag, so klein auch die winzige Hoehlung war, ein Stueckchen Papier, auf welches deutlich das Wort "Haar" gekritzelt war. "Was soll das heissen?" frug der Kadi. "Sie hat den Ring von Omars Hand genommen, als er todt neben ihr lag, das ist sicher. Sie wusste, dass ich das Geheimniss von diesem Gifte kenne und dass ich sofort die Art ihres Todes errathe, wenn ich den Ring an ihrem Finger sehe. Sie hat geahnt, dass ich ihn oeffnen werde und den Zettel finden muss. Vielleicht hat sie vor ihrem Tode im Haar etwas verborgen, was uns Aufklaerung geben kann. Lass uns suchen!" Sie loesten die Knoten des reichen Haares und fanden Katombos Vermuthung bestaetigt: ein zusammengefaltetes Stueck Papyros war zwischen den Locken verborgen. Katombo oeffnete es und las: "An Katombo. Ich soll heut Abend das Weib des Moerders sein, und dann will er mich an Dich ausliefern. Aber mein Kind will er behalten, um es fuer seinen Harem zu erziehen. Ich kann ohne mein Kind und meine Ehre nicht leben und werde sterben. Er wird Dir meine Leiche senden, und Du wirst diese Worte finden. Kuesse Ayescha; lebt wohl, und raecht meinen Tod und den meines Omar. Sobeide." Die Faust Katombos ballte sich, und seine Mienen zuckten in wildem Grimme. "Ich werde zu ihm gehen und ihn toedten!" "Aus Deinem Munde spricht der Zorn. Du vergissest, dass Du dieses Haus nicht verlassen darfst und dass ein Khedive nicht so leicht zu toedten ist wie ein Fellah oder ein Araber aus der Wueste!" "Warum nicht? Hat er mehrere Leben? Besitzt er ein Herz, in welches keine Kugel zu dringen vermag?" "Er ist so sterblich wie jeder Andere; aber die Rache wird auch Dir das Leben kosten. Denke an Dein Weib und an Dein Kind!" Die drohend erhobenen Arme Katombos sanken nieder. "Du hast Recht; aber dennoch wird er sterben, nicht an der Kugel, nicht an dem Schwerte oder meinem Dolche. Er soll desselben Todes sterben, den er der Tochter Remusats bereitet hat!" Er steckte den gefaehrlichen Ring an seinen Finger. Der Kadi legte ihm die Hand warnend auf den Arm. "Der Prophet sagt: "Ehe Du ein Wort sagst, denke drei Stunden nach; ehe Du aber eine That beginnst, denke dreimal drei Jahre nach! Du wirst nichts thun, ehe Deine Seele ihre Ruhe und Dein Auge seine Schaerfe wieder gewonnen hat! Das Leben eines Herrschers ist heilig und unantastbar." "Nicht heiliger und unantastbarer als jedes andere Leben. Aber sorge Dich nicht um mich. Nurwan-Pascha wird nichts thun, was er sich nicht zuvor reiflich ueberlegt hat. Aber wie kann ich das Kind erhalten?" "Sie wird es mit getoedtet haben." "Nein; eine Mutter toedtet nicht so leicht das einzige Wesen, dem sie erst das Leben gegeben hat. Haette sie dies dennoch gethan, so wuerde die Leiche des Kindes mit in der Saenfte gelegen haben." "Ich gebe Dir Recht. Ich gebe zu, dass ihm das Kind nicht gehoert; aber wie willst Du ihn zwingen es Dir auszuliefern? Wenn es so schoen ist wie Deine Tochter, so wird es nach wenigen Jahren die Zierde seines Harems werden." "Es ist so schoen. Ich muss warten, bis der Bescheid des Sultans eingetroffen ist." "Dann wirst Du Gelegenheit haben, Dich in Geduld zu ueben. Wirst Du Deinem Weibe sagen, dass ihre Schwester gestorben ist?" "Ja." "Ist es nicht besser, wenn Du es noch verschweigest?" "Nein. Die Todte hat ein Recht auf das Beileid der Ihrigen und ich weiss, dass Ayescha ihre Schwester lieber todt als in den Armen dessen weiss, der ihren Vater toedtete. Komm, lass mich zu ihr gehen! Leilka saaide; Allah segne Deine Nacht!" Mit schwerem Herzen verliess er die Todte, um die Lebende auf den Schmerz vorzubereiten, der ihrer bei der Nachricht von dem Geschehenen wartete. Eine lange Zeit verging, ohne dass die Einsamkeit Katombo's durch ein neues Ereigniss unterbrochen worden waere, und erst nach einigen Monaten liess sich das Ergebniss der Botschaft erfahren, welche sowohl er als auch der Vizekoenig nach Konstantinopel gesandt hatte. Er sass eben beim Kef (beschauliche Mittagsruhe), als einer der Diener eintrat und eine Meldung machte: "Effendina, es ist ein Mann draussen, der mit Dir reden will." "Wer ist es?" "Ein Kapudan (Kapitaen) aus Istambul." "Wie heisst er?" "Fezzar Achmed." Das Gesicht Katombo's verduesterte sich. Fezzar Achmed war ein renitenter Untergebener gewesen, den er einige Male die Schaerfe einer strengen Gerechtigkeit hatte fuehlen lassen. Es war jedenfalls kein gutes Zeichen, dass der Sultan grad diesen Mann ausersehen hatte, den grossherrlichen Bescheid zu ueberbringen. "Lass ihn hereintreten!" Der Diener folgte dem Gebote, und es erschien ein Mann, dessen wildes, von einem dichten Barte eingerahmtes Gesicht nicht eben ein Vertrauen erweckendes war. Statt der tiefen Verbeugung, welche er dem Range eines Kapudan-Pascha schuldig war, hob er einfach die Rechte bis in die Gegend des Herzens, trat einige Schritte vor und blieb dann in gerader, beinahe herausfordernder Haltung stehen. "Fezzar Achmed, wer sendet Dich?" frug Katombo. "Beide, der Grossherr, den Allah seinen Liebling nennt, und der Kapudan-Pascha, der ein Held ist, wie Keiner je zuvor." "Der Kapudan-Pascha? Dieser bin ich!" "Dieser warst Du, jetzt aber ist es Rumid-Pascha, der um Deinetwillen nach Smyrna verbannt wurde." "Ah! Allah ist gross, aber Du und der Sultan sind noch groesser. welches sind die Botschaften, die Du mir zu bringen hast?" Der Kapudan langte in die Tasche und zog ein kleines Etui hervor, welches mit dem feinsten Saffianleder ueberzogen und an den Ecken mit Gold beschlagen war. "Der Beherrscher aller Glaeubigen sendet Dir durch mich fuer Deine frueheren Verdienste und das, was er jetzt von Dir vernommen, diesen Schmuck. Er laesst Dir gebieten, ihn in meiner Gegenwart anzulegen, damit ich bestaetigen kann, dass Du ihn wirklich getragen hast." Katombo nahm das Etui und oeffnete es. Dasselbe enthielt den gefaehrlichen Schmuck, welchen zu vergeben das alleinige Recht des Sultans ist - die gelbseidene Schnur, an der sich Jeder aufzuhaengen hat, der sie bekommt. Katombo liess sein Auge lange auf ihr verweilen und meinte dann ruhig: "Zeige mir Deinen Biuruldu!" "Du glaubst mir nicht?" "Soll ich mich toedten auf das Wort eines Mannes, der mein Vertrauen nicht besitzt? Legitimire Dich!" Ein Laecheln des Hohnes ging ueber das Gesicht des Kapudan. Er zog ein Pergament hervor und zeigte es dem Kapudan-Pascha. "Hier hast Du die Vollmacht des Grossherrn!" "Sie ist aecht. Der Beherrscher aller Moslemin besitzt eine wunderbare und wahrhaft koenigliche Dankbarkeit. Allah moege ihn segnen! Welche Botschaft hast Du mir von dem neuen Kapudan-Pascha zu ueberbringen?" "Ich habe Dir zu sagen, dass drei Maenner sich Muehe gegeben haben, Dir dieses kostbare Geschenk auszuwirken." "Wer sind sie?" "Der Kapudan-Pascha selbst, der Bote des Khedive und ein Franke, ein Christ, der sich jetzt einer grossen Zuneigung des Sultans zu erfreuen hat." "Wer ist es?" "Ein Norlaender Fuerst, der Herzog von Raumburg. Auch er laesst Dich gruessen und Dir sagen, es sei fuer damals. Weiter weiss ich Nichts." "Was wirst Du thun, wenn ich die Schnur nicht nehme?" "Du musst sie nehmen!" "Und wenn ich es dennoch nicht thue?" "Der Sultan hat die Gnade gehabt, sie Dir zu uebersenden, damit Du enden kannst ohne wie ein gemeiner Verbrecher verurtheilt und hingerichtet zu werden. Als einen solchen muss ich Dich behandeln, wenn Du nicht gehorchst." "Worin wird diese Behandlung bestehen?" "Ich habe Dir dann einfach den Kopf abzuschlagen und ihn dem Grossherrn zu bringen." "Das wirst Du nicht noethig haben, denn ich werde den Befehl des Sultans ganz genau und woertlich so erfuellen, wie Du mir ihn ueberbracht hast. Du sagtest, der Beherrscher aller Glaeubigen gebiete mir, den Schmuck in Deiner Gegenwart anzulegen, damit Du bestaetigen kannst, dass ich ihn wirklich getragen habe?" "So ist es!" "So schau her! Ich gehorche." Er nahm die Schnur und legte sie sich wie ein Halsband um den Hals. "Halt! So ist es nicht gemeint. Dort ist das Fenstergitter. Du haengst Dich daran, und ich warte bei Dir, bis ich mich ueberzeugt habe, dass Du todt bist!" "Meinst Du? Ich habe Dir woertlich gehorcht; mehr darfst Du nicht verlangen. Kehre nach Stambul zurueck und melde Deinem Herrn, dass ich die Schnur getragen habe! Mein Leben gehoert Gott, aber nicht dem Sultan, und wenn ich gegen die Gesetze versuendigt haben soll, so mag nicht eine Selbsttoedtung oder ein Meuchelmord, sondern eine offene Untersuchung entscheiden." "Du weigerst Dich?" "Ich weigere mich!" "So nehme ich Deinen Kopf!" Er zog den krummen Tuerkensaebel und trat drohend naeher. "Du?" rief Katombo geringschaetzend. "Ja ich! Deine Gegenwehr nuetzt Dir nichts, denn ich bin so stark und geschickt wie Du, und Du hast keine Waffe." "Wurm! Verlasse augenblicklich dieses Haus, sonst vollziehe ich Deinen Auftrag an Dir selbst; Dir selbst werde ich den Kopf nehmen und ihn dem Sultan senden, damit er sich ueberzeugen kann, dass Du bei mir gewesen bist!" "So stirb!" Der Kapudan holte zum schnellen, gewaltigen Hiebe aus, Katombo aber kam ihm zuvor. Er unterlief ihn, entriss ihm das Schwert und fasste mit der Linken seine Hand. Mit einem maechtigen Rucke riss er ihn im Kreise um sich herum - die Klinge blitzte, und im naechsten Augenblicke war mit einem einzigen wuchtigen Hiebe der Kopf vom Rumpfe getrennt. Der erstere flog zur Erde, und der letztere wurde ueber den ganzen Raum hinweg geschleudert und stuerzte erst an der gegenueberliegenden Wand zu Boden. Jetzt untersuchte Katombo die Taschen des Todten. Er fand darin ein Schreiben des Sultans, worin dieser den Vizekoenig benachrichtigte, dass bei ‹berreichung desselben Nurwan-Pascha bereits an der seidenen Schnur gestorben sei. Wie es schien, wusste also in Kairo noch Niemand von dem Auftrage, welchen Fezzar Achmed auszurichten gehabt hatte. Nurwan entschloss sich kurz. Er hatte Zeit gehabt, sich zur Flucht vollstaendig vorzubereiten. Zunaechst verschloss er seine Raeumlichkeiten, damit Niemand Zutritt finden und das Geschehene bemerken koenne. Dann schickte er Ayescha mit der kleinen Almah in einer Saenfte fort. Ein bewaehrter Diener begleitete sie. Die draussen aufgestellten Khawassen hatten ihr Augenmerk nur auf ihn gerichtet und liessen sie jedenfalls ungehindert passiren. Nun begab er sich zu dem Kadi, welcher nicht die mindeste Ahnung von dem Geschehenen hatte. "Ich komme, um Dir Lebewohl zu sagen!" Der Angeredete blickte ihn ueberrascht an. "Hast Du Nachricht von dem Sultan?" "Ja." "Wie lautet sie?" Katombo erzaehlte ihm aufrichtig Alles. Der Kadi machte ein hoechst ernsthaftes Gesicht. "Weisst Du, dass ich Dich dem Grossherrn ausliefern muss?" "Wirst Du es thun?" "Du bist hoch gestiegen und tief gestuerzt, aber Du wirst dieselbe Hoehe wieder erreichen. Der Sultan hat einen Nachfolger, und dieser, das will ich Dir nun gestehen, hat mir besondere Weisungen in Beziehung auf Dich ertheilt. Du sollst frei sein!" "Du bist mein wahrer Freund. Ja, ich weiss es, dass ich wieder zur Hoehe kommen werde, und dann will ich Deiner gedenken wie ein Bruder des andern." "Wo hast Du die Deinen?" "Sie sind bereits fort. Ich werde sie an einem sicheren Orte treffen." "Und wie willst Du die Khawassen taeuschen?" "Ich werde das Haus als Derwisch verlassen." "Sie werden Verdacht schoepfen, denn sie wissen, dass kein Derwisch hereingekommen ist. Kennen sie Dein Gesicht?" "Das ist nicht leicht zu denken." "So werde ich Dir die Kleidung eines Laeufers besorgen. Ich reite aus, und Du begleitest mich." "Dann bitte ich Dich, lieber eine Saenfte zu nehmen, damit ich einiges mit fortbringen kann." "Wie Du willst. Deine Wohnung werde ich reinigen und die Leiche fortbringen lassen." "Den Kopf nehme ich mit mir." "Thue, was Dir gefaellt!" Eine halbe Stunde spaeter wurde das Thor geoeffnet, und die hinzutretenden Khawassen erblickten vier Saenftentraeger und zwei Laeufer. Die letzteren Beiden hatten Nilpeitschen in der Hand, um ihrem Herrn noethigenfalls damit den Weg durch die engen, belebten Gassen zu bahnen. Da trat der Kadi-Baschi in den Hof; ein Sklave trug ihm die Pfeife nach. Es war deutlich zu sehen, dass sich noch Niemand in der Saenfte befand. Der Kadi stieg ein, und die Traeger griffen zu den Tragstangen. Im raschen Schritte ging es zum Thor hinaus. Die Khawassen waren nicht schnell genug zurueckgetreten; die beiden vorantrabenden Laeufer warteten sofort ihres Amtes. "Remalek (Rechts)!" rief der Eine und "Schimalek (Links)!" der Andere, indem sie ihre Peitschen erhoben. Die trotz ihres Amtes in dieser Weise bedrohten Polizisten wichen schleunigst zurueck, und die Saenfte verschwand im Gewuehle der Strasse. Katombo war entkommen. Am andern Tage nahm im vizekoeniglichen Palais ein Fellah Zutritt, welcher den Khedive zu sprechen verlangte. Auf die Frage der Palastbeamten, was er vorzubringen habe, gab er an, ein wichtiges Schreiben ueberbringen zu muessen, welches in keine andere Haende als in diejenigen des Vizekoenigs kommen duerfe. Da er nur ein gewoehnlicher Fellah war, wurde er nicht zugelassen; man nahm ihm vielmehr das Schreiben ab, worauf er sich schleunigst entfernte. Der Brief ging aus einer Hand in die andere, bis er endlich an seine hohe richtige Adresse kam. Der Beherrscher Egyptens empfing das fest versiegelte, aus sehr starkem Papier gefertigte Couvert und oeffnete es. Es enthielt einen eng beschriebenen Bogen, dessen Schriftzuege so fein und klein waren, dass er ihn sehr nahe an das Gesicht halten musste und lange Zeit brauchte, ehe er den Inhalt zu entraethseln vermochte. Dieser lautete folgendermassen: "An den Tyrannen und Moerder. Du hast Manu-Remusat und Omar-Bathu gemordet, Du wolltest mich verderben und bist auch Schuld an Sobeidens Tode. Auge um Auge, Zahn um Zahn: Du wirst desselben Todes sterben, den auch sie gestorben ist. Sie besass einen Ring ihres hingeschlachteten Gatten, welcher ein feines, sicher wirkendes Gift enthielt. Sie nahm von demselben und starb, um Deiner Umarmung zu entgehen. Ich erhielt von Dir ihre Leiche und den Ring. Ich traenkte dieses Papier mit dem Gifte und schrieb so klein, dass Du es einathmen musst. Moerder, Deine Tage sind gezaehlt, denn kein Arzt oder Zauberer vermag es, Dir Hilfe zu bringen. Du wirst langsam hinsiechen und elend sterben. Denke in Deiner letzten Stunde an Deine Thaten und an mich, der die Seinen zu raechen weiss! Nurwan-Pascha."