Unvergessene FC-Helden: Dr. Herbert Joachimski

Der bekannteste Spieler des FC Singen in der Erstliga-Zeit – außer Willimowski natürlich – war der »lange Doktor« Herbert Joachimski. Er war als Kriegsgefangener von den Franzosen in Singen interniert worden und kam über die Kriegsgefangenen-Elf zum FC, d. h. zum Dachverein Eintracht Singen, der damals auch den FC umfasste. Vor dem Krieg begann seine Karriere bei der Breslauer SpVgg 02, die 1941/42 Meister der Gauliga Niederschlesien wurde, und er nahm mit diesem Verein 1942 an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft teil. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte er von 1947 bis 1950 in der Zonenliga Süd, 1950/51 in der Oberliga Süd und von 1951 bis 1953 in der II. Liga Süd beim FC Singen 04.

Joachimski spielte meistens auf der Position eines Außenläufers. Er trug meistens die Rückennummer 6 und war der Prototyp des Spielers, den man heute »den Sechser« nennt, der defensive Mittelfeldspieler, der das Spiel ankurbelt. Noch beim Einsatz in der Alte-Herren-Mannschaft nach seinem Karriere-Ende schlug er, fast aus dem Stand spielend, zentimetergenaue Diagonalbälle und Steilpässe über 30 oder 40 Meter. Zitate aus dem Südkurier:

Bei dem langen Doktor liefen die Fäden zusammen, er leistete sowohl in der Defensive als auch in der Offensive Überdurchschnittliches. (Erstligaspiel in Augsburg)
Der lange Doktor beherrschte von Beginn an streckenweise das Feld. (Zweitligaspiel 1951 gegen den SV Wiesbaden, der damals von dem anderen »Langen«, dem späteren Bundestrainer Helmut Schön trainiert wurde)

Er war auch noch in den beiden Zweitliga-Jahren bis 1953 der überragende Spielgestalter, wenn sich auch die Dreifach-Belastung Arzt, Fußballer und regional erfolgreicher Tennisspieler zunehmend vor allem konditionell auf die Leistung auswirkte. Dass er auch in der Vertragsspielerzeit nur als Amateur mitwirkte und seinen Beruf als Arzt ernst nahm, führte u. a. zu der kuriosen Situation, dass er kurz vor dem Erstliga-Spiel gegen den VfB Stuttgart zu einer Operation ins Krankenhaus gerufen wurde. (Dadurch kam Werner Zehner zu seinem ersten Oberliga-Einsatz, obwohl er schon im Vorspiel bei der Reserve-Mannschaft auf dem Feld gestanden war.) Nach seinem Rücktritt aus der ersten Mannschaft schrieb der Südkurier am 19. September 1953:

Für alle, die mit der Entwicklung des Singener Fußballsports vertraut sind, kann es nur ein Bedauern über diesen »Rücktritt« geben, denn mit Dr. Herbert Joachimskis Eintritt in die Reihen der hiesigen Fußballer (zusammen mit Zannin und Hellmig) begann ja in Singen erst eine neue Ära auf diesem Sportsektor. Er brachte eine Spielkultur mit, die von den Freunden brillanter Spielkunst hoch veranschlagt wurde. Ein volltrainierter Joachimski war der Idealtyp eines modernen Außenläufers.

Herbert Joachimski lebte von 1919 bis 1983; auf dem Singener Waldfriedhof ist sein Grabstein noch zu sehen.


Autor: Klaus Pommerening, 24. Oktober 2020; letzte Änderung: 4. April 2021.