Agatha an der Bahre des Paten

Agathe, komm und fürcht dich nicht,
schau deinem Paten ins Gesicht,
und weine nicht! Er ist nun tot,
ist frei von Sorgen, Leid und Not.

Wie liegt er still und freundlich doch!
Man meint, er höre alles noch.
Sieh hin, o Gott, er lächelt hold,
als ob er etwas sprechen wollt'.

Er litt an seiner Krankheit schwer.
Er sagt: »Sie quält mich nimmmermehr;,
der Tod hat meinen Wunsch erfüllt,
mein hitzig Fieber mir gestillt.«

Auch mancher Kummer hing ihm an.
Er sagt: »Er ficht mich nicht mehr an;
und wie es geht, landauf, landab,
im Kirchhof ich den Frieden hab.«

Sein Nachbar war ein böser Mann.
Er sagt: »Ich denke nicht mehr dran;
und fehlt ihm was, so tröst ihn Gott
und geb' auch ihm 'nen sanften Tod.«

Auch hing ihm mancher Fehler an.
Vorbei! Wir denken nicht mehr dran.
Er sagt: »Ich bin jetzt davon frei,
ein böses Herz war nie dabei.«

Er schläft und schaut jetzt nicht mehr her.
Er liebte einst die Patin sehr.
Er sagt: »Der Herrgott bleibt uns treu
und eint im Himmel uns aufs neu'.«

Agathe, geh und denk daran,
dein Pate war ein braver Mann.
Geh, halt dich ehrbar überall,
dein Stündlein schlägt dir auch einmal.

(Johann Peter Hebel: Alemannische Gedichte. Reclam-Universalbibliothek 8294.
Hochdeutsche Übertragung von Richard Gäng.)

Alemannische Version

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