[JoGu]

Kryptologie

Kommentar zu der kryptologischen Episode von

Jules Verne: Die Jangada

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Die Jangada ist der zweite Roman von Jules VERNE, in dem Kryptologie eine Rolle, hier sogar eine entscheidende Rolle spielt. Jules VERNE zeigt, dass er mit der kryptologischen Literatur auf einem aktuellen Stand ist, aber auch wieder, dass er kein wirklicher Kryptologe ist. Der Kampf um die Entschlüsselung ist allerdings wieder sehr packend dargestellt - man leidet mit dem Richter Jarriquez, dem kryptoanalytischen Helden dieses Romans, mit.

Auch in dieser Geschichte finden sich die typischen VERNEschen Unstimmigkeiten: Warum sollte ein brasilianischer Sklavenjäger sein Bekenntnis in französisch verfassen? Die Antwort liegt nahe: Verne kannte nicht genug portugiesisch, um den entsprechenden Text zu formulieren und zu verschlüsseln. Jarriquez errät das verwendete Verfahren richtig, auch wenn seine Begründung, die Wiederholung der Dreiergruppe hhh, nicht gerade überzeugend ist. Aber warum probiert Jarriquez tagelang fast planlos herum, anstatt das - ja tatsächlich im Text vorkommende - wahrscheinliche Wort Dacosta über den Text zu schieben? Er tut den diesbezüglichen Vorschlag Manoels als undurchführbar ab. Das Argument, der Beginn der Schlüsselzahl müsse mit dem Beginn des wahrscheinlichen Wortes zusammenfallen, ist hier völlig irrelevant.

Wie aufwändig wäre dieser Lösungsversuch, die Suche nach dem wahrscheinlichen Wort Dacosta, denn wirklich? Das Textstück umfasst 276 Buchstaben. Es sind also rund 270 Versuche nötig. Rechnet man großzügig 5 Minuten für jeden Versuch, so dauert die vollständige Suche keine 23 Stunden. Zudem lässt sich die Durchführung auf mehrere Mitstreiter verteilen, so dass die Lösung in wenigen Stunden gefunden worden wäre. Das hätte freilich die Dramatik des Romans beträchtlich verringert.

Weiterhin bemerkt Jarriquez richtig, dass bei der Verschlüsselung, erreicht man das Ende des Alphabets, zyklisch wieder von vorne begonnen wird. Bei seinen Analyseversuchen scheint er das aber vergessen zu haben - er schliesst mögliche Schlüssel aus, weil er etwa glaubt, vom h nicht 8 Buchstaben zurückzählen zu können - z wäre das Ergebnis.

Am Schluss, nachdem das wahrscheinliche Wort Ortega richtig lokalisiert ist, hilft noch der Zufall, dass das Textstück wirklich genau mit der der gleichen Ziffer des Schlüssels beginnt - eine Chance von 1/6. Hätte dies nicht gepasst, wären die entscheidenden Sekunden verpasst worden, und Joam Dacosta hätte am Strick gebaumelt.

Und schließlich: Bei einer ordentlichen Ermittlung hätte der Name Ortega auch schon ohne Fragosos Gewaltritt gefunden werden müssen.


Versuchen wir uns auch hier wieder an der Kryptoanalyse nach den Regeln des Handwerks. Zunächst die Auszählung:

  A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z
  3  4  3 16  9 10 13 23  4  8  9  9  9  9 12 16 16 12 10  8 17 13  0 12 19 12

Die Verteilung ist zwar nicht sehr gleichmäßig, aber doch für eine monoalphabetische Verschlüsselung zu glatt. Eine polyalphabetische Verschlüsselung mit nicht allzu langem Schlüssel würde passen; das fehlende W deutet auf eine romanische Sprache.

Die Parallelstellensuche ergibt acht Wiederholungen der Länge 3:

   DDQ  - Distanz 186
   DQF  - Distanz 186
   RYM  - Distanz 192
   TOZ  - Distanz 186
   RPL  - Distanz  60
   HHH  - Distanz  54
   KYU  - Distanz  12
   YUU  - Distanz  12

Darunter befindet sich auch die von Jarriquez bemerkte Parallestelle HHH, die alleine schon fast auf die Schlüssellänge 6 schließen ließe; zusammen mit den anderen ist der Schluss auf eine periodische polyalphabetische Chiffre mit Schlüssellänge 6 jedenfalls zwingend. Dennoch zur Absicherung der Anfang des Koinzidenzspektrums:

     kappa[1]  = 0.0616 (<---)
     kappa[2]  = 0.0471     
     kappa[3]  = 0.0290     
     kappa[4]  = 0.0435     
     kappa[5]  = 0.0290     
     kappa[6]  = 0.0616 (<---)
     kappa[7]  = 0.0326     
     kappa[8]  = 0.0471     
     kappa[9]  = 0.0326     
     kappa[10] = 0.0507     
     kappa[11] = 0.0652 (<---)
     kappa[12] = 0.1159 <---
     kappa[13] = 0.0326     
     kappa[14] = 0.0217     
     kappa[15] = 0.0399     
     kappa[16] = 0.0471     
     kappa[17] = 0.0399     
     kappa[18] = 0.0725 <---
     kappa[19] = 0.0435     

Eine deutliche Bestätigung! Teilen wir also das Kryptogramm in Sechsergruppen auf:

     PHYJSL YDDQFD ZXGASG ZZQQEH XGKFND RXUJUG IOCYTD XVKSBX
     HHUYPO HDVYRY MHUHPU YDKJOX PHETOZ SLETNP MVFFOV PDPAJX
     HYYNOJ YGGAYM EQYNFU QLNMVL YFGSUZ MQIZTL BQGYUG SQEUBV
     NRCRED GRUZBL RMXYUH QHPZDR RGCROH EPQXUF IVVRPL PHONTH
     VDDQFH QSNTZH HHNFEP MQKYUU EXKTOG ZGKYUU MFVIJD QDPZJQ
     SYKRPL XHXQRY MVKLOH HHOTOZ VDKSPP SUVJHD

und zählen wir die Kolonnen aus:

           A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
                                                              
  Kol. 0:  0 1 0 0 3 0 1 5 2 0 0 0 6 1 0 4 4 3 4 0 0 2 0 3 4 3
  Kol. 1:  0 0 0 7 0 2 4 9 0 0 0 2 1 0 1 1 5 2 1 0 1 4 0 3 2 1
  Kol. 2:  0 0 3 2 3 1 4 0 1 0 9 0 0 3 2 3 2 0 0 0 4 4 0 2 3 0
  Kol. 3:  3 0 0 0 0 3 0 1 1 4 0 1 1 3 0 0 4 4 3 5 1 0 0 1 7 4
  Kol. 4:  0 3 0 1 3 3 0 1 0 3 0 0 0 2 8 5 0 2 2 3 7 1 0 0 1 1
  Kol. 5:  0 0 0 6 0 1 4 7 0 1 0 6 1 0 1 3 1 1 0 0 4 2 0 3 2 3

Versuchen wir, die Häufigkeiten durch Zurechtrücken, so gut es geht, mit der gewöhnlichen Verteilung der gängigen Sprachen zur Deckung zu bringen, ergibt sich das Bild:

          A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z

  0 1 0 0 3 0 1 5 2 0 0 0 6 1 0 4 4 3 4 0 0 2 0 3 4 3
    0 0 0 7 0 2 4 9 0 0 0 2 1 0 1 1 5 2 1 0 1 4 0 3 2 1
      0 0 3 2 3 1 4 0 1 0 9 0 0 3 2 3 2 0 0 0 4 4 0 2 3 0
3 0 0 0 0 3 0 1 1 4 0 1 1 3 0 0 4 4 3 5 1 0 0 1 7 4
        0 3 0 1 3 3 0 1 0 3 0 0 0 2 8 5 0 2 2 3 7 1 0 0 1 1
    0 0 0 6 0 1 4 7 0 1 0 6 1 0 1 3 1 1 0 0 4 2 0 3 2 3

Die wahrscheinlichen Verschiebungen sind also: 4 3 2 5 1 3, und, wie wir aus dem Roman wissen, haben wir damit den Schlüssel entdeckt.


Noch schneller geht es übrigens mit einer Mustersuche nach dem wahrscheinlichen Wort Dacosta, wenn wir wie Jarriquez annehmen, dass die Chiffre durch eine Zahl gegeben, also eine GRONSFELD-Chiffre ist - eine BELASO-Chiffre, bei der das Alphabet um maximal 9 Positionen verschoben wird. Dann kann jeder Geheimtextbuchstabe höchstens um neun Stellen hinter dem zugehörigen Klartextbuchstaben stehen, so dass der Suchausdruck

     [DEFGHIJKLM][ABCDEFGHIJ][CDEFGHIJKL][OPQRSTUVWX]
     [STUVWXYZAB][TUVWXYZABC][ABCDEFGHIJ]

zu verwenden ist. Er gibt genau einen Treffer, und zwar EDGRUZB, was natürlich die richtige Stelle ist.

Laut F. W. BAUER stammt die GRONSFELD-Chiffre aus dem 17. Jahrhundert, und wurde noch 1892 von französischen Anarchisten benützt - sie hatten wohl auch Jules VERNE gelesen; für BAZERIES war die Kryptoanalyse kein Problem.


Autor: Klaus Pommerening, 29. September 2000; letzte Änderung: 20. September 2013.