[JoGu]

Kryptologie

Montague Rhodes James: The Treasure of Abbot Thomas

[Der Schatz des Abtes Thomas]

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Kryptographisch relevanter Auszug

[Deutsche Übersetzung K. P.]

[Auf drei Scheiben eines alten Kirchenfensters, das aus der Abtei Steinfeld in der Eifel stammte und in irgendwelchen Kriegswirren nach England gelangt war, sind drei biblische Gestalten abgebildet: der Patriarch Hiob, der Evangelist Johannes und der Prophet Sacharja [siehe auch hier]. Jeder hält eine Schriftrolle oder ein Buch mit einer Inschrift, deren Sinn dunkel ist. Es gibt aber die Legende, niedergeschrieben in einem Buch Sertum Steinfeldense Norbertinum, dass der Abt Thomas im Kloster einen Schatz versteckt und auf die drei Heiligen für die Lösung des Rätsels verwiesen hatte. Somerton, der Held der Geschichte entdeckt nun dieses Fenster. Beim Reinigen der Scheiben findet er übermalte Buchstaben auf den Gewändern. Somerton erzählt seinem Freund Gregory, den er zur Unterstützung herbeigeholt hat, was er entdeckt hat.]

[...] Jede der Statuen hatte, wie der Text sagte, »eine Inschrift auf dem Gewand, die niemand kennt«.

Durch diese Entdeckung schien es mir natürlich absolut sicher, dass ich auf der richtigen Spur war. Und wie lauteten nun diese Inschriften? Beim Säubern des Glases bereitete es mir fast Pein, die Buchstaben nicht gleich zu lesen, sondern den Versuch aufzuschieben, bis ich alles zusammen hatte. Und als ich dann so weit war, das kann ich dir, lieber Gregory, versichern, hätte ich vor reiner Enttäuschung fast geschrien. Was ich da las, war das hoffnungsloseste Buchstabengewirr, das jemals in einem Hut durcheinandergeschüttelt worden war. Hier ist es:

Hiob. DREVICIOPEDMOOMSMVIVLISLCAVIBASBATAOVT
St. Johannes. RDIIEAMRLESIPVSPODSEEIRSETTAAESGIAVVNR
Sacharja. FTEEAILNQDPVAIVMTLEEATTOHIOONVMCAAT.H.Q.E

So leer ich mich auch fühlte und wohl ein paar Minuten ausgesehen habe, meine Enttäuschung dauerte nicht lange. Mir wurde fast sofort klar, dass ich es mit einer Geheimschrift oder einem Kryptogramm zu tun hatte; und ich überlegte mir, dass dieses wohl von einer ziemlich einfachen Art war, wenn man sein frühes Entstehungsdatum bedachte. Also schrieb ich die Buchstaben mit allergrößter Sorgfalt ab. Von einer weiteren kleineren Beobachtung kann ich dir berichten, die meinen Glauben an eine Geheimschrift bestätigte. Nachdem ich die Buchstaben auf Hiobs Umhang kopiert hatte, zählte ich sie, um mich zu vergewissern, dass ich alle hatte. Es waren achtunddreißig; und gerade als ich sie durchgezählt hatte, fiel mein Auge auf ein Gekritzel, das mit einer scharfen Spitze auf dem äußersten Rand der Scheibe gemacht worden war. Es war einfach die römische Zahl xxxviii. Um es kurz zu machen, eine ähnliche Notiz, um das so zu nennen, fand sich auf jeder der anderen Scheiben, und das überzeugte mich davon, dass der Glasmaler bezüglich der Inschriften vom Abt Thomas sehr strikte Anweisungen bekommen hatte, und sich große Mühe gegeben hatte, alles korrekt wiederzugeben.

Nun, du kannst dir vorstellen, wie sorgfältig ich nach dieser Entdeckung die ganze Glasfläche nach weiterer Erleuchtung absuchte. Natürlich vernachlässigte ich auch die Inschrift auf der Schriftrolle des Sacharja nicht -- »Auf einem Stein sind sieben Augen« --, aber ich kam sehr schnell zu dem Schluss, dass dieses sich wohl auf eine Markierung eines Steines bezog, der erst vor Ort zu finden war, dort wo der Schatz verborgen ist. Kurz, ich machte alle möglichen Notizen und Skizzen und kehrte dann nach Parsbury zurück, um mich in Ruhe der Geheimschrift widmen zu können.

O, was litt ich durch! Ich hielt mich zuerst für ziemlich schlau, weil ich annahm, dass der Schlüssel in einem der alten Bücher über geheime Schriften zu finden sei. Die Steganographia von Joachim [sic!] Trithemius, einem älteren Zeitgenossen des Abtes Thomas, schien besonders vielversprechend; daher beschaffte ich mir diese, die Cryptographia von Selenius, De Augmentis Scientiarum von Bacon und noch einiges mehr. Aber ich fand keinen passenden Hinweis. Dann versuchte ich es mit dem Prinzip des »häufigsten Buchstabens«, erst mit Latein als Basis, dann mit Deutsch. Auch das half nichts; ob es hätte sollen, weiß ich nicht.

Schließlich kam ich auf das Fenster selbst zurück und überflog meine Notizen in der fast aussichtslosen Hoffnung, dass der Abt selbst vielleicht irgendwie den gesuchten Schlüssel geliefert hätte. Ich konnte mit der Färbung und Musterung der Gewänder nichts anfangen. Es gab keine Landschaften mit aufschlussreichen Objekten im Hintergrund; es gab nichts in den Himmelsgewölben. Die einzig mögliche Hilfe schien die Haltung der Figuren. »Hiob«, so las ich, »Schriftrolle in der linken Hand, Zeigefinder der rechten Hand nach oben ausgestreckt. Johannes: Hält Buch mit Inschrift in linker Hand; schwört mit rechter Hand, mit zwei Fingern. Sacharja: Schriftrolle in linker Hand; rechte Hand emporgestreckt wie Hiob, aber mit drei Fingern nach oben zeigend.« Mit anderen Worten, so überlegte ich, Hiob hat einen Finger ausgestreckt, Johannes zwei und Sacharja drei. Könnte darin nicht ein numerischer Hinweis verborgen sein? Mein lieber Gregory [...], das war der Schlüssel. Zuerst passte er nicht, aber nach zwei, drei Versuchen erkannte ich, was gemeint war. Nach dem ersten Buchstaben der Inschrift lässt man einen Buchstaben aus, nach dem nächsten zwei und danach drei. Hier siehst du das Ergebnis. Ich habe die Buchstaben unterstrichen, aus denen sich Wörter bilden:

      DREVICIOPEDMOOMSMVIVLISLCAVIBASBATAOVT
  RDIIEAMRLESIPVSPODSEEIRSETTAAESGIAVNNR
  FTEEAILNQDPVAIVMTLEEATTOHIOONVMCAAT.H.Q.E.

Siehst du's? »Decem millia auri reposita sunt in puteo in at...« (Zehntausend Gold [-stücke] wurden gelegt in einen Brunnen in ...), gefolgt von einem unvollständigen Wort, das mit at beginnt.

So weit, so gut. Ich versuchte das gleiche Schema auf die übrigen Buchstaben anzuwenden; aber das funktionierte nicht, und ich rätselte, ob vielleicht die Anordnung der Punkte nach den letzten drei Buchstaben eine Abweichung beim Vorgehen anzeigen sollten. Dann fiel mir ein: War da nicht eine Anspielung auf einen Brunnen in diesem Buch Sertum? Ja, da stand es: Er baute einen puteus in atrio (einen Brunnen im Hof). Da hatte ich natürlich mein Wort: atrio. Der nächste Schritt war, die übrigen Buchstaben der Inschrift herauszuschreiben und dabei die bereits verbrauchten auszulassen. Was herauskam, siehst du auf diesem Papierstreifen:

      RVIIOPDOOSMVVISCAVBSBTAOTDIEAMLSIVSPDEERS
      ETAEGIANRFEEALQDVAIMLEATTHOOVMCA.H.Q.E.

Nun wusste ich ja, was die nächsten drei Buchstaben sein sollten, nämlich rio -- um das Wort atrio zu vervollständigen; und wie du sicher siehst, finden sich diese alle unter den ersten fünf Buchstaben. Zuerst war ich durch das Vorkommen der beiden i etwas verwirrt, aber ich erkannte ziemlich bald, dass man im Rest der Inschrift jeden zweiten Buchstaben nehmen musste. Du kannst es selbst nachvollziehen; das Ergebnis, dort fortgesetzt, wo die erste »Runde« aufhört, ist:

rio domus abbatialis de Steinfeld a me, Thoma, qui posui custodem super ea. Gare à qui la touche.

Damit war das ganze Geheimnis enthüllt:

Zehtausend Goldstücke wurden in einen Brunnen im Hof der Abtei Steinfeld gelegt von mir, Thomas, der ich einen Wächter über sie eingesetzt habe. Gare à qui la touche.

HTML-Autor: Klaus Pommerening, 5. März 2008; letzte Änderung: 9. März 2008.