[JoGu]

Kryptologie

Dan Brown: Diabolus/ Digital Fortress

a7Hzq .#5r<
kÜ\as TâÆK$
ûj(Ö2 ñw%h:
Úk{4R f~`z8
¤˜Æ+Ô „&¢Dø

Ein Bestseller aus den USA, wie es leider viele gibt. Eine dünne Handlung ohne Tiefgang und mit vorhersehbarem Ausgang wird durch Tricks aus dem Rezeptbuch spannend gemacht und durch völlig unrealistische Aktionsszenen auf 500 Seiten aufgebläht. Dazu wird die Handlung in mehrere parallele Fäden aufgeteilt, diese in jeweils kurze Stücke zerhackt, an deren Ende jeweils ein Sympathieträger in Gefahr ist, und diese Stücke werden bunt durcheinandergemischt. Die dadurch erzeugte »lokale« Spannung führt dazu, dass der Leser das Buch nicht aus der Hand legen mag. Die Logik oder auch nur Plausibilität der Handlung spielt da keine Rolle mehr. Völlig an der Realität vorbei dürfte jedenfalls die Darstellung des Krisenmanagements der NSA sein: Kaum vorstellbar, dass diese Organisation sich in einer angespannten Situation in einen solchen Haufen zappelnder und kreischender Idioten verwandelt. Wenn man irgendwo professionelles Verhalten erwarten darf, dann doch wohl bei der NSA.

Die politische Korrektheit wird hergestellt, indem der Chef der NSA als dunkelhäutig beschrieben wird und eine Frau die Kryptologie-Abteilung leiten darf. Ersteres spielt für die Handlung überhaupt keine Rolle, letzteres sorgt dafür, dass die Liebe mit ihren körperlichen Begleiterscheinungen ins Spiel kommt. Und alles wirkt immer mit dem Ziel konstruiert, die Filmproduzenten anzulocken; das Drehbuch für Hollywood ist fast fertig.

Für den Kryptologen ist das Buch nach 50 Seiten erledigt. Selten sah man so viel hanebüchenen Unsinn auf so engem Raum versammelt. Der Autor wirft mit kryptologischen Schlagwörtern um sich, obwohl er nicht einmal eine ungefähre Vorstellung von ihrer Bedeutung hat. Einen Computer, der aus einem in ASCII-Zeichen vorliegenden Geheimtext automatisch einen Klartext in chinesischen Schriftzeichen herstellt und dann noch nicht einmal merkt, dass es sich um einen japanischen Text handelt, hat selbst die NSA nicht. Dass man in einem mit modernen Methoden verschlüsselten Geheimtext Struktur und Regeln erkennt, ist Unsinn. Mit seiner Ansicht, der »Caesar-Code« sei eine Transpositionschiffre, dürfte Dan Brown weltweit allein dastehen. Die Beschreibung der Enigma, »riesige ineinandergreifende Walzen, die sich auf raffinierte Weise gegeneinander verdrehen«, ist nicht besonders zutreffend; in der Walzenbewegung unterscheidet sich die Enigma nicht von einem Stromzähler, außerdem sind die Walzen nicht riesig, sondern handlich.

Die Beschreibung von Public-Key-Verfahren ist geradezu lächerlich: »... es waren computererzeugte Hash-Funktionen, die unter Anwendung von Zufallsfunktionen und multiplen symbolischen Alphabeten die Information in willkürliche Zeichenfolgen zerlegten.« Das haben Rivest, Shamir und Adleman nicht verdient. Weiter geht es: »Wenn ein gesuchter Private-Key zehn Stellen hatte, programmierte man einen Computer, jede mögliche Zeichenkombination zwischen 0000000000 und ZZZZZZZZZZ durchzuprobieren, wobei der Rechner früher oder später auf die richtige Zeichenfolge stoßen musste.« Von großen Zahlen hat er auch keine Vorstellung: »In den Neunzigerjahren waren die Private-Keys über fünfzig Stellen lang geworden und verwendeten sämtliche Zeichen des aus Buchstaben, Zahlen und Symbolen bestehenden ASCII-Alphabets. Die Zahl der verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten bewegte sich in der Gegend von 10125, einer Zehn [sic!] mit einhundertfünfundzwanzig Nullen. Das Erraten eines solchen Keys mit der Brute-Force-Methode war etwa so wahrscheinlich, wie an einem fünf Kilometer langen Strand ein bestimmtes Sandkorn zu finden.« Lieber Herr Brown, die ganze Erde besteht nur aus 1051 Atomen. Dass man einen »Private-Key« über die Tastatur eingeben muss, ist unsinnig, und dass dieser am Ende nur aus einer einzigen Dezimalziffer besteht ... weniger Sachkenntnis kann ein Autor wohl kaum haben. Weiteres typisches Highlight: »Passwörter haben niemals Zwischenräume.«

Ob es teuflisch ist, ein für die NSA nicht zu brechendes Verschlüsselungsverfahren zu entwickeln, mag jeder für sich selbst entscheiden; nicht jeder Mensch auf der Erde vertraut dieser Behörde hundertprozentig. Dass die EFF, eine der wenigen Organisationen in den USA, die sich konsequent für den Datenschutz einsetzen, durchweg als staatsfeidliche Terroristenbande dargestellt wird, mag einem Europäer nicht recht schmecken.

Fazit: Ich empfehle, das Buch nicht zu lesen.


Autor: Klaus Pommerening, 31. März 2006; letzte Änderung: 14. April 2006.