[JoGu]

Kryptologie

Auszug aus »Von Bagdad nach Stambul« von Karl May

Achtes Kapitel: »In Edreneh«, geschrieben ca. 1884.

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[...]

Halef bückte sich nieder und hob einen ziemlich großen Fetzen Tuches auf. Er betrachtete ihn und sagte:

»Das ist ein Stück, welches ich Barud el Amasat aus seinem Kaftan gerissen habe. Da hängt noch die Tasche daran.«

»Ist etwas darin?«

Er griff hinein und sagte:

»Ein Stück Papier. Hier ist es.«

Ich betrachtete es beim Schein der Laterne und öffnete es. Es war ein winzig kleines, aber mit einem großen Siegel versehenes Briefchen gewesen. Drei kurze Zeilen standen darin. Sie waren in arabischer Schrift geschrieben, und zwar so klein, daß ich sie hier unmöglich lesen konnte. Ich steckte also das Briefchen zu mir und suchte nach anderen Überresten des ungleichen Kampfes; es fanden sich keine mehr.

[...]

Jetzt erst hatte ich Zeit, den Zettel vorzunehmen, den ich bis jetzt noch nicht entziffert hatte.

»Kannst du die Zeilen lesen, Effendi?« fragte Isla.

Ich gab mir alle Mühe, mußte jedoch mit »Nein« antworten. Der Zettel ging aus einer Hand in die andere, vergeblich. Niemand vermochte ihn zu lesen. Die einzelnen Buchstaben waren ziemlich deutlich geschrieben; aber sie bildeten Wörter, welche mir und den anderen vollständig fremd und unverständlich waren.

Ich buchstabierte die kürzesten dieser Wörter zusammen - sie hatten keinen Sinn. Da zeigte sich mein guter Halef als der Klügste von allen.

»Effendi,« sagte er, »von wem wird der Zettel sein?«

»Wohl jedenfalls von Hamd el Amasat.«

»Nun, dieser Mann hat alle Ursache, das, was er schreibt, geheim zu halten. Denkst du nicht, daß diese Schrift eine geheime ist?«

»Hm! Du kannst recht haben. Hamd el Amasat mußte den Umstand mitberechnen, daß der Zettel möglicherweise in falsche Hände gelangen konnte. Die Schrift ist nicht geheim; aber wie es scheint, ist die Zusammenstellung der Buchstaben eine ungewöhnliche. ,Sa ila ni‘; das verstehe ich nicht. ,Al‘, das ist ein Wort; ,nach‘ aber ist kein orientalisches - - ah, wenn man es umdreht, wird ,Chan‘ daraus!«

»Vielleicht ist auch alles verkehrt geschrieben!« sagte Hulam. »Du hast ,ila‘ gelesen. Umgedreht würde es ,Ali‘ lauten.«

»Richtig!« antwortete ich. »Das ist ein Name und zugleich ein serbisches Wort, welches ,aber‘ bedeutet. ,Ni‘ heißt umgekehrt ,in‘; das ist rumänisch und bedeutet ,sehr‘.«

»Lies einmal alle drei Zeilen von links nach rechts, anstatt von rechts nach links!« sagte Isla.

Ich tat es; aber es erforderte dennoch große Mühe, ehe es mir gelang, die Buchstaben anders zu gruppieren, so daß zusammenhängende Worte entstanden. Das Resultat bestand in dem Satze:

»In pripeh beste la karanorman chan ali sa panajir menelikde.«

Das war jedenfalls ein mit Absicht gebrauchtes Gemisch von Rumänisch, Serbisch und Türkisch und lautete:

»Sehr schnell Nachricht in Karanorman-Chan; aber nach dem Jahrmarkt in Menelik.«

»Das ist richtig; das muß richtig sein!« rief Hulam aus. »In einigen Tagen ist Markt in Menelik.«

»Und Karanorman-Chan?« fragte ich. »Wer kennt diesen Ort? Wo mag er liegen?«

Niemand kannte ihn. Das Wort bedeutet zu Deutsch ,Finsterwaldhaus‘ oder ,Schwarzwaldhaus‘. Der Ort war also jedenfalls klein und lag im Walde, im tiefen Forste. Aber in welcher Gegend?

Es wurden zehnerlei Vorschläge gemacht, um eine Art und Weise zu entdecken, sich über die Lage dieses geheimnisvollen Ortes zu unterrichten; aber keiner schien zum Ziele zu führen.

»Strengen wir uns jetzt nicht zu sehr an,« sagte ich. »Die Haupsache ist, daß die Nachricht erst nach dem Jahrmarkt von Menelik nach Karanorman-Chan gebracht werden soll. Das wort ,sa‘ bedeutet ,nach‘ und ,hinter‘; ich schließe daraus, daß der Empfänger des Briefes erst den Jahrmarkt besuchen soll, bevor er nach Karanorman-Chan geht. Und nach Menelik geht ja wohl der Weg, welchen die drei Reiter gestern abend eingeschlagen haben. Nicht?«

»Ja,« antwortete Hulam, »du hast recht, Effendi. Dieser Barud el Amasat ist nach Menelik. Dort wird man ihn sicher treffen.«

»So wollen wir keine Zeit verlieren und möglichst schnell aufbrechen. Zugleich aber wird es nötig sein, einen Boten nach Iskenderiëh zu Henri Galingré zu senden, um ihn zu warnen.«

»Das werde ich besorgen. Aber ehe ihr aufbrecht, nehmt ihr ein Mahl bei mir ein, und ferner muß ich die Erlaubnis haben, für euch zu sorgen!«

[...]


Auszug aus »Durch das Land der Skipetaren« von Karl May

Siebentes Kapitel: »In Wassersnot«, geschrieben ca. 1886.

[...]

»... Eure Stunden sind gezählt, denn euer Anführer wird der Tapferkeit des Effendi erliegen.«

»Er mag ihn suchen!« höhnte der Alte.

»O, er wird ihn finden; er weiß ja, wo er steckt!«

»Ah, weiß er das wirklich?«

»Denkst Du, es sei uns nicht bekannt? Ich selbst werde mit nach Karanorman-Khan gehen, um dem Effendi beizustehen.«

Da war das Wort heraus! Ich hatte dem Unvorsichtigen gewinkt - er sah es nicht. Ich wollte ihn unterbrechen, aber er sprach in seinem Eifer so schnell, daß ich meine Absicht nicht erreichte. Ich wollte doch nicht wissen lassen, daß mir der Ort bekannt sei.

Habulam horchte auf. Sein Gesicht nahm den Ausdruck der Spannung an.

»Kara - nor - man - Khan!« rief er, indem er die beiden Silben ,norman‘ besonders betonte. »Was ist das für ein Ort?«

»Ein Ort bei Weicza, an welchem sich Euer Führer aufhält.«

»Kara - norman - Khan! Ah, das ist sehr gut! Was sagst Du dazu, Suef?«

Dabei stieß er ein höhnisches Gelächter aus.

Der angebliche Schneider hatte sich umgedreht, als er den Namen hörte, und Janik forschend in das Gesicht gesehen. Auf die Frage Habulams lachte auch er laut auf und antwortete:

»Ja, das ist herrlich! Sie mögen hingehen und ihn suchen. Ich möchte dabei sein, um zu sehen, was für Gesichter sie schneiden, wenn sie den Anführer dort finden.«

Dieses Verhalten überraschte mich. Ich hatte erwartet, daß sie erschrecken würden, und nun höhnten sie. Es war ihnen anzusehen und anzuhören, daß sie sich nicht verstellten. Ich wußte in diesem Augenblick mit Sicherheit, daß sich der Anführer nicht in Karanorman-Khan befand.

Aber ich hatte doch auf dem Zettel gelesen, daß Barud el Amasat an diesen Ort bestellt worden sei. Oder gab es einen Ort, dessen Namen ähnlich lautete?

Doch dieser Gedanke konnte jetzt nicht weiter verfolgt werden. ...

[...]

»... ich will Deiner Lustigkeit einen Dämpfer aufsetzen.«

»Wir haben nicht gelacht!«

»Lüge nicht! Du machst die Sache damit nur schlimmer.«

»Wir mußten über dieses Karanorman-Khan lachen.«

»Warum?«

»Weil wir es gar nicht kennen.«

»Ist das denn gar so lächerlich?«

»Nein; aber Janik sprach von einem Hauptmann, von welchem wir nicht das Mindeste wissen, und der Ort Karanorman-Khan kümmert uns noch weniger.«

»So? Ihr wißt wirklich nichts von dem Schut?«

»Nein,« antwortete er, obgleich ich wohl bemerkte, daß er erschrak, als ich den Namen nannte. »Ich kenne weder ihn, noch den Ort, von welchem Ihr redet.«

»Kennst Du auch keinen Ort, welcher ähnlich heißt?«

Ich blickte ihn scharf an. Er schluckte und schluckte, senkte den Blick zu Boden und antwortete:

»Nein, ich kenne keinen.«

»Sieh, ich merke es Dir wieder an, daß Du lügst. Du kannst Dich nicht so gut verstellen, wie es nötig wäre, um mich zu täuschen. Wir wollen doch einmal sehen!«

Ich zog meine Brieftasche hervor. In einem Fach derselben steckte der Zettel, welchen Hamd el Amasat an seinen Bruder Barud el Amasat geschrieben hatte und der in meine Hände gefallen war. Ich nahm ihn heraus und betrachtete ihn auf das Genaueste.

Darauf hin, daß das Wort Karanorman-Khan undeutlich geschrieben sein könne, hatte ich ihn noch nicht angesehen und darum hatte ich stets geglaubt, es richtig gelesen zu haben. Jetzt war mein Blick kaum auf die betreffenden Silben gefallen, so wußte ich, woran ich war.

Die arabische Schrift hat nämlich keine Buchstaben für die Vokale; diese werden vielmehr durch die sogenannten Hareket [Lesezeichen] bezeichnet. Das sind Striche oder Häkchen, welche über oder unter den betreffenden Konsonanten gesetzt werden. So bedeutet zum Beispiel ein kleiner Strich (-), welcher Üstün oder Esre genannt wird, a oder e, wenn er über dem Buchstaben steht. Steht er aber unter demselben, so gilt er für y oder i. Das sogenannte Ötürü, ein Häkchen in folgender Gestalt ', steht über dem Buchstaben und bedeutet o und u oder ö und ü. Es kann also, zumal bei undeutlicher Schrift, leicht eine Verwechslung vorkommen. Das war auch mir beim Lesen des Zettels geschehen.

Ich hatte nämlich eine kleine schwarze Stelle in der Papiermasse für ein Ötürü gehalten und einen Strich unter dem Buchstaben ganz übersehen, weil er beim Schreiben so winzig ausgefallen war, daß er kaum bemerkt werden konnte. Es war also nicht o, sondern i zu lesen, nämlich in ,nir‘, der dritten Silbe des Wortes.

Und sodann hatte der Schreiber den Anfangsbuchstaben der vierten Silbe so undeutlich gesetzt, daß die Richtung der Schleife nicht genau zu bestimmen war. Aus diesem Grund hatte ich m für w gelesen. Es mußten diese beiden Silben also ,nirwan‘ anstatt norman lauten, und der Name hieß folglich Karanirwan-Khan.

[...]