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Kryptologie

Auszug aus »Der Weg zum Glück« von Karl May

geschrieben 1886-1888.

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Lieferung 50 vom 9. Juli 1887

[...]

Nun saßen die Drei draußen am Tisch bei einander, der Assessor, Sepp und der Fex. Der Erstere betrachtete den Letzteren mit unverhohlener, freundschaftlicher Theilnahme.

»Der Sepp hatte Ihnen wohl bereits Alles erzählt?« fragte er ihn.

»Das, was er selbst wußte, hat er mir gesagt, ja.«

»Ihre Schicksale sind so hoch interessante, besonders auch für mich in meiner gegenwärtigen Eigenschaft, daß sie mein höchstes Interesse erwecken müssen. Leider habe ich in meiner Depesche eine große Unterlassungssünde begangen. Ich hätte Sie ersuchen sollen, die Photographie und die Papiere, welche Sie sich damals aus dem Stuhle des Müllers angeeignet haben, mitzubringen.«

»Werden sie gebraucht?«

»Es wäre für mich von Vortheil, sie zu sehen.«

»Ich habe sie mit.«

»Wirklich? Ach, das ist sehr gut!«

»Ich konnte mir, als ich das Telegramm erhielt, natürlich nichts anders denken, als daß der Zweck meiner jetzigen Anwesenheit hier in Beziehung zu dem Müller stehe, und darum steckte ich diese Sachen zu mir.«

»Wollen Sie mir erlauben, sie zu sehen?«

»Gern natürlich.«

Er gab sie dem Assessor hin. Dieser betrachtete zunächst die Photographie.

»Eine sehr schöne Frau!« sagte er. »Und die Aehnlichkeit mit Ihnen ist eine so frappante, daß man sofort auf die Vermuthung kommt, daß Sie mit dieser Dame in nächster Verwandtschaft stehen müssen. Und nun auch die Papiere!«

Er nahm eins nach dem andern vor. An der Art und Weise, wie er aufmerksam die Zeilen der Reihe nach überblickte, ersah der Fex, daß er den Inhalt wirklich las.

»Wie, Sie verstehen diese Sprache, Herr Assessor?« fragte er erstaunt.

»Zufälliger Weise,« lächelte der Beamte. »Das hat seinen Grund darin, daß ich nicht Gerichtsbeamter bleiben, sondern mich der diplomatischen Laufbahn widmen will. Da ich mein Augenmerk dabei ganz besonders auf den Osten richte, so habe ich mich sehr eingehend mit den dortigen Sprachen beschäftigt. Das hier ist rumänisch oder, wie man es auch nennt, walachisch.«

Er las die Papiere durch und bezeichnete sie dann einzeln:

»Geburtsschein des Baron Samo von Gulijan. Geburtsschein der Baronesse Etelka von Töregg. Der Taufschein dieser Beiden. Und nun noch der Geburtsschein ihres Sohnes Curty von Gulian. Der wären also Sie.«

»Wer kann das behaupten oder wohl gar beweisen?«

»Ich hoffe, diesen Beweis führen zu können. Der Thalmüller wird nicht ewig leugnen können, und den Silberbauer werden wir wohl wieder ergreifen. Dann wird es nicht unmöglich sein, die Beweise Ihrer Abstammung zu erhalten.«

»Wenn ich nur wüßte, was die fünf fremden Worte bedeuten, welche da auf dem Rücken des Geburtsscheines, welchen Sie für den meinigen halten, stehen.«

Der Assessor hatte diese Worte noch gar nicht gesehen. Er drehte das Document um. Da stand in lateinischen Buchstaben geschrieben:

»de man ke rar es.«

Er betrachtete längere Zeit kopfschüttelnd diese Worte, schüttelte dann den Kopf und sagte:

»Das begreife ich nicht. Sie haben natürlich bereits Sprachkenner gefragt?«

»Ja, aber keiner hat es entziffern können. Nicht einmal, zu welcher Sprache die Worte gehören, konnte errathen werden.«

»Hm! Das könnte ich auch nicht sagen. Diese Worte - oder sind es nur Sylben?«

»Wohl auch möglich.«

Der Assessor studirte weiter, gelangte aber zu keinem Ergebnisse.

»Ich kann die Sylben zusammensetzen nach allen Weisen, so ergiebt es kein mir bekanntes Wort. Und doch möchte ich behaupten, daß sie sehr wichtig sind, daß sie sich auf Sie und auf diese Legitimationspapiere beziehen, mit einem Worte, daß sie die Lösung irgend eines wichtigen Geheimnisses enthalten.«

»Ein Geheimnissen ists, um das es sich handelt,« meinte der Sepp, indem er sich seine Pfeife stopfte. »Wollen mal darüber nachdenken. Vielleichten finden wirs.«

»Du, Sepp?« lachte der Fex.

»Warum nicht?«

»Dazu gehört ein größerer Schriftgelehrter, als Du bist.«

»Pst! Mach mir meine Pferden nicht scheu! Hast noch nicht den Spruch hört?

Was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das merket in Einfalt ein kindlich Gemüth.
Man braucht eine Sach nicht grad aus dem Fundamenten zu verstehen, um über sie nachdenken zu können. Sind etwan die Herren Astronomen schon mal auf dem Monden oder auf dera Sonnen herumispaziert?«

»Freilich nicht.«

»Und doch schreibens ganz große Büchern über die Beiden. Also ists auch mit mir. Wann ich so ins Nachdenken komm, so sag ich mir Folgendes: Wann es ein Geheimnissen ist, darf es da Jeder lesen, Herr Assessorn?«

»Nein.«

»Schön! Wanns nicht Jeder lesen soll, wird mans da so herschreiben, daß es gleich zu lesen ist?«

»Schwerlich.«

»Also muß es wohl anderst gelesen werden, als wie mans gewöhnlich liest. Jetzunder buchstabierens mal los! Vielleichten muß es in die falsche Quere gelesen werden. Versuchens das Ding doch mal von hinten nach vorn!«

»Der Gedanke ist nicht übel, Sepp. Es ist überhaupt verwunderlich, daß ich nicht auch schon darauf gekommen bin. Also von hinten nach vorn würden die fünf Sylben heißen:

»Es rar ke man de.«
und da könnte bei der richtigen Zusammenstellung sich - - -«

Er hielt inne. Seine Züge nahmen den Ausdruck größerer Spannung an; dann lachte er befriedigt auf und rief:

»Der Sepp hat Recht! Ja, er ist der Klügste von uns gewesen.«

»Nicht wahr!« schmunzelte der Alte. »Ja, das ist mein Lebtage stets so gewest: Ich war immerst dera Gescheidteste von allen Andern. Also troffen hab ichs?«

»Ja. Es ist türkisch. Aus den fünf Sylben werden zwei Worte, welche

»Esrar kemande«
gelesen werden müssen.«

»Gott sei Dank!« rief der Fex. »Jetzt endlich ist Hoffnung hinter die Sache zu kommen. Aber bitte, können Sie diese beiden Worte übersetzen?«

»Das ist sehr leicht. Esrar heißt nämlich Geheimniß. Sie sehen, daß wir ganz richtig vermutheten, als wir glaubten, daß es sich um ein Geheimniß handeln werde.«

»Und Kemande?«

»Eigentlich heißt dieses Wort nur keman, das ist Geige. Das de ist Suffix und bezeichnet das Umstandswort des Ortes »in«. Kemande heißt also wörtlich: »in der Geige«. Die Uebersetzung würde also vollständig lauten: Das Geheimniß ist in der Geige zu finden oder in der Geige zu lösen.«

[...]