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Kryptologie

Auszüge aus »Old Surehand III« von Karl May

geschrieben 1896.

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Am Sattelknopfe hing sein Gewehr. In der rechten Satteltasche steckte eine geladene Doppelpistole und ein blechernes Kästchen mit verschiedenen Farben, zum Bemalen des Gesichts jedenfalls, weiter nichts. In der linken fanden wir Patronen, ein Rasierzeug mit Seife und wieder ein Blechkästchen, viel dünner als das vorige. Es enthielt ein langes, schmales, viereckiges, sehr gut gegerbtes, weißes Lederstück mit roten Strichen und Charakteren.

»Ah, ein ,sprechendes Leder' wie die Roten sagen!« meinte ich zu Winnetou. »Das bringt uns vielleicht eine Entdeckung.«

»Mein Bruder zeige es her!« sagte er.

Ich gab es ihm. Er betrachtete es lange und aufmerksam, schüttelte den Kopf, betrachtete es abermals, schüttelte wieder und sprach endlich: »Dies ist ein Brief, den ich nur halb verstehe. Er ist ganz nach der Weise der roten Männer mit der Messerspitze geschrieben und mit Zinnober gefärbt. Diese vielgewundenen Linien sollen Flüsse vorstellen; das Leder ist eine Landkarte. Hier ist der Republican-River, hier der doppelte Salmon; dann kommt der Arkansas mit dem Big Sandy-Creek und dem Rush-Creek, hierauf der Adobe - und der Horse-Creek, südlich der Apishapa-River und der Huerfano-Fluß. So kommt ein Creek und ein Fluß nach dem andern bis hinauf zum Park von San Louis. Diese Wasser kenne ich alle; aber es giebt Zeichen dabei, welche ich nicht verstehe, Punkte, Kreuze verschiedener Gestalt, Ringel, Dreiecke, Vierecke und andere Figuren. Sie stehen auf der Karte da, wo sich in der Wirklichkeit keine Stadt, kein Ort, kein Haus befindet. Ich kann nicht entdecken, was alle diese vielen Zeichen zu bedeuten haben.«

Er gab mir das Leder zurück, welches mit wirklich großer Sorgfalt und Feinheit graviert und gefärbt worden war. Man konnte den kleinsten, feinsten Strich ganz deutlich sehen. Auch ich konnte mir die Zeichen nicht erklären, bis ich das Leder umwendete. Da waren sie wiederholt, untereinander aufgezählt, und daneben standen Namen, welche keine Orts- sondern Personennamen waren. Höchst sonderbar! Ich sann und sann, lange vergeblich, bis mir endlich auffiel, daß einige von ihnen Namen von Heiligen waren. Nun hatte ich es! Ich zog mein Taschenbuch heraus, welches ein Kalendarium enthielt, verglich die Namen mit den Entfernungen der Zeichen auf der Karte und konnte nun dem Apatschen erklären:

»Dieser Brief ist an den Medizinmann geschrieben worden und soll ihm sagen, wo und an welchem Tage er den Absender desselben treffen soll. Eine gewöhnliche Anführung der Monatstage würde alles verraten. Die Christen benennen, wie ich dir schon einigemal gesagt habe, alle Tage des Jahres mit den Namen frommer oder heiliger Männer und Frauen, welche längst gestorben sind. Diese Bezeichnung hat der Schreiber gewählt. Eine Enträtselung ist um so schwieriger, als und weil die Namen nicht auf der Karte, sondern auf der andern Seite stehen. Hier lese ich: Aegidius, Rosa, Regina, Protus, Eulogius, Josef und Thekla; das bedeutet den 1., 4., 7., 11., 13., 18. und 23. September. An diesen Tagen wird der Absender des Briefes da sein, wo die Zeichen, welche neben den Namen stehen, sich auf der Karte befinden. Wir haben also den ganzen Reiseplan des Absenders und des Empfängers mit Orts- und Zeitangabe hier in den Händen. Hast du mich verstanden?«

»Ich verstehe meinen Bruder genau, nur daß ich nicht weiß, auf welchen Tag des Jahres diese Männer- und Frauennamen fallen.«

»Das schadet nichts, wenn ich es nur weiß. Dieses Leder kann großen Wert für uns bekommen; behalten aber dürfen wir es nicht.«

»Warum?«

»Tibo taka soll nicht ahnen, daß wir seinen Weg kennen.«

»So muß mein weißer Bruder die Schrift des Leders abschreiben!«

»Ja, das werde ich sogleich thun.«

Winnetou mußte den Brief halten, und ich kopierte ihn in mein Notizbuch, indem ich den Pferdesattel als Unterlage nahm. Dann legten wir das Leder in den Blechkasten zurück, den wir in die Satteltasche steckten. Als dies geschehen war, gingen wir wieder nach dem Lagerplatze.

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