Einige Anregungen zur Gestaltung eines mathematischen Vortrags
von Klaus Pommerening
Ich habe im Folgenden einige Tipps zusammengestellt, die Ihnen
helfen sollen, einen verständlichen Vortrag zu halten. Versuchen Sie,
ihre Bedeutung zu erfassen, sie in die Praxis umzusetzen, sie zu
verbessern oder durch bessere zu ersetzen. Der persönliche
Vortragsstil kann auch im Widerspruch zum Folgenden stehen und
trotzdem verständlich und interessant sein.
- Aufbau des Vortrags:
- Einleitung: Verdeutlichung der Problemstellung,
Einordnung in Zusammenhänge, Formulierung von Fragen,
Interesse am Vortragsinhalt wecken. Machen Sie Werbung
für Ihren Vortrag, aber versprechen Sie nicht zu viel.
- Hauptteil: Übersichtliches Darlegen der
Einzelschritte. Was Sie sagen, sollte davon abhängen, ob
die Zuhörer
- einen wohlformulierten vollständigen Text (z. B.
Lehrbuch),
- ein vollständiges, aber knappes und nicht leicht
verständliches Manuskript (z. B.
Zeitschriften-Artikel),
- einen schriftlich fixierten Überblick (Formulierung
der wichtigsten Definitionen, Sätze usw.)
- oder gar nichts
vor sich liegen haben.
- Abschluss: Rückblickende Wiederholung, Antwort
auf die in der Einleitung gestellten Fragen, Formulierung
weiterführender Fragen.
- Tafelbild:
- Wichtig sind Ordnung und Übersicht. Ein mögliches Ideal wäre:
Ein Zuhörer, der den Faden verloren hat, kann ihn anhand dessen,
was an der Tafel steht, wiederfinden.
- Überlegen Sie sich: Was sollte stehen bleiben? (Z. B.
Sätze, Definitionen) Was kann später wieder gelöscht werden?
(Z. B. Beweise, Hilfssätze)
- Verdeutlichen Sie möglichst viel in Bildern, Tabellen,
Implikationsschemata, Diagrammen. Solche Verdeutlichungen
können auch an die Zuhörer verteilt werden (als »Handouts«)
oder an die Wand projiziert werden -- müssen aber in jedem
Fall detailliert erklärt werden.
- Inhaltliche Klarheit:
- Versehen Sie jede Definition sofort mit typischen Beispielen
und evtl. Gegenbeispielen. Beispiel:
![[Jordan-Gebiete]](Jordan.gif)
- Verdeutlichen Sie die Bedeutung und Tragweite eines Satzes
-- etwa anhand eines Beispieles oder eines ähnlichen bekannten
Satzes. Ein gut erklärtes Beispiel trägt mehr zum Verständnis
bei als ein genau durchgeführter Beweis.
- Verbinden Sie, wo möglich, Neues mit bereits Bekanntem; aber
seien Sie sparsam mit Abschweifungen und Bemerkungen, die
über die augenblickliche Situation hinausgehen -- die
Fähigkeit zur Informationsaufnahme ist beim Menschen (also
auch bei Ihren Zuhörern) begrenzt. Die Einführung immer neuer
Begriffe und technischer Komplikationen und das Anfügen von noch
mehr Korollaren wird bei Überschreiten eines kritischen Punktes
zur psychischen Marter für die Zuhörer.
- Versuchen Sie nach Möglichkeit, in der Bezeichnungsweise mit
Ihren Vorgängern übereinzustimmen.
- Formulieren Sie exakte Sätze und Definitionen und schreiben Sie
diese inhaltlich vollständig an die Tafel.
- Geben Sie die Quellen für Ihren Vortrag, eventuell auch für
einzelne Sätze an.
Fassen Sie Ihren Seminarvortrag nicht als lästige Pflichtübung auf,
sondern als Gelegenheit, einen persönlichen Vortragsstil zu entwickeln
und zu erproben.
Autor: Klaus Pommerening, 9. April 1981;
letzte Änderung: 1. Februar 2006.
E-Mail an Pommerening »AT« imbei.uni-mainz.de.