Alzeys "architektonisches Kleinod":
Wiederaufbau und Nutzung
vom frühen 20.
Jahrhundert bis heute
Ein Projekt der Geschichts-AG des Gymnasiums am Römerkastell
Alzey im Rahmen des Förderprogramms
"denkmal aktiv - Kulturerbe macht Schule" der Deutschen Stiftung Denkmalschutz
Schuljahr 2008/09
Als einziges rheinland-pfälzisches Gymnasium
wurde das Gymnasium am Römerkastell Alzey im Schuljahr 2008/09 zum Förderprogramm
„denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“
der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zugelassen. Mit der bundesweiten
Initiative, die unter der Schirmherrschaft der UNESCO steht, wird ein Netzwerk
von Schulen aufgebaut, die die Themen Kulturerbe und Denkmalschutz in den
Schulunterricht und –alltag einbinden. Nachstehend präsentiert die Geschichts-AG
(Leitung Dr. Helmut Schmahl und Sonja Koch)
einen ersten Überblick über Projektziele und bisherige Resultate.
Die
Endergebnisse unserer Forschungen werden vom 19. Juni bis Mitte August 2009 im Rahmen
einer Ausstellung in der Volksbank Alzey präsentiert. Die Ausstellung zeigt
neben zahlreichen Informationen und Bildern auch Originalexponate, die aus der
ursprünglichen Einrichtung des Amtsgerichts stammen und teils seit der
Modernisierung der 1960er Jahre verschollen waren. Den Einführungsvortrag hält
Anton Neugebauer vom rheinland-pfälzischen Bildungsministerium, die musikalische
Umrahmung erfolgt durch Schüler, die auch durch die Ausstellung führen werden.
Die Präsentation wird voraussichtlich bis Mitte August zu sehen sein. Zur
Eröffnung der Ausstellung am 18. Juni 2009 um 18:30 Uhr in der Kundenhalle der
Volksbank (Hospitalstr. 15) laden wir Sie herzlich ein.
Zu den prägenden Gebäuden der ehemaligen kurpfälzischen Oberamtsstadt Alzey gehört die seit dem 13. Jahrhundert errichtete Burg. Die zeitweilige Nebenresidenz der pfälzischen Kurfürsten wurde im 15. und 16. Jahrhundert zu einer stattlichen Schlossanlage ausgebaut, die jedoch im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 von französischen Truppen weitgehend zerstört wurde. In der darauf folgenden Zeit diente die Ruine als Steinbruch, bis sie 1901-1903 wieder aufgebaut wurde.
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![]() Das Alzeyer Schloss auf einer Stadtansicht von Matthäus Merian (um 1620) |
![]() Der Schlosshof um 1840 |
![]() Der Schlosshof während des Wiederaufbaus |
Exkursion ins Alzeyer Schloss,
Interview mit Amtsgerichtsdirektor Ludemann Passanteninterviews auf dem Alzeyer Roßmarkt Besuch des Museums und Stadtarchivs Alzey Literaturrecherche in der Universitätsbibliothek Mainz Besuch des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt Sammlung historischer Aufnahmen des Schlosses Fotografische Dokumentation des Schlosses Übertragung der Akten aus der alten deutschen in unsere moderne Schrift Auswertung der bisher gefundenen Archivalien (teilweise) Präsentation unserer
bisherigen Ergebnisse auf der Tagung "Denkmal aktiv"
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![]() Interview mit Herrn Ludemann
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Mittlerweile haben wir über 100 Seiten handschriftliche Texte in unsere moderne Schrift übertragen. Hier das Beispiel eines Arbeitsblattes. Das Originaldokument befindet sich in Bestand E21 des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt
Was wir noch vorhaben: Vollständige Auswertung der Archivalien Verbleibende Fragen mit Experten abklären Berichte für die Presse erstellen Details unseres Projekts auf unserer Homepage vorstellen Ausstellung in der Alzeyer Volksbank vorbereiten (Termin: voraussichtlich Juni 2009) Eventuell Erstellung eines Katalogs |
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Warum war mittelalterliche Architektur vor 100 Jahren so populär? Wer waren die Initiatoren/Architekten des Wiederaufbaus? Auf welcher Grundlage erfolgte die Rekonstruktion? Wie waren die Reaktionen in der Alzeyer Bevölkerung? Wie hat sich der Bau als Verwaltungsgebäude bewährt? Welche Auflagen gibt es beim Denkmalschutz heute? |
![]() Idealisierte Ansicht des Schlosses in der ursprünglich geplanten Version auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1907. Der Erste Weltkrieg und der veränderte architektonische Geschmack verhinderten die Fertigstellung des Projekts.
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Warum war mittelalterliche Architektur vor 100 Jahren so populär? Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der
Romantik, in dem die Architektur und Kunst des Mittelalters als vorbildlich
galten. Viele Ruinen von Burgen und Schlössern sowie Kirchen wurden wieder
aufgebaut, neue Gebäude in alten Baustilen errichten. |
![]() Kreuzgewölbe im Erker des Nordflügels (1422, original erhalten) |
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Wer waren die
Initiatoren/Architekten des Wiederaufbaus? Der Architekt des Alzeyer Schlosses war der Geheime Oberbaurat und Architekturprofessor Karl Christian Hofmann (1856-1933). Im benachbarten Worms prägte Hofmann als Stadtbaumeister mit seinem „Nibelungenstil“ ein historistisches Stadtbild, das noch heute erkennbar ist. Angesichts der hohen Instandhaltungskosten der Alzeyer Schlossruine regte Hofmann den Wiederaufbau des Schlosses und seine Nutzung als Amtsgericht mit Gefängnis an Auf Basis der Stadtansicht Alzeys aus dem Jahr 1620 sowie Vermessungen der Ruine zeichnete Hofmann 1898 erste Entwürfe für den Nordflügel.
Archäologische Befunde, die sich bei der Enttrümmerung
des
Geländes ergaben, führten dazu, dass Hofmanns Pläne von
seinem Mitarbeiter Karl Krauß
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![]() Plan der Hofseite auf einer Ansichtskarte von 1904 |
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Auf welcher Grundlage erfolgte der Wiederaufbau? Die
Schlossansicht von 1620 enthielt nur wenige
Details und war fehlerhaft.
Daher wurde ein Großteil der Anlage frei im Stil der Neoromanik,
Neugotik bzw. Neorenaissance aufgebaut. Hofmann kopierte teilweise den Stil
anderer historischer Gebäude, z.B. des Alzeyer Rathauses von 1584 (Bild
rechts) |
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Beim Wiederaufbau mussten zahlreiche Kompromisse gemacht werden, damit das
Schloss den Erfordernissen eines modernen Verwaltungsgebäudes entsprach. Der Sitzungssaal
wurde zwar im Stil eines Rittersaales mit prachtvoller Täfelung und einem
rustikalen Kronleuchter gestaltet, jedoch entsprechen die großen Fenster des
Raums nicht dem Zustand vor 1689.. Auch der Gefängnisturm weist Stilbrüche auf. So wurde das Dachgeschoss aus Fachwerk errichtet, das mit gebrannten Backsteinen ausgemauert war - ungewöhnlich in Süddeutschland vor einem halben Jahrtausend..
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Wie wurde das Projekt von den Alzeyern aufgenommen? Zunächst gab es Widerstand gegen das Projekt. Kritische Stimmen verstummten jedoch bald, nachdem zahlreiche Handwerker Arbeit beim Wiederaufbau fanden und sich die triste Ruine in ein stattliches Schmuckstück verwandelte. „Die Stadt Ist durch diesen Bau Besitzerin eines architektonischen Kleinods geworden." (Alzeyer Zeitung, 23.10.1903)
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Fotografische Aufnahmen des Schlosses vor und nach dem Wiederaufbau
Wie hat sich der Bau als
Verwaltungsgebäude bewährt? Es wurde Sorge dafür getragen, dass die Gebäude im Inneren den Bedürfnissen der damaligen Verwaltung entsprachen (fließendes Wasser, Strom etc.). Dennoch finden sich zahlreiche Anklänge an das Mittelalter, z.B. aufwändig geschnitzte Aktenschränke im Stil des 15. Jahrhunderts, reiche Wandtäfelungen, Bodenfliesen und Kachelöfen. Historistische Architektur wie die des Alzeyer Schlosses wurde im 20. Jahrhundert deutschlandweit unbeliebt. Die Modernisierungswelle der 1950/60er Jahre hielt sich in Alzey in Grenzen. Es wurden lediglich Teile des Originalmobiliars entfernt. |
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![]() Kronleuchter im Sitzungssaal, ursprünglich mit Gas betrieben, jetzt elektrisch |
![]() Kachelofen im Sitzungssaal, nach vorgefundenen Scherben rekonstruiert |
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![]() Der große Sitzungssaal mit der Originaleinrichtung von 1903 |
![]() Der kleine Sitzungssaal im Stil der 1960er Jahre |
Was sind die Auflagen des Denkmalschutzes heute?
Im Gegensatz zu früherer Zeit
spielt es
beim Denkmalschutz heute kaum noch |
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Unsere wichtigsten Kooperationspartner Altertumsverein für Alzey und Umgebung Amtsgericht Alzey (Direktor Hans-Gerd Ludemann) Museum der Stadt Alzey (Dr. Rainer Karneth) Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises Alzey-Worms Privatleute, die uns historische Ansichtskarten und sonstiges Material zur Verfügung gestellt haben
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