Ich habe ein paar Jahre in Südamerika gelebt. Ich
erlebte ein faszinierend anderes Lebensgefühl, fremde exotische Natur,
einen Schmelztiegel von Geschichte und Kulturen, eine Mentalität, die
sich – je nach eigener Stimmung manchmal wohltuend, manchmal nervig –
von unserer "deutschen" unterscheidet... Und irgendwann begann
ich mich für die Mythen und Legenden der Ureinwohner von Paraguay zu
interessieren.
Angefangen hat alles mit einem holzgeschnitzten kurupí,
den ich auf einem Markt entdeckte. Ein sagenhafter kleiner Waldgeist, der
seinen Phallus wegen der außerordentlichen Länge um den Leib gewickelt
mit sich herumtragen muß... Pobrecito... Da wollte ich wissen, was der so
anstellte.
Also besorgte ich mir das Büchlein "Mitos indígenas".
Verschiedene spanischsprachige Autoren haben darin die ihnen mündlich
vorgetragenen Mythen der paraguayischen Guarani aufgeschrieben. Diese habe
ich versucht zu übersetzen.
Ich bin mir bewusst, dass die Übertragung aus dem Spanischen – und
nicht aus dem Guarani - dabei einen gewissen Mangel darstellt. Ich kann
die Authentizität der Übersetzung nicht an der Guarani-Sprache
überprüfen. Dennoch glaube ich, einiges von der Ursprünglichkeit der
Erzählweise, dem Glauben, der Denk- und Lebensweise der Guarani bewahrt
zu haben. Experten müssen sich die Mühe machen, Guarani zu erlernen,
wenn sie den ganzen Reichtum erschließen wollen. Meine Absicht war es,
deutschen Lesern einen ersten Eindruck vom Schöpfungsmythos und den
Legenden dieses Volkes zu vermitteln.
Auch im Spanischen wurden die Geschichten unter Beibehalt einiger
Guarani-Wörter erzählt. Das betriff besonders Bezeichnungen für Tiere,
Pflanzen, Kleidung, Werkzeug, Musikinstrumente und Personen. Dafür gibt
es in der Regel einfach keine Übersetzung, da sie Dinge und Wesen
benennen, die wir nicht kennen. Deshalb habe ich einige Male ebenfalls die
Guarani-Wörter stehen lassen. Aus dem Zusammenhang wird etwa deutlich,
worum es sich handeln muss.
Und nun lassen Sie sich in die Mythenwelt der Guarani entführen...
Heidi Treder