Früher war nicht alles besser: Unterschiede zum heutigen Fußball

Das Fußballspiel als solches hat sich seit 1945 nicht wesentlich geändert, wohl aber einige Regeln und Begleitumstände. Einem damaligen Zuschauer würde bei einem heutigen Spiel vor allem auffallen, wie schnell, aber auch wie sehr »hinten herum« gespielt wird. In den 50er- und 60er-Jahren wurden Spieler für Rückpässe oder wiederholte Querpässe in der eigenen Hälfte gnadenlos ausgepfiffen.

Zwischen 1947 und 1974 änderte sich die Ligaeinteilung mehrfach.

Die Liga-Einteilung 1947-50

In der französischen Besatzungszone gab es ein vierstufiges System:

  1. die Zonenliga, eingeteilt in die Nordgruppe (Rheinland-Pfalz und zeitweise Saarland) und die Südgruppe (Südbaden, Südwürttemberg, Kreis Lindau), die der I. Liga im übrigen süddeutschen Raum entsprach und alle Vereine umfasste, die heute in der oberen Hälfte der Verbandsliga oder einer höheren Liga zu finden wären,
  2. die Landesliga, vergleichbar mit der heutigen Landesliga (obere Hälfte) und Verbandsliga (untere Hälfte),
  3. die Bezirksklasse, vergleichbar mit der heutigen Landesliga (untere Hälfte) plus Bezirksliga plus Kreisliga A
  4. die Kreisklasse, vergleichbar mit der heutigen Kreisliga B + C.

Die Liga-Einteilung 1950-63

Im Bereich des Süddeutschen Fußball-Verbands (SFV) gab es von 1950 bis 1963 (d. h. bis zur Einführung der Bundesliga) ein siebenstufiges Liga-System:

  1. die I. Liga Süd, auch Oberliga oder I. Division (der Oberliga) genannt, mit den Vereinen, die heute in der 1. bis 3. Liga spielen würden,
  2. die II. Liga Süd, auch II. Division (der Oberliga) genannt, die ziemlich genau der heutigen Regionalliga entsprach, allerdings bei anderer Gebietseinteilung,
  3. die I. Amateurligen der (regionalen) Verbände, z. B. die I. Amateurliga Südbaden, vergleichbar mit den heutigen Amateur-Oberligen plus den oberen drei Vierteln der jeweiligen Verbandsligen,
  4. die II. Amateurligen, eingeteilt in mehrere parallele Staffeln, die man mit den heutigen Landesligen gleichsetzen darf,
  5. die A-Klasse (1950/51 noch als Bezirksklasse bezeichnet), in der relativen Spielstärke vergleichbar mit der heutigen Bezirksliga,
  6. die B-Klasse (1950/51 noch als Kreisklasse bezeichnet),
  7. die C-Klasse (1952 eingeführt),
wobei B-und C-Klassen heute auf die Kreisligen A bis C aufgeteilt sind.

Die Liga-Einteilung 1963-74

Nach der Einführung der Bundesliga 1963 blieb das Liga-System siebenstufig, wobei die I. Amateurliga aber deutlich aufgewertet wurde:

  1. die Bundesliga, die die führenden Vereine der I. Ligen aufnahm,
  2. die Regionalliga, die aus den restlichen Vereinen der I. Liga und der oberen Hälfte der II. Liga gebildet wurde,
  3. die I. Amateurligen, denen die unteren Mannschaften der II. Liga zugeteilt wurden,
  4. die II. Amateurligen,
  5. die A-Klasse,
  6. die B-Klasse,
  7. die C-Klasse.
Die ersten Amateurligen, zu denen auch die Schwarzwald-Bodensee-Liga für die Bereiche Südwürttemberg (einschließlich Lindau) und Südbaden östlich des Schwarzwalds (also die südbadischen Bezirke Bodensee und Schwarzwald) gehörte, umfassten also Vereine, die heute in der unteren Hälfte der heutigen Regionalliga, in der Amateuroberliga oder in der Verbandsliga spielen würden.

Mit der Einführung der zweiten Bundesliga 1974 änderte sich auch die Gebietseinteilung im Bereich der ersten Amateurligen; insbesondere wurde die Schwarzwald-Bodensee-Liga aufgelöst.

Vertragsspieler und Vereinswechsel

Vertragsspieler gab es im deutschen Fußball ab 1949, in der I. Liga Süd schon ein Jahr früher. Davor waren alle Spieler, auch in den höchsten Ligen, reine Amateure. Die Einführung des Vertragsspielerstatuts sollte die Bestrebungen zur Einführung des Profitums im deutschen Fußball beenden.

Vertragsspieler galten nicht als Amateure und durften daher auch nicht mehr in den Amateurmannschaften des gleichen Vereins eingesetzt werden. Um Reservespielern Spielpraxis zu ermöglichen, wurden Ib-Mannschaften gegründet, die außer Konkurrenz in einer Amateurliga mitwirkten – die Singener Reserve spielte von 1951 bis 1963 (Ausnahme 1958/59) in der II. Amateurliga Südbaden und war dort immer eine Spitzenmannschaft. Vertragsspieler durften natürlich auch nicht in der Olympia-Mannschaft eingesetzt werden. Andererseits galten sie aber auch nicht als Berufsspieler. Sie mussten eine anderweitige hauptamtliche Berufstätigkeit nachweisen oder zumindest in einer Ausbildung dafür sein.

Für ihre Tätigkeit im Verein erhielten Vertragsspieler eine »Entschädigung«. Diese war streng gedeckelt, die Obergrenze lag noch Ende der 50er-Jahre bei 320 DM. Als ungefähre Höhe dieser Entschädigung kann man Mitte der 50er-Jahre etwa 300 DM für Erstligaspieler und 250 DM für Zweitligaspieler pro Monat annehmen. Das entsprach einem Facharbeiter- bzw. Hilfsarbeiter-Einkommen der damaligen Zeit. Es gab immer wieder Skandale wegen Verstoß gegen die Obergrenze der Bezahlung und gegen das Amateur-Statut mit langen Sperren als Strafe für den Spieler und Geldstrafen für den Verein.

Vereinswechsel waren für Vertragsspieler nur während der Sommerpause möglich. Ein wechselwilliger Spieler musste bei seinem alten Verein fristgerecht kündigen und auf die Freigabe hoffen – es sei denn, er konnte einen triftigen beruflichen oder privaten Grund geltend machen. Bekam er die Freigabe nicht und wollte trotzdem gehen, wurde er für eine Saison gesperrt oder musste sich »reamateurisieren« lassen. Auch die Reamateurisierung für einen anderen Verein ohne Freigabe zog 9 Monate Sperre nach sich, wie es Kunkelmann und Krüger ging, die 1957 vom FC Singen zum FC Rastatt wechselten.

Neu verpflichtet werden durften bis 1954 pro Saison bis zu sechs, danach nur noch bis zu drei Spieler. Auf diese Einschränkung wurde der vereinseigene Nachwuchs aber nicht angerechnet. Amateure des eigenen Vereins durften eingesetzt werden, bis zu dreimal ohne Folgen, bei vier oder mehr Einsätzen verloren sie die Starterlaubnis im Amateurbereich für den Rest der Saison.

Mit Einführung der Bundesliga 1963 wurde das Lizenzspielerstatut geschaffen, und später wurden dann auch Vollprofis zugelassen, aber diese weitere Entwicklung ist für den FC Singen nicht mehr relevant, da er von da an nur noch in Amateurligen spielte.

Sponsoren und Werbung

Sponsoring im heutigen Sinn war nicht erlaubt. Trikot-Werbung gab es nicht. Natürlich wurde Werbung auf der Spielfeldbande und im Programmheft bezahlt. Daneben war es zumindest im Vertragsspielerbereich üblich, dass die Spieler bei einer Firma einen gut bezahlten, aber wenig anstrengenden Job bekamen. Gerade in der Industriestadt Singen wurde das von der Großindustrie und von einigen mittelständischen Unternehmen großzügig gewährt – sicher ein wesentlicher Grund, dass es dem FC Singen immer wieder gelang, interessante Spieler zu gewinnen.

Wie weit und in welcher Form die Vereine Spenden annehmen durften, wäre noch zu klären. Jedenfalls galt der Vertragsspieler-Betrieb als vereinbar mit der Gemeinnützigkeit.

Vereinsnamen

Einige Vereine, gegen die der FC Singen antreten musste, gibt es heute nicht mehr in der damaligen Form, oder sie spielen keine große Rolle mehr (wie übrigens auch der FC Singen selbst). Neben den durch die französische Besatzung auferlegten Zusammenschlüssen von Vereinen in der Zonenliga-Zeit 1945–50 sind vor allem zu erwähnen:

Der SV Wiesbaden ist heute weit hinter den SV Wehen-Wiesbaden zurückgefallen ebenso wie der Bremer SV hinter den SV Werder Bremen. Und der Freiburger FC, bis 1974 der führende südbadische Verein (nur gelegentlich vom FC Singen abgelöst), wurde seither vom SC Freiburg sehr deutlich überflügelt.

Tabelle: Punkte

Tabellen wurden nach der Zwei-Punkte-Regelung aufgestellt:

Als Folge sahen die Tabellen dichter gedrängt aus als heute mit der Drei-Punkte-Regelung. Und ein Unentschieden war im Vergleich zu heute etwas wertvoller – das war auch der Grund für die Einführung der Drei-Punkte-Regelung 1995: Diese bestraft Mannschaften, die auf Unentschieden ausgehen, z. B. durch hartnäckiges »Mauern«.

Tabelle: Tore

Bei den Toren kam es nicht auf die Tordifferenz an, sondern auf das Torverhältnis.

Auch diese Regelung begünstigte defensiv spielende Mannschaften und wurde daher 1969 zugunsten der Tordifferenz abgeschafft. Im Vertragsspieler-Bereich konnte das Torverhältnis auch über Auf- und Abstieg entscheiden; im Amateur-Bereich wurden bei Punktgleichheit in der Regel Entscheidungsspiele durchgeführt.

KO-Spiele

Bei KO-Spielen (im Pokal oder in Entscheidungsspielen) gab es bei unentschiedenem Stand eine Verlängerung – wie heute – aber das Elfmeterschießen war noch nicht üblich. Stand es nach einer Verlängerung noch immer unentschieden gab es je nach Wettbewerb zwei Lösungen:

Mannschaftsaufstellung

Die Mannschaftsaufstellung wurde gemäß dem damals schon längst veralteten 2-3-5-System angegeben: zwei Verteidiger, drei Läufer, fünf Stürmer. Die Rückennummern auf den Trikots waren nicht dem Spieler, sondern der Position zugeordnet:

  1. Torwart
  2. rechter Verteidiger
  3. linker Verteidiger
  4. rechter Läufer
  5. Mittelläufer (oder Stopper)
  6. linker Läufer
  7. Rechtsaußen
  8. Halbrechter
  9. Mittelstürmer
  10. Halblinker
  11. Linksaußen
Heute hat hingegen im Prinzip jeder Spieler des Kaders über die ganze Saison hinweg die gleiche Nummer. (Bei Weltmeisterschafts-Turnieren wurde dies auch früher schon so gehandhabt. Max Morlock trug bei der WM 1954 die 13.)

Natürlich wurde bei der Aufstellung gelegentlich getrickst, um den Gegner zu verwirren oder um in einem anderen System zu spielen. Z. B. versuchte man einen gefürchteten gegnerischen Mittelstürmer auszuschalten, indem man einen weiteren Abwehrspieler als Mittelstürmer mit der Nummer 9 aufstellte, ihn aber im Spiel als »Doppelstopper« oder »Ausputzer« einsetzte.

Das WM-System

Gespielt wurde mehr oder weniger im sogenannten WM-System, heute würde man das als 3-2-2-3-System bezeichnen. Die Aufstellung sah dann so aus:

WM-System
Die 2, 4, 5, 6, 3 bilden das »W«, die 7 bis 11 das »M«. Heute lebt dieses System teilweise als »Dreier-« oder »Fünferkette« wieder auf. In heutigen Begriffen ausgedrückt: Obwohl das Spielsystem heute anders ist, gibt es noch Spuren des alten Systems im Sprachgebrauch, wenn man von der »Nummer 1«, dem »Sechser«, dem »Achter« oder dem »Zehner« spricht, oder wenn ein wichtiger Innenverteidiger die 5 oder eine Sturmspitze die 9 trägt.

Taktik: Mann- und Raumdeckung

Viel geändert hat sich bei der Spieltaktik, wie man ja schon an den völlig anderen Systemen sieht. In der Regel wurde manngedeckt, Eins-zu-Eins. Konzepte der Raumdeckung, wie Passwege zustellen oder verschieben, gab es nur in Ansätzen. Dadurch war es für Stürmer vergleichsweise leicht, durchzubrechen. Vorstoßende Außenverteidiger gab es nicht, das kam erst mit Manfred Kaltz in den 70er-Jahren in Mode. Für Flügelläufe und Flanken von der Grundlinie waren die Außenstürmer zuständig.

Auswechslung

Es durfte (bei Pflichtspielen) bis 1967 nicht ausgewechselt werden. Gab ein Spieler wegen einer ernsthaften Verletzung auf, musste die Mannschaft mit zehn Spielern weiterspielen. Handelte es sich um den Torwart, wurde dafür einer der Feldspieler ins Tor gestellt. Das führte oft dazu, dass schwer verletzte Spieler noch als Statisten auf dem Feld herumhinkten, Torhüter (wie Fritz Weber) mit Gehirnerschütterung durch den Strafraum irrten oder Stürmer (wie Harald Schneck oder später Dieter Hoeneß) mit durchblutetem Kopfverband in die Flanken hechteten.

Spielfelder

Die Fußballplätze, auch in den oberen Ligen, waren zwar mit Rasen angelegt, dieser war aber im Mittelkreis und im Strafraum nach wenigen Spielen völlig abgetreten, so dass man dort auf der blanken Erde spielte. Bei Regen verwandelten sich die Plätze schnell in schlammige Äcker. Da es meistens ein Vorspiel, z. B. der Reservemannschaften oder zweier Jugendmannschaften, gab, war der Platz schon zu Beginn eines Erst- oder Zweitligaspiels in einem miserablen Zustand.

Da es keine Winterpause gab, wurde auch bei Schnee und Eis gespielt. In den abgetretenen und unebenen Bereichen vor den Toren bildeten sich im Winter oft überfrorene Pfützen. Gespielt wurde trotzdem. Auf Schnee wurden die Linien dann mit Kohlestaub gezogen statt mit Sägemehl oder Kreidestaub.

Torgehäuse

Tore waren fest ins Spielfeld einzementiert, manchmal guckte der Zementsockel heraus. Natürlich wurden sie nach dem Spiel nicht abgebaut, sondern standen das ganz Jahr über an ihrem Platz. Die Pfosten bestanden aus Vierkantholz – häufig ein Grund für Verletzungen – und waren weiß gestrichen. Wenn es ein Netz gab, so war dies über eine Reihe von Eisenstangen gelegt. Oft gab es statt Netz aber auch nur Draht, z. B. auf dem Singener Waldeck-Platz. Als Folge prallte der Ball gelegentlich aus dem Tor, was zu heftigem Streit führte, ob er »drin« war.

Torwartspiel

Vieles vom heutigen Torwartspiel gab es auch schon in den früheren Jahren: Es wurde in die Torecken gehechtet, Flanken wurden abgefangen oder weggefaustet, Stürmern wurde im »Eins-zu-Eins« der Ball vom Fuß gepflückt, und durch rechtzeitiges Herauslaufen wurden Steilpässe zunichte gemacht. Eine wichtige Verbesserung wurde allerdings seither dem Hallenhandball abgeguckt: Der Torwart macht sich groß und breit und streckt dazu vor dem heranstürmenden Gegenspieler alle Viere von sich. So reicht manchmal schon ein Zucken von wenigen Zentimetern, um den Ball entscheidend abzulenken. Torhüter der 50er- und 60er-Jahre sehen dagegen (nachträglich betrachtet) in solchen Situationen oft recht hilflos aus.

Der Torwart durfte den Ball im Strafraum immer aufnehmen, auch bei Rückgabe. Er durfte ihn aber nicht länger als drei Sekunden halten, ohne ihn auf die Erde zu tippen. Typischerweise lief der Torwart, den Ball immer wieder tippend, bis zur Strafraumgrenze und schlug ihn von dort weit ins Feld. Abwürfe kamen erst in den 60er-Jahren in Mode, wurden aber von mitdenkenden Torhütern wie Bert Trautmann, Hans Tilkowski oder Fritz Weber auch davor schon öfter eingesetzt.

Sonstige Regeln

Es gab noch keine gelben und roten Karten. Verwarnungen und Platzverweise wurden vom Schiedsrichter nur mündlich angesagt, unterstrichen durch mehr oder weniger heftiges Gestikulieren. Da es dabei öfter Missverständnisse gab, wurden nach der WM 1966 die Karten eingeführt (dort musste der Argentinier Rattin von der Polizei vom Spielfeld geholt werden, weil er sich weigerte, einen Platzverweis zur Kenntnis zu nehmen). Natürlich gab es auch die aufgesprühten Freistoßlinien noch nicht.

Die Abseitsregel wurde geringfügig geändert: Früher kam es nicht darauf an, dass ein abseits stehender Spieler ins Spiel eingriff. Daher passierte es z. B., dass ein von der Grundlinie zum Elfmeterpunkt flankender Spieler beim anschließenden Kopfball ein Abseits verursachte, wenn er inzwischen nicht ins Toraus weitergelaufen war.

Ausrüstung

Die Ausrüstung der Feldspieler unterschied sich nicht nennenswert von der heutigen, zumindest optisch (natürlich wurden damals noch kaum Kunststoffe verwendet), allerdings waren die Fußballschuhe immer schwarz, verziert mit den drei Adidas-Streifen oder dem Puma-Formstreifen. Anders beim Torwart: Handschuhe waren nicht üblich, und wenn er welche brauchte (bei Kälte), waren das nicht die heutigen Torwarthandschuhe. Dadurch war es für ihn viel schwieriger, den Ball zu fangen, ohne dass dieser ihm durch die Hände rutschte. Außerdem waren die Plätze oft sehr hart, besonders vor den Toren, so dass der Torwart gepolsterte Hosen und Knieschützer benötigte und nicht ein kurzärmliges dünnes Trikot, sondern stets einen dicken langärmligen Pullover trug.

Das Trikot musste während des Spiels in der Hose stecken, die Strümpfe (Stutzen) mussten hoch gezogen sein, sonst gab es eine Verwarnung.

Das erste Spiel in Deutschland, bei dem die Spieler Rückennummern auf den Trikots trugen, war das Erstliga-Spiel Bayern München–FC Schweinfurt im September 1948. Danach setzten sie sich in den oberen Ligen (etwa ab I. Amateurliga) durch. In den unteren Ligen und bei der Jugend wurde ohne Rückennummern gespielt. Das hatte immerhin den Vorteil, dass jeder sein persönliches Trikot hatte, das er trug, egal auf welcher Position er eingesetzt wurde.

Heim- und Auswärtstrikots

Bei gleichen oder schwer unterscheidbaren Trikotfarben spielte der Heimverein mit Ersatztrikots. Beim gelb-blauen FC Singen waren das rote Hemden und weiße Hosen; oft aber wurde auch nur das Hemd (blau oder rot statt gelb) oder die Hose (weiß statt blau) ersetzt.

Bälle

Bälle waren teuer und wertvoll. Daher gab es nur einen Ball pro Spiel, der nur im Notfall ersetzt wurde. Das Material war Leder, im Neuzustand imprägniert, aber das nutzte sich schnell ab, mit der Folge, dass bei nassem Wetter der Ball im Laufe des Spiels immer schwerer wurde.

In den unteren Klassen und besonders bei der Jugend spielte man in der Regel mit alten Bällen, die längst keine Imprägnierung mehr hatten und daher bei schlechtem Wetter sehr schwer waren.

Balltechnik

Bei der Ballbehandlung hat sich recht wenig geändert, Ball annehmen, dribbeln, passen, flanken, köpfen und schießen funktionierte wie heute. Allerdings haben die Spieler heute ein paar Tricks beim Dribbling drauf, die man früher noch nicht kannte.

Körperliche Verfassung

Konditionell und athletisch ist wahrscheinlich eine heutige Verbandsliga-Mannschaft jeder damaligen Erstliga-Mannschaft überlegen. Da haben sich die Trainingsmethoden doch sehr verwissenschaftlicht. Wenn man alte Filmaufnahmen, selbst von Länderspielen, sieht, fällt auf, wie langsam sich die Spieler bewegen, wie oft sie einfach nur herumstehen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass die damaligen Vertragsspieler, auch die Nationalspieler, nach heutigen Begriffen Amateure waren. Sie mussten voll berufstätig sein, so dass das Training eine reine Freizeitbeschäftigung war, die oft nur an zwei Abenden in der Woche stattfand.

Noch in den 60er-Jahren galt eine Flüssigkeitsaufnahme während des Spiels als schädlich, es drohte vermeintlich ein Kreislaufkollaps. In der Halbzeitpause durften die Spieler einen Zitronenschnitz auslutschen. Merkwürdigerweise brachen Marathonläufer nicht zusammen, wenn sie während des Laufs Wasser nachtankten. Allmählich setzte sich diese Erkenntnis auch im Fußball durch.

Schiedsrichter

Schiedsrichter waren damals wie heute Beleidigungen und Angriffen durch fanatische Anhänger (meistens der unterlegenen Mannschaft) ausgesetzt.

»Du blöder Rettich gehörst abgestochen wie eine Sau!«
»Dich zieh ich morgen mit meiner Hobelmaschine ab!« [Südkurier 16. Januar 1960]
»Schieber! Schieber!«
»Schiedsrichter ans Telefon!«
Auch in Singen kam es nicht nur einmal vor, dass der Schiedsrichter mit Polizeischutz aus dem Stadion gebracht werden musste, so z. B. nach dem Spiel gegen 1. FC Pforzheim am 11. März 1962.

»Bei der letzten Spruchkammersitzung [...] wurden der Spielausschußvorsitzende Alfred Harder (FC Singen 04) wegen Schiedsrichterbeleidigung mit einer Geldstrafe in Höhe von 80 DM und der Mannschaftsbetreuer Paul Paprian wegen sportwidrigem Betragen gegenüber dem Schiedsrichter mit einer Geldstrafe in Höhe von 30 DM belegt.« [Südkurier 5. Mai 1961]

Einlauf und Begrüßung

Die Mannschaften liefen nebeneinander aufs Spielfeld und blieben in der Spielfeldmitte gegenüber stehen. Der Spielführer der Heimmannschaft rief laut: »Dem FC Konstanz ein donnerndes«, worauf die Mannschaft brüllte: »Hipp hipp hurra!«. Darauf grüßte die Gastmannschaft umgekehrt genauso »Dem FC Singen ...« usw. In den oberen Klassen kam es aber schon in den 50er-Jahren in Mode, statt dessen sich in einer Reihe nebeneinander aufzustellen und nach beiden Seiten sich vor dem Publikum zu verbeugen. Das heutige Abklatschen gab es nicht. Das militärische Hipp-hipp-hurra ist inzwischen auch von den Fußballfeldern verschwunden.

Frauenfußball

Der Frauenfußball galt noch lange nach dem zweiten Weltkrieg als moralisch verwerflich (kurze Hosen! unweiblich!) oder gesundheitsschädlich (Kreislaufkollaps! Nervenzusammenbruch! Gebärmuttersenkung! Brustkrebs!) oder beides. In verschiedenen Ländern gab es sogar immer wieder Verbote. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) tat sich hier immer wieder unrühmlich hervor:

»Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.« (DFB-Verbandstag 1955)
So kann man sich verrennen.

Eines der ersten Frauenfußball-Länderspiele fand – natürlich ohne den Segen des DFB – am Samstag, dem 19. Oktober 1958, im Singener Hohentwielstadion vor über 3000 Zuschauern statt:

Deutschland – Niederlande 5:0

Ein paar Zitate aus dem Südkurier (vom 20.10.1958) zeigen die Mischung aus Anerkennung und Herablassung, mit der der Frauenfußball damals betrachtet wurde:

Schlagzeile: »Pferdeschwanz und Schnittlauchlocke bombten die Tore«
»Hier wandelten Damen auf Fußball-Pfaden, die (nicht einmal ohne Erfolg) bemüht sind, ihrer Sportidee zum Recht zu verhelfen, das ihnen der Deutsche Fußball-Bund in seinem Bereich verweigert.«
»So sah man im Singener Hohentwiel-Stadion [...] munter Mädchen und junge Damen hinter dem Ball herjagen, die gar nicht einmal un-mädchenhaft oder un-damenhaft wirkten.«
»Mädchen, die [...] den Fußball so lange betreiben, so lange es ihnen Spaß macht, so lange es die Physis zuläßt oder bis es der Freund, Bräutigam oder Ehemann nicht mehr wünscht.«
Usw. usf., heute kaum erträglich.

Am 19. März 1961 gab es erneut ein Frauenländerspiel im Hohentwielstadion:

Deutschland – Niederlande 6:2

Die Ankündigung und der Spielbericht waren schon deutlich wohlwollender.

»[Die über 2500 Zuschauer] wurden überrascht von dem spielerischen Können, das ihnen auf dem Rasen demonstriert wurde.« [Südkurier 22. März 1961]

Sonstiges

Bei einem Schiedsrichterball wurde verbissen um den Ballbesitz gekämpft.

Es gab auch in den oberen Spielklassen keinerlei Absperrungen – Zuschauer konnten ungehindert aufs Spielfeld rennen – und das taten sie auch ziemlich oft.

Der Kapitän hieß Spielführer und trug auch keine Kapitänsbinde.


Autor: Klaus Pommerening, 29. Oktober 2018; letzte Änderung: 26. Februar 2020.