Śǝrʿatä gǝbr – Ordnung für Bankett, Abgaben und deren Aufbewahrung im äthiopischen Hofllager

Die Śǝrʿatä gǝbr ist ein Paralleltext zu der ŚM, mit diesem eng verwandt, und überschneidet sich in manchem mit der ŚM. Allerdings sind die Bestimmungen hier wesentlich ausführlicher und in Details gehend was die Aufzählung der Hof- und Hausämter des Königs, deren Platz in der Zeltstadt des königlichen Lagers und deren für den königlichen Haushalt (= Hof) zu erbringende Leistungen angeht. Dafür fehlen die Beschreibungen der Staatszeremonien (letztlich also die Passagen, die der ŚM den Charakter einer Verfassung geben) ganz. Der Text ist mit Sicherheit älter als die Fassungen der ŚM, die auf uns gekommen sind. Manche Bestimmungen werden namentlich auf Kaiser ʿAmdä Ṣǝyon zurückgeführt.
In einzelnen behandelt die ŚG folgende Themen:

– Ordnung des königlichen Banketts und die dafür zu erbringenden Leistungen aus den verschiedenen Küchen, sowie die Speisen, die den einzelnen Würdenträgern zustehen.

– Aufbewahrungsorte von Gütern und Vorräten am Hofe (aus der Zeit des ʿAmdä Ṣǝyon).

– Ordnung der Tore des Lagers und wer sie benutzen darf.

– Ordnung der Zelte der einzelnen Würdenträger und ihr Standort in der Zeltstadt.

– Einzelne Bestimmungen über Maultier- und Pferdezucht (aus der Zeit des ʿAmdä Ṣǝyon und Säyfä Arʿad).

– Die zwölf Gesetzeslehrer, die mit Ǝbnä Ḥakim nach Äthiopien kommen.

– Eine ausführliche Liste späterer Ämter am Hofe.

Der besondere Wert dieses bis jetzt nur als Artikel (vgl Kropp: The śǝrʿatä gǝbr: a mirror view of daily life at the Ethiopian Royal Court in the Middle Ages.. In: Northeast African Studies. 10, 2-3. 1988. 51-87) ohne Übersetzung edierten Textes liegt neben seiner reichen Sachinfoemation in der sprachlichen Seite, da er eine Fülle altamharisehen Wortgutes bietet, die vergleichbar nur noch in den altamharischen Königsliedern zu finden ist. Allerdings ist dieser doppelte Wert durch die Schwierigkeit der sprachlichen und inhaltlichen Interpretation nur begrenzt nutzbar zu machen; die zahlreichen
Fragezeichen in der auch dann noch immer fragmentarischen, versuchend-tastenden Übersetzung legen davon Zeugnis ab. Manches wird wohl immer dunkel bleiben, sprechen doch auch einige Anzeichen dafür, daß wir es hier mit einer Sondersprache, einem Fachjargon des königlichen Hoflagers zu tun haben, der Metaphern, spöttische Vergleiche und vielerlei andere bildhafte Ausdrücke aufwies, die nur dem Eingeweihten verständlich waren und auch für die traditionellen Gelehrten Äthiopiens unbekannt, somit für immer verklungen sind. Die noch zu beschreibende Überlieferungslage dieses sehr wenig kopierten Textes ist ein weiterer Beweis für die hohen sprachlichen Schwierigkeiten, die das ŚM jedem Abschreiber oder Redaktor verursachte; nicht umsonst sind zwei Hss. Fragmente des Textes, die der Kopist zur späteren Nacharbeitung mit den entsprechenden unbeschriebenen Blättern in seiner Abschrift ließ.
Aufgrund der Schwierigkeit des Textes und seiner zahlreichen dunklen Stellen gibt die Edition peinlich genau alle Einzelheiten und Abweichungen der Hss. an. Es ist dabei zu bedenken, daß für die vielen amharischen Wörter zur Zeit der Abfassung und auch zur Zeit der letzten Abschriften noch keine orthographische Tradition des Amharischen bestand. Der Schreiber war ganz auf seine eigene Sprachauffassung verwiesen und dies erklärt besonders die zahlreichen Abweichungen in der Vokalisierung. Es wechseln besonders a, ä, ǝ untereinander.

 

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