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Äthiopische Schrift, unicode und die Vorteile einer Transliteration

Die äthiopische Schrift hat großen ästhetischen Wert. Funktionale Nachteile sind die fehlende Anzeige der Konsonantengemination und eine Doppeldeutigkeit: der Vokal ǝ und die Vokallosigkeit werden in der Schrift nicht unterschieden.
Für die philologische und linguistische Arbeit an Textkorpora in äthiopischer Schrift macht sich eine weitere Eigentümlichkeit des Schriftsystems unangenehm bemerkbar: das Pseudosyllabar. Jedes Zeichen bedeutet einen Konsonanten und einen folgenden Vokal.
Für Untersuchungen, die konsonantische Verbwurzeln oder andere morphologische Schemata betreffen – etwa suprasegmentale Morpheme wie Vokalfolge in mehrsilbigen Wortschemata – bedeutet dies eine Komplizierung automatischer Suche und Abfrage, bei der Erstellung von grammatischen Konkordanzen u.a.m.
So war es zunächst ein glücklicher Gedanke, die Unicode-Kodierung getrennt nach Konsonanten und Vokalen auszulegen und die Zusammensetzung nach Zeichen an der optischen Oberfläche Regeln im Betriebssystem oder in OT-fonts zu überlassen. Dies hätte die Zahl der notwendigen Kodierungen zudem reduziert. Wahrscheinlich aus politischen und Prestige-Gründen (Argument: die chinesische Schrift beansprucht fast die Hälfte des unicode-Volumens! Da will Äthiopien wenigstens einige hundert Stellen haben!) ist dann unicode für Äthiopisch nach dem Zeichenvorrat im Pseudo-Syllabar ausgelegt worden.
Dies hat zur Folge, daß eine präzise und eindeutige Transliteration, die die Silbenzeichen in Konsonant und Vokal auflöst, für die oben genannten Arbeitsbereiche nach wie vor eine Berechtigung hat. Darüber hinaus war für die Arbeit mit elektronischen Instrumenten und der Beschränkung dieser frühen Technologie auf die Verarbeitung von ASCII-Texten eine Umschrift, die lediglich diesen Zeichenbestand verwendet, naheliegend, wenn unabdingbar.
Während der Arbeit am Thesaurus linguae aethiopicae an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wurde anfangs der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Mainzer Umschrift (mzu) entwickelt und erfolgreich verwendet, die diese oben genannten Gesichtspunkte berücksichtigt. Diese konvertierte zunächst automatisch die in kommerziellen Textverarbeitungen gängigen Kodierungen (wie etwa AmharicLA von Ecological Linguistics) in die alphabetische Transliteration und erlaubte die ebenso automatische Retrokonversion zum Ausdruck in äthiopischer Schrift. Mit dem Aufkommen des unicode-Standard war das Problem der Darstellung am Bildschirm und im Druck gelöst; für Altbestände äthiopischer Texte wurde ein Konverter AmharicLA –> unicode erstellt. Bei der praktischen Arbeit mit Textkorpora ergab sich, daß eine alphabetische Transliteration nach wie vor äußerst praktisch war. Nicht nur, weil einige linguistische Programm-Juwelen, wie Conc von SIL (http://www-01.sil.org/computing/conc/) nicht mehr über MacOS 9 und schon gar nicht für unicode fortgeführt wurden; moderne vergleichbare Weichware verfügt noch nicht über Concsche Möglichkeiten speziell in Gestaltung der Textreferenz. Die alphabetische Auflösung des äthiopischen Syllabars war gerade wegen der syllabischen Kodierung in unicode für philologisches und linguistisches Arbeiten das Gegebene.
Für den Mac-Anwender wurden so Ämulationen von MacOS 9 (wie etwa Sheep Shaver oder Classic-On-Intel v 4.0.1: “chubby-bunny”) in MacOS X alltägliche Notwendigkeit und alltägliches Werkzeug. Darüber hinaus wurde eine Macro-Serie für Nisus Writer, die die automatische Konversion von unicode <–>mzu erlaubt eine unentbehrliche Hilfe. Diese Macros wurden vom Kollegen Kino (e-mail: Kino <quinon@rio.odn.ne.jp>) in mühevoller und geduldiger Kleinarbeit im Austausch mit dem Autor dieser Zeilen in 2008 erstellt und sind im Internet zur allgemeinen Verwendung zugänglich
pdfs/EthiopicMZUEntities2Unicode.pdfpdfs/EthiopicMZUText2Unicode.pdfpdfs/EthiopicUnicode2MZUEntities.pdfpdfs/EthiopicUnicode2MZUText.pdfpdfs/FixAmharicLACharacters.pdf
Als eine der letzten Arbeiten, die mit diesen Instrumenten erstellt wurden, sei hier genannt eine KWIC-Konkordanz und Wortliste zu meiner synoptischen Edition der "Altamharischen Königslieder"; s.o. einige Beispielseiten:

For philological and linguistic work and research the Ethiopic syllabary and its consecutive encoding in unicode can be awkward and hampering. That is why a transliteration splitting up the syllables in consonants and following vowels can be a good help for working with Ethiopic text corpora and electronical tools. Moreover the restriction to the ASCII alphabet of such a transliteration (once dictated by the state-of-the-art of text computing) still allows working with programs dating from that time. This is the case with a real program jewel "Conc" produced by SIL for the Mac (http://www-01.sil.org/computing/conc/). The program works on flat text files and produces concordances and word indexes in an elegant way, allowing free choice for the form of the references in the full text. Many new programs – e.g. Ant Conc – are not so versatile.
Emulations like Sheep Shaver or Classic-On-Intel v 4.0.1: “chubby-bunny” allow to use these programs still while working in MacOS X.
Moreover macro files for Nisus Writer Pro written by Kino (e-mail: Kino <quinon@rio.odn.ne.jp>) in painstaking and patient work and in direct exchange with the author of these lines convert to and fro Ethiopic unicode <–> mzu.
(URL: http://www2.odn.ne.jp/alt-quinon/files/NWPro/convert/EthiopicMZUMacros.zip).
*1*Ähnliche Konverter ließen sich auch in Visual Basic für Word herstellen.