Äthiopienkundliches Projekt Nr. 4
Der äthiopische Kalender
Die Einladung zum
ATHIRAT SYMPOSIUM 2025 -
25. – 26. February 2025 in Rabat
Dating Systems and Calendars in Ancient Arabia
bot mir Anlaß und Gelegenheit ein Projekt zu meinen bisherigen – deren manche die Aussicht haben, Teile meines Nachlasses zu werden – hinzuzufügen:
pdfs/Kalender_Abstract_Kropp.pdf
Einleitende Vorbemerkung
Eine Betrachtung des äthiopischen Kalenders beginnt mit der Feststellung, daß, bis auf eine Ausnahme, in der epigraphischen Tradition des Landes – in südarabischer und äthiopischer Schrift – vom ca. 7. Jhdt. v. Chr. bis ca. 10. Jhdt. n.Chr. keine Zeit- und Datumsangaben zu finden sind. Die Ausnahme ist die Grabinschrift von Ḥam (RIÉ 232), in deren Datumsangabe in nuce alle wichtigen Elemente des äthiopischen Kalenders – Wochentag, Monatstag und Monatsname, Festtagsname und Jahresdatum mit Angabe der Ära – figurieren:
„Es starb Giḥo, Tochter des Mängäša im Monat Taḥśaś am 27. des morgens des Vorabends des Weihnachtsfestes gǝnna, an einem Mittwoch rabuʿ und das Jahr war 590 unseres Feindes = Diokletian, aber auch der Gnade = 23. Dezember 873 n.Chr. (Kropp 1999); alternativ: 967 der Inkarnationsära = 23 Dezember 974 n.Chr. (Bausi 2019; 2021).“
Als unstreitig ist festzuhalten: Im 9., spätestens im 10. Jdht. n. Chr. war ein christlicher Kalender in Äthiopien im Gebrauch, mit Namen und Daten für das Weihnachtsfest und den bis heute bekannten Namen für die Monate und Wochentage.
Klima, Jahreszeiten und ihnen entsprechende landwirtschaftliche Tätigkeiten im Spiegel der traditionellen Bezeichnungen
Die Betrachtung des äthiopischen Kalenders hat von dem natürlichen Rhythmus des Klimas im äthiopischen Hochland auszugehen. Dieser ist bestimmt von der Zeit der Monsunregen, ca. Ende Juni – Anfang September. Um diesen als feste Größe gliedert sich der Rest des Jahres. So ist bezeichnend, daß ein sprechender Name dafür bis heute bekannt ist – kǝrämt –, wie auch ein ebenso sprechender Name für den Monat, der die Regenzeit abschließt: mäskäräm.
Es gibt verschiedene Jahreszeitenzyklen, deren eine sich auf den Ablauf der landwirtschaftlichen Tätigkeiten beziehen, andere auf den klimatischen Zyklus im Jahr. Alle Bestandteile tragen äthiopische Namen, die nur zum Teil etymologisch zu deuten sind. Eine Form des liturgischen Kirchenjahres mit vier Jahreszeiten hat, im Gegensatz zum koptischen Kirchenjahr, diese traditionelle Form übernommen.
Die Monatsnamen
sind bis auf den Interkalationsmonat pạgwǝmen – aus dem Koptischen oder direkt aus dem Griechischen – alle äthiopisches Wortgut, freilich nicht immer etymologisch und morphologisch zu deuten.
Die Wochentage
sind nach semitisch / nahöstlichen Brauch numeriert, bis auf Freitag und Samstag (Vorabend des Sabbats und Sabbat). Dazu wird eine sonst seltene Nominalform benutzt, die auch für die Numerierung der Monatstage Verwendung findet: ǝḥud – sänuy – sälus – räbuʿ – ḫamus – ʿarb, neben sälus – sänbät.
Die mehrfachen Bezeichnungen für Samstag: sänbätä ayhud, qädamit sänbät, qädami sänbät und Sonntag: sänbäta krǝstiyan, ǝḥud sänbät, sänbätä ǝḥud spiegeln die mittelalterliche Kontroverse um die Einhaltung der zwei Sabbat-Tage wieder.
Die Festtage Äthiopiens
sind oft gemeinchristlich, dazu kommt eine Anzahl äthiopischer Marien- und Heiligenfeste. Vielleicht ist im Kreuzfest mäsqäl ein umgedeuteter heidnischer Brauch zu sehen.
Die in Äthiopien gebrauchten Ären
Ära nach den Jahren der Gnade, äth. ʿamätä mǝḥrät, abgekürzt a.m. Heute wird damit die Ära nach Geburt Christi in äthiopischer Manier bezeichnet. Jahr 1 entspricht 5501 der Ära nach Erschaffung der Welt = 8 n.Chr.
Ursprünglich bezeichnete die Ära der Gnade das Jahr im zwölften 532-Jahreszyklus des Ostercomputus, beginnend mit dem 77. Jahr der Ära Diokletians oder der Märtyrer am 29. August 360 n.Chr. Der zyklische Computus führt dazu, daß in den Spalten für historische Ereignisse Daten der frühen christlichen Geschichte zu solchen des Mittelalters und der frühen Neuzeit gesetzt sind
Referenzen:
Bausi, Alessandro 2019. „Tempo e storia nella tradizione etiopica cristiana.“ Alessandro Bausi, Alberto Camplani, and Stephen Emmel, eds, Tempo e Storia in Africa / Time and History in Africa. Milano: Accademia Ambrosiana.79–112. (Africana Ambrosiana. 4.).
Kropp, Manfred 1999 „‘Glücklich, wer vom Weib geboren, dessen Tage doch kurzbemessen …!" Die altäthiopische Grabinschrift von Ḥam, datiert auf den 23. Dezember 873 n. Chr.“ Oriens Christianus. 83:162-176.